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# taz.de -- Kiruna IF gegen Homophobie: Mehr lieben, weniger hassen
> Ein Zeichen gegen Homophobie im Sport: Das schwedische Eishockeyteam von
> Kiruna IF trägt in der dritten Liga fortan regenbogenfarbene Trikots.
Bild: Und so sieht das Team von Kiruna IF aus.
STOCKHOLM taz | „Widerlich.“ – „Diese schwulen Säue.“– „Früher …
Eishockeyspieler wenigstens noch richtige Männer.“ Derartige Reaktionen in
den Kommentarspalten von Medien, die über die Initiative von Kiruna IF
berichteten, dürften der beste Beweis dafür sein, dass diese Aktion wichtig
ist. Worum es geht?
In der dritthöchsten schwedischen Liga spielen die Eishockeycracks aus der
Grubenstadt nördlich des Polarkreises in der kommenden Saison in
regenbogenfarbenen Trikots – nicht weil sie ein Schwulenverein sind,
sondern um ein Zeichen zu setzen gegen die Homophobie im Eishockeysport.
Kiruna liegt mit seinen 18.000 EinwohnerInnen ganz im Norden von Schwedens
Norrland.
„Ja, ich habe mit negativen Reaktionen gerechnet“, sagt Johannes Skogkvist,
„von Leuten, die meinen, dass so etwas mit Eishockey nichts zu tun hat.
Aber es ist ja genau diese Ablehnung, gegen die wir etwas tun wollen.“
Als der Vereinsvorstand im Frühjahr zu einem Brainstorming darüber
aufforderte, wie man künftig erfolgreicher arbeiten, welche Zielgruppe man
ansprechen könnte, die sich bislang vielleicht ausgeschlossen gefühlt oder
nicht für Eishockey interessiert hat, hatte Skogkvist, der mit seiner
Elektrofirma einer der Sponsoren von Kiruna IF ist, reagiert und
vorgeschlagen: Warum dem Klub nicht ein neues Image geben? Offenheit und
Toleranz statt Abgeschlossenheit? Ja, warum eigentlich kein HBT-Zertifikat?
## „Das Stärkste, was ich je im Sport gesehen habe“
Dieses Zertifikat – „HBT“ steht für Homo, Bi, Trans – wird seit 2008 v…
dem schwedischen Schwulen- und Lesbenverband RFSL verliehen. Es soll
bestätigen, dass ein Unternehmen erfolgreich daran arbeitet, die Rechte von
Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen zu respektieren, sie besser zu
integrieren und ihnen eine gleichberechtigte Arbeitsumwelt bietet. Bislang
haben es über 150 Unternehmen und Einrichtungen erhalten – vor allem solche
im sozialen Sektor. Ein Sportverein war bislang noch nicht dabei, Kiruna IF
wäre also ein Pionier.
Doch wie geht man das an? Die Verantwortlichen holten sich unter anderem
Rat von Kakan Hermansson, einer bekannten Künstlerin, Radio- und
TV-Moderatorin, die im Juni gerade in Kiruna war, weil sie dort eine
Kunstausstellung zum Thema männliche Gewalt gegen Frauen vorbereitete.
„Ich war richtig skeptisch und hatte sehr viele Vorurteile gegen
Eishockeyspieler“, schrieb Hermansson, die sich selbst als „smart, dick,
hübsch, feministisch und lesbisch“ charakterisiert, nach einem ersten
Treffen in ihrem Blog. Aber das, was dieser Klub vorhabe und wozu er sie um
Unterstützung gebeten habe, „ist das Stärkste und Progressivste, was ich je
im Sport gesehen habe.“ Die 32-Jährige freue sich, daran beteiligt zu sein.
Zugleich habe es ihr imponiert, wie diese Männer sich, ihre Rolle und ihre
Einstellung zu Eishockey, „dem männlichsten Sport der Welt“, sehen und ihr
Image erneuern möchten: „I was blown away.“
Mikael Lasu, 28-jähriger Forward in Kiruna IFs A-Mannschaft, formuliert es
in einem Interview etwas pathetischer: „Wir wollen mehr Wärme in unserer
Welt“, sagt er. „Ganz einfach mehr lieben und weniger hassen. Jetzt müssen
wir nur noch sehen, wie wir das alles richtig umsetzen.“ Dabei gehe es ja
auch gar nicht allein oder auch nur in erster Linie um Eishockey, „sondern
darum, dass sich in der ganzen Stadt etwas ändert – auf den Straßen, in den
Schulen, in der ganzen Gesellschaft: „Wir wollen überall eine positive
Entwicklung anstoßen, eine durchgängige Toleranz, damit alle endlich sie
selbst sein können.“
## Mehr Hauptstadtliberalität in Kiruna
Der Vereinsvorsitzende Johan Köhler gesteht, dass er zuerst auch so seine
Zweifel hatte, als die Vorschläge mit der Zertifikation, den
Regenbogentrikots und den geschlechtsneutralen Toiletten in der
Lombia-Sporthalle, der Heimatarena des Klubs, kamen. Doch jetzt freut er
sich darauf, dass die Klubfans bald als „Rainbow Warriors“ auftreten, die
es dann vielleicht nicht nur in Kiruna geben werde: „Das könnte ja eine
Lawine auslösen.“
Er wünscht sich darüber hinaus mehr Hauptstadtliberalität in Kiruna: „In
Stockholm fällt es ja auch nicht auf, wenn zwei Männer Händchen halten.
Aber komm mal nach Kiruna.“ – „Wir sind eben die Machostadt“, meint
Johannes Skogkvist: „Wir fahren die größten Trucks, hacken das Erz aus den
Gruben und spielen den Machosport. Nun wird es einen echten Kontrast geben.
Wir wollen den Mythos vom norrländischen Mann brechen: Wollen wir den Klub
und die Stadt entwickeln, muss es Platz für mehr, für alle geben. Sonst
können wir nämlich gleich einpacken.“
„Eine verdammt wichtige Sache“, kommentiert Mikael Mjörnberg, Chefredakteur
der Hockey-Website Hockeyettan: „Ein großes High five auf Kiruna und diese
Initiative. Denn, seien wir mal ehrlich, gerade Eishockey wird ja von einem
recht homophoben Milieu geprägt.“ Nicht zuletzt hätten das manche spontane
Reaktionen auf die Kiruna-Pläne gezeigt – und sei es nur, dass viele die
neuen Trikots gleich „potthässlich“ fanden, obwohl sie das wirklich nicht
seien.
Das sehen offenbar viele so: Im Onlineshop von Kiruna IF läuft der Verkauf
der Regenbogentrikots jedenfalls schon mehrere Wochen vor Beginn der Saison
glänzend. Und sogar erste Bestellungen aus den USA sind eingegangen. Viktor
Esseryd, 22-jähriger Verteidiger bei Kiruna IF, verspricht: „Wenn bei
Auswärtsspielen irgendwelche blöden Kommentare kommen, werden wir darüber
nur lachen.“
18 Jul 2014
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Homophobie
Eishockey
Schwerpunkt Rassismus
Singapur
Homosexualität
Uganda
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