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# taz.de -- Warten aufs Kabel: Norden geht offline
> Bis 2018 soll es schnelles Internet für alle geben, sagt die
> Bundesregierung. Realistisch ist das nicht, zeigt der Blick aufs platte
> Land.
Bild: Mitunter erinnert Internet-Surfen an Schneckenrennen
KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE taz | "Sicher haben wir Internet", sagt Bianca
Dommes, Bürgermeisterin von Felde. Aber in einigen Ecken des
2.000-Einwohner-Ortes nahe der Landeshauptstadt Kiel ist die Datenautobahn
nur über den Feldweg zu erreichen: Es dauert, bis sich Seiten aufbauen,
Filmchen laufen mit Ruckel-Bildern. Jetzt soll Felde an die Moderne
anschließen, per Glasfasernetz.
Ähnlich geht es ganz Schleswig-Holstein. 99,6 Prozent der Haushalte sind
angeschlossen, teilte das Wirtschafts- und Verkehrsministerium im April
vergangenen Jahres mit. Selbst die fernsten Halligen sind per Mail
erreichbar. Das Problem liegt bei der Übertragungsgeschwindigkeit: Die fast
vollständige Internetifizierung gilt nur für die Übertragungsrate von einem
Megabit pro Sekunde.
## Daten kriechen durch Kupferkabel
Die Stockungen beginnen auf der „letzten Meile“, vom sogenannten
Kabelverzweiger bis zur heimischen Telefonbuchse. Bis in die Hauptverteiler
rauschen die Daten durch Glasfaserleitungen, das letzte Stück kriechen sie
durch ein Kupferkabel, das ursprünglich nur für das Telefon gedacht war.
„Entfernung vom Verteiler und Qualität der Kupferleitung entscheiden, wie
viel Bandbreite zur Verfügung steht“, so das Ministerium. Das ist erstmal
Physik, nicht Politik.
In Felde hat sich die Gemeindevertretung ausgiebig mit dem Thema
beschäftigt. Es gab Gespräche mit der Telekom, die als Nachfolgerin der
alten Bundespost das Leitungsnetz betreibt. „Deren Angebot war so horrend
hoch, dass es schlicht nicht ging“, sagt Bianca Dommes. Denn in dünner
besiedelten Ortsteilen würden sich die Kosten auf nur wenige Haushalte
verteilen.
Die Landesregierung aus SPD, Grünen und Minderheitenpartei SSW sieht
Internet als „Basisversorgung wie Strom oder Wasser, und die
Breitbandversorgung als eine Kernaufgabe des Landes“. Zurzeit ist die
Aufgabe trotz der Fast-Vollversorgung längst nicht erledigt. In 586
Gemeinden, also etwa der Hälfte aller Orte in Schleswig-Holstein, gibt es
Ecken, an denen die Übertragung langsam wird.
## Das Land ist kein Akteur
Wer ins Internet will, muss Nachteile in Kauf nehmen: Die Übertragung per
Fernsehkabel bietet nur ein Anbieter an. Satelliten-Verbindungen sind
teurer, zudem gibt es Zeitverzögerungen. Die „Powerline“-Technik, bei der
Internet-Daten über das Stromnetz geschickt werden, ist bisher wenig
ausgebaut. Das Land setzt auf Glasfaser: Denn nur so ein Netz, das für
große Datenmengen ausgerichtet ist, könne die „digitale Spaltung der
Gesellschaft“ verhindern. Bis 2030 soll es flächendeckend soweit sein. Das
Problem: Das Land ist gar kein Akteur.
Denn seit der Staat sich aus dem Telekommunikationsmarkt zurückgezogen hat,
„erfolgt der Breitbandausbau grundsätzlich nach marktwirtschaftlichen
Prinzipien“ und sei nur „begrenzt zu beeinflussen“, so das Ministerium.
Auch die Gemeinde Felde ist nicht in der Pflicht, sich um die
Internetversorgung zu kümmern – leider, meint Dommes: „Wäre es eine
gesetzliche Aufgabe, wäre es einfacher.“ Dann würde die Gemeinde
entscheiden und alle Haushalte zwangsweise zahlen, wie beim Abwasser. „So
aber entscheidet jeder für sich.“
## Ein Netz für 350 Euro pro Haushalt
Nach dem Fiasko mit der Telekom hat sich die Firma TNG an die Gemeinde
Felde gewandt und vorgeschlagen, ein Glasfasernetz zu legen. Kosten für die
Gemeinde: keine. Kosten für die Haushalte: mit 350 Euro Investition
überschaubar – wenn genug mitmachen. Die Gemeindevertretung warb eifrig:
„Wir standen jeden Samstag vor dem Laden und haben den Leuten zugeredet.“
Das Land Schleswig-Holstein hat soeben einen Sonderfonds beschlossen, der
15 Millionen Euro umfasst und bei der Investitionsbank angelegt ist.
Dagegen stimmten im Landtag ausgerechnet die Piraten. Deren Abgeordneter
Patrick Breyer kritisiert, dass das Sondervermögen auf Kredit aufgenommen
werde und daher das Land Geld koste.
Zudem finde er es wichtiger, erst einmal eine echte Vollversorgung
herzustellen, statt in wenigen Orten Glasfaser zu legen. Und er sagt, wie
Bürgermeisterin Dommes: „Netzausbau sollte eine gesetzliche Aufgabe werden,
die Kosten sollten auf alle umgelegt werden.“
Für Felde wäre das gut. Denn weder die Info-Abende der Firma noch die
Gespräche der Gemeindevertreter haben geholfen: Nach Ablauf der
Anmeldefrist wollen weniger als ein Drittel der Haushalte das schnelle
Kabel. „Ältere sehen nicht ein, dass sie etwas zahlen sollen, das sie nicht
nutzen“, sagt Dommes. „Und dann gibt es die irrationalen Gründe.“ Etwa,
dass per Glasfaser die NSA ins Haus kommt. „Dagegen kann man wenig machen.“
25 Jul 2014
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Finanzen
Schleswig-Holstein
Norddeutschland
Breitbandausbau
Telekom
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