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# taz.de -- Dietrich Wersich über Hamburgs Zukunft: „Olympia ist eine Riesen…
> Dietrich Wersich, Fraktionschef der CDU in der Bürgerschaft, über
> Olympische Spiele, die nahende Wahl und seine Bürgermeister-Ambitionen.
Bild: Will keine Ideologie: Dietrich Wersich.
taz: Herr Wersich, seit dreieinhalb Jahren opponieren Sie und Ihre Fraktion
gegen den absoluten Bürgermeister Olaf Scholz und dessen SPD. Wie groß ist
der Frust?
Dietrich Wersich: Kein Stück, das ist notwendige Aufbauarbeit. Auch ein
Gärtner muss erst säen, bevor er ernten kann. Ich bin nach der
Wahlniederlage 2011 auf einem Tiefpunkt als Oppositionsführer angetreten,
um die CDU wieder zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft zu machen.
Jetzt sind wir so weit zu sagen: Wir wollen und können wieder regieren.
Regieren ist kein Wunschkonzert, schon gar nicht bei den Finanzen. Sie
wollen noch mehr und härter sparen, als der SPD-Senat es bereits tut?
Nein, so nicht. Ja, wir wollen die Schuldenbremse früher erreichen. Das
geht, weil der Senat mehrere 100 Millionen Euro Rücklagen gebildet hat, um
hier und da mal Wünsche zu befriedigen. Auch dadurch wird der Haushalt
zwischen 2011 und 2016 um über zwölf Prozent aufgebläht. Zum anderen ist
eine Haushaltssanierung ausschließlich durch Kürzungen der falsche Weg. Im
Gegenteil, wir müssen in die Zukunft investieren, vor allem in
Infrastruktur, Firmenansiedlungen und Wissenschaft. Das Konzept der
Wachsenden Stadt führt auch zu den nötigen Mehreinnahmen.
Das mag ein langfristiges Ziel sein, aber ohne Sofortwirkung. Die
Schuldenbremse soll aber bereits in vier, fünf Jahren greifen.
Wir können sogar schon 2015 ohne neue Schulden auskommen. Die Einnahmen
steigen, deshalb ist jede weitere Neuverschuldung nicht zu verantworten.
Finden Sie es immer noch falsch, dass die Studiengebühren abgeschafft
wurden und es kostenloses Mittagessen in den Kitas gibt?
Es ist falsch, die Universitäten zwar billiger zu machen, ihnen aber kein
Geld für mehr Qualität zu geben. Die sogenannten Hochschulverträge sind
faktische Kürzungen der Hochschul-Etats, weil nicht mal die Inflationsrate
ausgeglichen wird. Und in Hamburg haben wir einen der schlechtesten
Betreuungsschlüssel im Krippenbereich. Auch da ist es falsch, Kitas nur
billiger, aber nicht besser zu machen.
Wenn Sie regierten: Würden die Etats der Unis erhöht?
Ja, wir wollen die 40 Millionen Euro, die Hamburg jetzt durch die Übernahme
des Bafögs durch den Bund spart, vordringlich für mehr Qualität an die
Hochschulen weitergeben.
Sie teilen die Kritik der drei weisen alten Männer – Ex-Bürgermeister Klaus
von Dohnanyi (SPD) und die Ex-Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried
Maier (Grüne) – an der Hamburger Hochschulpolitik, die sie Anfang April in
einem ausführlichen Papier geäußert haben?
Ja, es ist eine fundierte Kritik daran, dass Hamburg noch viel zu wenig
eine Stadt der Wissenschaft, Forschung und Innovation ist, sondern
traditionell eine Stadt der Arbeit und des Handels. Wissen wird aber auch
für die Wirtschaftskraft immer entscheidender. Um Hamburg zu einer Stadt
des Wissens zu machen, bedarf es nicht nur eines seltsamen Strategiepapiers
der Wissenschaftssenatorin, sondern das ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe.
Die drei sagen ja im Grundsatz: Es darf ruhig jeder Abitur machen, aber die
Universitäten müssen für mehr Exzellenz sorgen.
Das ist sehr vereinfacht. Aber es ist schon erforderlich, dass Ausbildung
und Forschung exzellent sein müssen, um im internationalen Wettbewerb um
die klügsten Köpfe zu bestehen.
Also Klasse in der Spitze, nicht in der Breite?
Beides. Das Niveau muss insgesamt höher werden und die Spitzenqualität
ebenfalls.
Seit Monaten ist Verkehrspolitik – Stadtbahn? U-Bahn? Busbeschleunigung?
Fahrräder? Autos? – ein strittiges Thema in der Stadt. Wo fährt die CDU?
Wir sprechen uns seit Langem für einen modernen Mobilitätsmix aus, der
nicht einseitig auf das Auto setzt, aber auch keine Politik gegen
Autofahrer macht. Das Radfahren und der öffentliche Nahverkehr müssen
stärker gefördert werden. Das wirkungslose Busbeschleunigungsprogramm muss
gestoppt werden. Und wir brauchen einen gezielten U-Bahn-Ausbau, aber auch
eine leistungsfähige Stadtbahn.
Warum haben Sie an der seit 20 Jahren vergeblich von den Grünen geforderten
Stadtbahn jetzt so einen Narren gefressen?
In vielen großen europäischen Metropolen erlebt die Stadtbahn eine
Renaissance. Das haben wir uns genau angeschaut und zusammen mit Fachleuten
ein leistungsfähiges Netz entworfen: 17 Linien, fast 100 Kilometer zu
Kosten von 2,7 Milliarden Euro, 2030 könnte es fertig sein. Die
U-Bahn-Pläne von Bürgermeister Scholz sind hingegen illusorisch. Bis 2040
für mehr als vier Milliarden Euro lediglich 30 Kilometer U-Bahn bauen zu
wollen, geht an der Realität vorbei. Und sie löst nicht die
Verkehrsprobleme von heute, sondern verschiebt sie auf morgen.
Sie wollen also das S- und U-Bahnnetz durch eine Stadtbahn erweitern?
Ja, weil es die leistungsfähigste und beste Alternative ist. Die U-Bahn
muss den Sprung über die Elbe nach Wilhelmsburg und Harburg machen.
Dann ist die CDU keine Autofahrerpartei mehr?
Zeitgemäß ist der Mix – es gibt doch kaum noch reine Autofahrer. Jeder geht
mal zu Fuß, fährt Rad oder nimmt den Bus. Für viele gilt: Wie komme ich so
schnell wie möglich an mein Ziel? Das sollte die Politik befördern und eine
zukunftsfähige und ökologische Verkehrspolitik für alle machen.
Aber der verkehrspolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Klaus-Peter Hesse, hat
jüngst die Pläne für eine Fahrradstraße um die Außenalster als „Schikane
gegen Autofahrer“ gegeißelt.
Nein, es geht nicht gegen bessere Fahrradwege, sondern um die Sperrung für
Autofahrer. Wir wollen nicht die Leute zu etwas zwingen oder ihnen etwas
vorschreiben, wir wollen attraktive Angebote machen.
Aber Fahrradstraßen funktionieren nur ohne Autos.
Mir geht es um attraktive Verkehrswege für alle, das geht auch mit mehr
Fahrradstreifen.
Dann wäre es aber keine Fahrradstraße.
Ja, aber für ein bestimmtes Verkehrsmittel die Stadt zu sperren, ist reine
Ideologie.
War die Verstaatlichung der Reederei Hapag-Lloyd auch Ideologie? Die CDU
hat 2012 die Erhöhung der städtischen Beteiligung abgelehnt, obwohl der
erste Einstieg 2008 unter CDU-Führung erfolgte? Wie erklären Sie diese
Dialektik?
2008 ging es darum, den Ausverkauf von Hapag-Lloyd an einen Konkurrenten zu
verhindern, um das Unternehmen und die Arbeitsplätze in Hamburg zu sichern.
Deshalb hat die Stadt sich damals zusammen mit Hamburger Unternehmern an
der Reederei beteiligt. Beim Kauf der zweiten Tranche 2012 durch den
SPD-Senat ist die Stadt hingegen in die führende Rolle gegangen und hat die
Anteile ohne Not viel zu schnell und zu teuer gekauft. Deshalb konnten wir
da nicht zustimmen.
Bisher ist der Hapag-Lloyd-Deal mit etwa 1,2 Milliarden Euro Kosten ein
Minus-Geschäft für den Steuerzahler. Wann gibt es die versprochenen
Renditen?
Hapag-Lloyd strengt sich sehr an. Ich hoffe, der Markt erholt sich, ich bin
da nicht so pessimistisch. Aber die Stadt braucht ein Ausstiegsszenario,
denn es kann nicht Sinn der Sache sein, den Hafen in städtischer Regie mit
einer städtischen Reederei als Großkunde zu betreiben.
Sollten die Hapag-Lloyd-Anteile schnellstmöglich wieder verkauft werden?
Nicht schnellstmöglich, sondern zu einem guten Preis. Vordringlich ist,
dass Hapag-Lloyd auch nach der Fusion mit der chilenischen CSAV eine
gesunde Basis bekommt und eine gute Perspektive. Dann sollte das Engagement
der Stadt wieder beendet werden.
Warum setzen Sie sich so vehement für Olympische Spiele in Hamburg ein?
Ich finde, dass Olympische Spiele eine Riesenchance für Hamburg und den
ganzen Norden sind. Die Stadt kann ein stolzer Gastgeber für die Welt sein.
Das ist etwas, was man gar nicht überschätzen kann.
Die Spiele als milliardenschwere Werbekampagne für den Tourismus?
Natürlich würde das auch den Tourismus ankurbeln, wenn fünf Milliarden
Menschen Hamburg wahrnähmen. Aber es geht um viel mehr, denn mit
Olympischen Spielen wären sehr sinnvolle städtebauliche Projekte schneller
zu verwirklichen.
Die Linie des SPD-Senats ist: Das muss nachhaltig sein, sonst machen wir
das nicht. Stimmen Sie dem zu?
Klar, wir wollen ein überzeugendes Konzept für hanseatische Spiele am
Wasser. Investitionsruinen will niemand.
Also Spiele nur, wenn sie nachhaltig, sozial und bezahlbar sind?
Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass all die Sozialleistungen
nur bezahlbar sind, wenn es der Stadt wirtschaftlich gut geht. Dieser
Zusammenhang ist evident.
Klingt nach Almosen.
Um verteilen zu können, muss es etwas zu verteilen geben. So ist es nun
mal. Deshalb brauchen wir Investitionen in die Zukunft, und Olympische
Spiele wären in jeder Hinsicht eine gute Zukunft: sportlich, städtebaulich,
kulturell und auch sozial.
Sie sehen nicht die Gefahr von Spekulation, Verdrängung,
Mietpreisexplosionen, Gentrifizierung von Stadtteilen wie Rothenburgsort
oder Veddel in unmittelbarer Nähe zu den zentralen Olympiastätten?
Mit dem neuen Viertel auf dem Kleinen Grasbrook würden Firmen verdrängt,
für die Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Was die anderen
Stadtteile angeht, hat gerade die IBA in Wilhelmsburg gezeigt, wie man
einen Stadtteil aufwerten kann, ohne die Einwohner zu verdrängen. Das ist
ein zeitgemäßes Konzept. Auf diese Erfahrungen sollten wir bei Olympischen
Spielen zurückgreifen.
Sie sehen also bei Olympischen Spielen in jeder Hinsicht mehr Chancen als
Risiken?
Ja, ganz klar. Das ist eine riesige Chance für Hamburg. Ob die Stadt das
will, muss sie aber zunächst selbst beantworten.
Es soll ja vermutlich im nächsten Mai einen Volksentscheid geben.
Ja, deshalb hat die CDU einen Gesetzentwurf für eine Volksbefragung
vorgelegt. Es ist wichtig, dass in einer solchen Frage die große Mehrheit
der Bevölkerung zustimmt. Ich bin da sehr optimistisch.
Das alles haben wir im Zweifel noch vor uns. Bereits hinter uns haben wir
die Europa- und Bezirkswahlen vom 25. Mai mit einer Wahlbeteiligung von nur
41 Prozent: Minusrekord. Hat sich das neue Wahlrecht bewährt oder sollte es
geändert werden?
Ein Wahlrecht darf nicht dazu führen, dass Menschen davon abgeschreckt
werden, wählen zu gehen. Deshalb sollte es meines Erachtens Änderungen
geben. Zum Beispiel ist es unsinnig, dass die Parteien doppelt so viele
Kandidaten anbieten müssen, wie Sitze zu vergeben sind. Die Zusammenlegung
der Wahlen sehe ich eher positiv. Wir haben dadurch einen Anstieg der
Beteiligung an der Europawahl. Auch in anderen Bundesländern gibt es die
Erkenntnis, dass die Kombination von Europa- und Kommunalwahlen zu einer
höheren Wahlbeteiligung bei den Europawahlen führt.
Aber nicht bei den Kommunalwahlen. Wäre es nicht sinnvoll, die
Bezirkswahlen wieder an die Bürgerschaftswahlen zu koppeln, damit die
Wahlbeteiligung wieder zunimmt? 2011 lag sie noch bei 54,3 Prozent.
Neben der Bürgerschaftswahl geht die Bezirkswahl völlig unter. Ich sehe in
der Trennung von den Bürgerschaftswahlen eher die Chance, eigenständige
kommunale Themen in den Vordergrund zu stellen. Deshalb sollten die Wahlen
getrennt bleiben.
Sind 54 Wahlkreise nicht zu kleinteilig und unübersichtlich? Bei
Bürgerschaftswahlen gibt es nur 17 Wahlkreise.
Nein. Die Wahlkreise haben die Bezirksversammlungen selber eingeteilt, sie
sollen eher kleinteilig die Stadtteile abbilden und repräsentieren. Das
finde ich schon okay.
Der Verein „Mehr Demokratie“ möchte Hamburg als Einheitsgemeinde auflösen
und aus den sieben Bezirken eigenständige Großstädte im Bundesland Hamburg
machen. Was halten Sie davon?
Das ist eine Schnapsidee. Wir reden über Zusammenarbeit in der
Metropolregion, über die Europäische Union, weltweite Kooperationen, und
dann kommen da Leute und sagen, wir wollen aus einer Stadt sieben Städte
machen – das ist absurd.
Gäbe es in einem solchen Fall außer einer Landesregierung auch sieben
Großstadtverwaltungen mit Oberbürgermeistern, Stadträten, Fachbehörden?
Das wäre wohl die Konsequenz: Deutlich mehr Bürokratie, nicht mehr
Demokratie.
Die nächste Bürgerschaftswahl ist in einem halben Jahr, am 15. 2. 2015.
Welches sind aus Ihrer Sicht die großen Themen?
Moderne Mobilität, starke Wirtschaft mit Hafen und Hightech und drittens
Sicherheit und Sauberkeit in der Stadt.
Also wieder Innere Sicherheit wie 2001 bei Schill?
Schill ist weg. Aber die CDU steht immer schon für die Sicherheit in der
Stadt, das wird sich mit mir nicht ändern.
Sie wollten doch die CDU zu einer liberalen Großstadtpartei machen. Das
klingt jetzt aber sehr nach harter Hand am rechten Rand.
Quatsch. Wenn 1,8 Millionen Menschen zusammenleben, dann muss es dafür auch
gewisse Regeln geben. Und die müssen eingehalten werden. Das ist auch eine
Frage von Lebensqualität, die nicht gering geschätzt werden darf.
Sie kandidieren zum ersten Mal als Bürgermeisterkandidat der CDU gegen
Titelverteidiger Scholz. Machen Sie sich ernsthaft Hoffnungen auf den
Posten?
Ja. Ich will es, und die CDU kann es. Dafür trete ich an. Den Rest
entscheiden die Hamburger.
Dann bräuchten Sie aber deutlich mehr als 30 Prozent.
Ich hätte nichts gegen die absolute Mehrheit. Aber Spaß beiseite: Ich habe
keine Festlegung auf konkrete Zahlen.
Die CDU müsste aber erst mal stärkste Fraktion werden, um dann mit einem
Koalitionspartner zusammen regieren zu können. Welcher wäre Ihnen am
liebsten?
Wir werden nach der Wahl und anhand des konkreten Ergebnisses sehen, was
machbar ist und was gut ist für Hamburg. Ich halte nichts von Farbenspielen
vor der Wahl. Die Leute haben schon zu oft erlebt, dass nach der Wahl
andere Koalitionen rauskamen als vorher angekündigt. Politiker sollen da
mehr Demut vor der Entscheidung des Wählers haben.
Aber die Linke und die AfD schließen Sie als Bündnispartner aus?
Ja. Ohne Wenn und Aber.
Was machen Sie am 16. 2. 2015, am Morgen nach der Wahl?
Ausschlafen. Alles andere hängt vom Wahlergebnis ab.
27 Jul 2014
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Bürgerschaftswahl
Fraktionschef
Fahrrad
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Bürgerschaftswahl
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