# taz.de -- Neues Album der Band Montreal: Dorfpunks on the road | |
> Die Musiker der Band Montreal haben gerade die Kurve von der Spaßmusik | |
> zurück zum echten Punk gekriegt. Das Trio kennt sich seit der Schulzeit | |
> auf dem Dorf. | |
Bild: Erzieher, Richter, Manager - und Deutschrocker ohne Radioanbiederei: die … | |
HAMBURG taz | Montreal ist eine Punkrock-Band. Was ist eigentlich Punkrock? | |
„Rock ’n’ Roll ohne Bullshit“, sagte einst Tommy Ramone. | |
„Unterhaltungsmusik mit E-Gitarre“, sagt Montreal-Bassist Hirsch. Passt das | |
zusammen? Mal sehen. | |
Drei Mann: Gitarre, Bass und Schlagzeug. Das klingt schon mal sehr nach | |
Punk. Max Power, Hirsch und Yonas kennen sich seit der Schule. Heute sind | |
sie um die 32 und damit schon verdammt lange befreundet. Am 15. August | |
kommt nun mit „Sonic Ballroom“ ihr fünftes Studioalbum auf den Markt. | |
Sie sind nicht auf der Straße groß geworden, sondern im beschaulichen, | |
schleswig-holsteinischen Schwarzenbek. In der Kleinstadt. „Es erinnerte ein | |
bisschen an Rocko Schamonis Dorfpunks“, sagt Bassist Hirsch. Klar, dass es | |
die Band bald nach Hamburg zog. Neonreklamen statt Wiesen und Felder wie in | |
ihrem Song „Großstadtrevier“ von 2007. Heute leben alle drei Bandmitglieder | |
in Berlin. | |
Max Power, Gründer der Band und nach Meinung der anderen der ruhende Pol, | |
arbeitet dort als Erzieher. Yonas, verantwortlich für Gitarre und Gesang, | |
ist Richter am Sozialgericht. Hirsch kümmert sich um das Label und das | |
Management der Band. Fast schon bodenständig. Und hoch diszipliniert. Denn | |
so bleiben fast nur Wochenenden und Urlaub, um mit der Band auf Tour zu | |
gehen. | |
Der Name [1][Montreal] und der Albumtitel „Sonic Ballroom“ könnten | |
irreführen. Englische Band? Nein, ganz und gar nicht. Deutsche Texte mit | |
deutscher Liebe zum Detail. Teils clever ironisch, teils norddeutsch frei | |
nach Schnauze. | |
Und der Titel des Albums? Ist eine Hommage an den Kölner Club „Sonic | |
Ballroom“. Hier haben Montreal viele tolle Konzerte gespielt, viel Zeit | |
verbracht, viele wichtige Freundschaften geschlossen. Hier hat die rechte | |
Ecke von Hirschs Schneidezahn dran glauben müssen. Very Punk, indeed. | |
Hamburg, Berlin, Köln. Wo ist es denn nun am schönsten? „Stadt ist Stadt. | |
Ich mach das von den Personen abhängig“, erklärt Hirsch. Und die | |
wichtigsten Personen scharen sie um sich. Wenn die Band auf Tour geht, sei | |
das ein wenig wie Klassenfahrt. Ein Freundeskreis on the road. | |
Unprätentiös, genügsam, ohne Sonderwünsche auf dem Rider: Wasser, ein paar | |
Bier, zwei Flaschen Schnaps. Na, immerhin. | |
Auch nach zehn Jahren auf Tour baut jeder sein Equipment selbst auf. Kein | |
Schnickschnack, kein Intro, einfach: „Hallo, hier sind wir.“ Danach baut | |
jeder seinen Kram wieder ab und man trifft sich irgendwann am T-Shirt-Stand | |
mit dem Rest der Gang. | |
## Politisch zurückhaltend | |
Punkrock ist ja auch immer politisch. Ist Montreal das auch? „Als | |
Privatmenschen auf jeden Fall. Als Band eher weniger.“ Es sei auch ein | |
wenig paradox, meint Hirsch, in einer Bewegung, die sich tendenziell gegen | |
Einflüsse von oben auflehnt, die Bühne als Sprachrohr für plakative Parolen | |
zu benutzen. | |
Soll nicht heißen, dass Montreal keine Stellung beziehen. Sie engagieren | |
sich öffentlich gegen rechts und die Texte haben auf oft subtile, aber | |
meist unmissverständliche Weise eine Botschaft. | |
Der Song „Alles wird schlimmer“ zeichnet ein treffendes Bild unserer Zeit, | |
ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Inflation, Spionage und sterbende | |
Zivilisten, geschickt gepaart mit einer Prise vergreister Empörung über | |
bunte Haare und Männerliebe: „Das Leben war noch nie so hart, uns bleibt | |
wirklich nichts erspart.“ | |
In „Zucker für die Affen“ rechnet die Band ironisch und auf den Punkt mit | |
dem wohl gängigsten Publikumsbeschiss der Musikbranche ab: dem Comeback. | |
„Ein Schänder, der behauptet, hierbei ginge es ums Geld, das ist doch alles | |
neidisches Geläster.“ | |
Keine öffentliche Anklage. „Aber die Betroffenen wissen schon, wer gemeint | |
ist“, grinst Hirsch. Sie selbst haben sich geschworen, die Band nie | |
aufzulösen. Wenn es mal still werden sollte, dann eben auf Stand-by. Alles | |
andere wäre Geldmacherei. Und das ist gar nicht Punk. | |
## Weniger radiotauglich | |
Aber wer redet denn von Pause? „Sonic Ballroom“ ist das fünfte Album der | |
Band und das zweite, das sie auf ihrem eigenen Label Amigo Records | |
veröffentlichen. Es klingt lauter, härter, schneller als die letzten. Auf | |
den Alben „Montreal“ (2009) und „Malen nach Zahlen“ (2012) konnte man n… | |
den Eindruck bekommen, dass Montreal Spaßmusik machen. | |
„Sonic Ballroom“ hat die Sanftheit der letzten beiden Platten hinter sich | |
gelassen. Es ist Deutschrock, der Spaß macht. Kürzere Songs, mehr Druck, | |
mehr Tempo. Weniger radiotauglich, weniger poppig. | |
„Sonic Ballroom“ gibt einen Vorgeschmack auf das, was die Band live zu | |
bieten hat. Bescheiden formuliert: „Wir haben als Band den Anspruch, den | |
Leuten einen guten Abend zu bereiten.“ Und dazu gibt es bis zum Ende des | |
Jahres noch jede Menge Gelegenheit. | |
## Montreal: „Sonic Ballroom“, Amigo Records. Nächste Konzerte im Norden: | |
6. 9., Rockspektakel, Hamburg; 13. 9., Water Tower Festival, Hohenlockstedt | |
20 Aug 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://montrealmusic.de/ | |
## AUTOREN | |
Kristina Appel | |
## TAGS | |
Montreal | |
Punkrock | |
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