# taz.de -- Streetfood in Ugandas Hauptstadt: „Rolex“ gegen den Kater | |
> In Kampalas Rotlichtviertel trinkt man gerne „Kriegsgin“ aus Kochbananen. | |
> Gegen den Kater hilft eine fettige Rolle aus Fladenbrot und Omelett. | |
Bild: Gut gegen Kopfschmerzen: Eine „Rolex“ in der Pfanne. | |
KAMPALA taz | Mit einem Stück Zeitungspapier pinselt Gideon Hayimbiziwe Öl | |
auf die heiße Pfanne. Schweißperlen stehen ihm auf Stirn und Nase. Der | |
26-Jährige unterhält am Straßenrand im Kneipenviertel Kabalagala in Ugandas | |
Hauptstadt Kampala einen Rolex-Stand: ein Tisch, ein Holzkohlegrill, ein | |
Plastikbecher, eine Gabel und jede Menge Butterbrottüten – mehr gehört | |
nicht zu seiner Ausrüstung. | |
Der Rolex, eine Rolle aus Omelett und Chapati, ist in Uganda als | |
Fast-Food-Gericht so beliebt, weil es in ein paar Minuten zubereitet ist. | |
„Es gibt kein schnelleres Gericht, das so satt macht wie ein Rolex“, sagt | |
Hayimbiziwe und verrührt zwei Eier im Plastikbecher. „Und es ist das | |
perfekte Hangover-Essen nach einem Abend mit viel Alkohol.“ | |
Rolex und Kabalagala – das gehört ungefähr so zusammen wie Kreuzberg und | |
die Currywurst. In Kabalagala reihen sich die Kneipen und Nachtclubs | |
aneinander. Tag und Nacht dröhnt aus den übersteuerten Lautsprecherboxen | |
ugandischer HipHop. Zwischen den Bars nisten Buden, in denen man rund um | |
die Uhr Fußballwetten abschließen kann. Prostituierte stöckeln in knappen | |
Röcken den Gehweg entlang, schwärmen von Club zu Club, deren Hintertür | |
meist zu einem kleinen Bordell führt. | |
Kabalagala ist Ostafrikas Reeperbahn. Hier wird unendlich viel getrunken. | |
Uganda gehört in Afrika zu den Ländern, in denen der Alkoholkonsum | |
besonders hoch ist – und auch im Vergleich mit den Ländern auf den anderen | |
Kontinenten liegt Uganda laut dem jüngsten Alkoholbericht der | |
Weltgesundheitsorganisation weit vorne. Ugander trinken gerne den selbst | |
gebrannten Gin aus Kochbananen, den „Waragi“. Übersetzt heißt das so viel | |
wie „War Gin“, also Kriegsgin. | |
## Die meisten Kunden kommen um Mitternacht | |
Wenn man sich nachts aus Kabalagalas Kneipen auf den Heimweg macht, dann | |
ist man in der Regel nicht mehr nüchtern. Wer am nächsten Morgen zur Arbeit | |
muss und sich weder Übelkeit noch Kopfschmerzen leisten kann, der schwankt | |
und stolpert noch kurz bei Hayimbiziwes Rolex-Stand vorbei, um den billigen | |
Fusel im Magen mit einem deftigen, fettigen Rolex zu bekämpfen. | |
„Die meisten Kunden kommen so gegen Mitternacht – wenn sie sich nach einer | |
Sauftour auf den Heimweg machen“, sagt Hayimbiziwe. Oft steht er bis nachts | |
um drei an seinem heißen Holzkohlegrill, je nachdem, wie groß der Ansturm | |
ist. Doch auch tagsüber drängeln sich bei ihm die Hungrigen, vor allem um | |
die Mittagszeit. | |
Wenige hundert Meter von Hayimbiziwes Rolex-Stand entfernt beginnt das | |
Gelände der Internationalen Universität von Kampala, Ugandas zweitgrößtem | |
Campus. Hier studieren vor allem junge Afrikaner aus Ugandas Nachbarländern | |
und der erweiterten Region: Somalia, Eritrea, Kongo, Kenia, Südsudan und | |
Äthiopien. Studenten, die keine Eltern im Land und nicht viel Geld haben. | |
In der Mittagspause machen sie sich auf die Suche nach einer schnellen, | |
preiswerten Mahlzeit, die satt macht. | |
Vierzig bis fünfzig Studenten, so schätzt Hayimbiziwe, versorgt er pro Tag. | |
Um zur Mittagspause schnell liefern zu können, knetet er den ganzen Morgen | |
Teig für das Chapati, das fettige Fladenbrot. Die gebratenen Fladen stapelt | |
er auf einem Teller in einem kleinen Glaskasten, der die Fliegen fernhalten | |
soll. | |
## „Mittagessen für die Kommandos“ | |
Chapati zählt zu Ugandas Nationalgerichten: beim Frühstück, Mittag- oder | |
Abendessen ist es immer dabei. Indische Arbeitskräfte haben es nach | |
Ostafrika gebracht, als sie von den britischen Kolonialherren angeheuert | |
wurden, um die Eisenbahnlinie durch die Savanne zu verlegen. Das Chapati | |
war das perfekte Pausenbrot zum Einpacken und Mitnehmen. Auch aus den | |
Essenspaketen von Ugandas Soldaten ist Chapati nicht wegzudenken. Zusammen | |
mit gekochten roten Bohnen gilt es als nahrhafte Tagesration für den | |
Buschkrieg: „Kikommando“ nennt man die Mahlzeit auch, sagt Hayimbiziwe, | |
während er ein Chapati auf der heißen öligen Pfanne mit den bloßen Fingern | |
umdreht: „Mittagessen für die Kommandos, die Spezialeinheiten.“ | |
Auch an Hayimbiziwes Stand kann man sich Bohnen dazu einpacken lassen. Die | |
bereitet eine ältere Frau zu, die neben ihm an einer Feuerstelle | |
stundenlang in einem großen Kochtopf rührt. Ugandas typische | |
Nationalgerichte bestehen aus Hülsenfrüchten wie Linsen und Bohnen, aus | |
Kochbananen oder Wurzelmus: Gerichte, deren Zubereitung oft Stunden dauert, | |
vor allem auf den kleinen Holzkohleöfen. Die Ugander essen oft nur eine | |
richtige Mahlzeit pro Tag, meist abends – aber dann in gewaltigen | |
Portionen. | |
„Für den kleinen Hunger zwischendurch gibt es den Rolex“, sagt Hayimbiziwe. | |
Er schneidet grüne Paprika, Tomaten, Zwiebeln und Weißkohl in kleine Würfel | |
und gibt sie in den Plastikbecher, in dem er die Eier verrührt hat. Dann | |
gießt er den Inhalt auf die fettige Pfanne. | |
Während das Omelett brutzelt, erzählt er aus seinem Leben. Er habe die | |
Sekundarschule besucht, dann konnten sich seine Eltern die | |
Universitätsgebühren nicht leisten. Also fing er an zu jobben: Vom | |
Tellerwäscher arbeitete er sich in einem Restaurant zum Küchengehilfen | |
hoch. Er backte Kuchen, kochte Bananen und Cassava-Wurzeln zu Brei und | |
knetete Tag für Tag Chapati-Teig. | |
## Sicheres Einkommen dank „Rolex“ | |
„Als ich genug Geld gespart hatte, habe ich mich selbstständig gemacht und | |
in meinen Rolex-Stand investiert“, erzählt er. Auf die Frage, ob er eine | |
Lizenz brauche, um am Straßenrand Essen zu verkaufen, zwinkert er listig. | |
„Das braucht man hier nicht, das ist Uganda.“ | |
Er wirkt glücklich. „Rolex zu verkaufen ist ein super Geschäft, ich kann | |
mir nichts anderes vorstellen“, sagt er und lächelt. Dazu hat er allen | |
Grund: Die Arbeitslosenrate in Uganda bei jungen Männern wie Hayimbiziwe | |
ist enorm. Der Rolex-Stand gibt ihm nicht nur jeden Tag ein sicheres | |
Einkommen, sondern auch eine langfristige Arbeitsstelle. „Rolex essen die | |
Studenten auch in ein paar Jahren noch jeden Tag – und die Ugander werden | |
niemals aufhören zu trinken“, sagt er. Dann nimmt er das Omelett vom Grill, | |
wickelt es in ein Chapati und rollt beides ein. Mit einer schnellen | |
Handbewegung rutscht der Rolex in eine kleine Butterbrottüte. Er kostet | |
nicht einmal 50 Euro-Cent. | |
27 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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