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# taz.de -- Bundesliga im Regattasegeln: Einzelkämpfer im Team vereint
> Die 2013 von einer Marketingfirma gepushte Bundesliga wird immer
> beliebter. Skeptiker bemängeln, dass olympische Bootsklassen fehlen.
Bild: Aufmerksame Aufsteiger: die Seglervereinigung Itzehoe mit Steuermann Chri…
BERLIN taz | Am Ende hat er es dann doch geschafft. Deutschlands bester
Segler, Jochen Schümann, hat mit seiner erweiterten Olympia-Crew des Jahres
2000 auf dem Berliner Wannsee am Wochenende den dritten Spieltag der ersten
Segel-Bundesliga gewonnen – trotz widriger Bedingungen. Der böige Wind
zwischen zwei und vier Windstärken war tückisch. Und wegen seiner Ufernähe
war der Kurs zwar zuschauerfreundlich, doch voller Winddreher. Letztlich
konnte sogar ein Frühstart sowie ein Mann über Bord den Erfolg von
Schümanns Mannschaft nicht verhindern.
Damit hat der vierfache Olympia-Medaillengewinner (dreimal Gold, einmal
Silber) den Punktestand seines Yachtclubs Berlin-Grünau (YCBG) zur
Saisonhalbzeit mit einem Schlag verdoppelt. Der YCBG, für den Schümann
zuletzt vergangenes Jahr einen Ligaspieltag bestritt und ebenso gewann,
rückte jetzt vom achten auf den sechsten Platz unter den 18 Mannschaften
vor. Zweiter unter den jeweils vierköpfigen Teams wurde in Berlin der
Norddeutsche Regatta Verein (NRV) aus Hamburg. Der Meister der
Premierensaison 2013 führt wieder die Tabelle an.
Jedes Team hat 15 Rennen auf den sechs identischen J/70-Kielbooten zu
bestreiten. Dabei treten die 18 Vereine jeweils zu sechst reihum
gegeneinander an. So gab es insgesamt 45 kurze Rennen an diesem dritten der
sechs Spieltage zwischen Flensburger Förde und Bodensee.
Einig sind sich die befragten Teilnehmer, dass sich die erst 2013
gestartete Liga erfolgreich etabliert hat. Sie messen dies am inzwischen
starken Interesse der Vereine, an der positiven Dynamik, die sie dort
ausgelöst hat sowie an der medialen Aufmerksamkeit, die sie dem
Regattasegeln verschafft.
## Vorbild für die Europaliga
2013 hatten nur 18 Vereine überhaupt Interesse angemeldet. Darunter fehlten
manche etablierte Klubs. Doch schon 2014 bewarben sich 60 weitere Vereine
zur Qualifikation für die in diesem Jahr neue zweite Liga. Jetzt kurz vor
Meldeschluss liegen weitere 44 Anmeldungen für die wenigen frei werdenden
Plätze 2015 vor. Die zweite Liga besteht ebenfalls aus 18 Vereinen. Im
Oktober wird es erstmals Regatten einer europäischen Champions-League
geben. Sie findet in Dänemark statt. Dort wurde das deutsche Liga-Modell
samt Bootstyp übernommen.
Die Bundesliga wird zwar inzwischen unter dem Dach des Deutschen
Segler-Verbandes (DSV) ausgetragen, der auch den Titel „Deutscher Meister
der Segelvereine“ vergibt. Doch treibende Kraft war nicht der Verband,
sondern mit der Konzeptwerft eine Marketingfirma früherer Spitzensegler.
Die wollten den Regattasport einfacher, transparenter und so
medienkompatibler und populärer sowie wirtschaftlich nutzbarer machen.
Bisher war Regattasegeln ein Sport von Individualisten, die fern vom Ufer
ihre für Laien kaum verständlichen Kreise ziehen. Bei der Liga treten
dagegen mit ihrer Heimat verbundene Vereine mit meist wechselnden Teams aus
einem Pool ihrer besten Segler an – in einem medial aufbereiteten,
vereinfachten und für Sponsoren attraktiveren Kurzformat in identischen
Booten. Die werden nach jedem Rennen untereinander getauscht. Am Ende zählt
nicht das einzelne Talent und nicht wie sonst der Materialaufwand, sondern
allein die transparent zu vergleichende Teamleistung. Der 60-jährige
Altmeister Schümann nennt das eine „Kulturrevolution“.
Nach einem Machtkampf mit dem Verband rauften sich in diesem Frühjahr dann
die Konzeptwerft, die Ligavereine und der DSV zusammen. Die Ligavereine
gründeten einen eigenen Verein innerhalb des Verbandes, der die Liga
absegnete und auch in ihr vertreten ist. Diese ist aber nicht an die trägen
Entscheidungsstrukturen des Verbandes gebunden.
## Gestärktes Zusammengehörigkeitsgefühl
„Mit der Bundesliga ist ein Ruck durch unseren Klub gegangen“, sagt ein
Mitglied des Lübecker Yacht-Clubs. „Die Teilnahme stärkt das
Zusammengehörigkeitsgefühl und aktiviert ältere Spitzensegler, die wegen
des bisherigen großen Aufwands keine Vollzeitregattasegler mehr sein
können.“ Die Angst, die neue Liga schwäche die bisherigen Bootsklassen,
habe sich erst mal nicht bewahrheitet.
„Während Segler bisher als Einzelkämpfer für sich Unterstützung einwerben
mussten, mobilisieren die Vereine jetzt durch die Liga ihre ganze
Community. Sie gewinnen Sponsoren vor Ort und verabreden sich, um gemeinsam
die Rennen zu schauen“, sagt Bundesliga-Manager Joachim Hellmich. Zwar habe
die Liga schon eigene Sponsoren, mehrheitlich aus dem Segelbereich, doch
sei schon allein der mediale Aufwand so enorm, dass noch ein Großsponsor
gesucht werde.
Rolf Bähr, bis letzten Oktober DSV-Präsident und damit oberster Vertreter
der 1.350 deutschen Segelvereine, ist nicht glücklich mit der Liga. Zwar
begrüßt er etwa das Bereitstellen von Booten zu den Wettkämpfen. Doch
findet er den Namen Bundesliga zu hochgestochen und empfindet die Liga als
Ablenkung vom olympischen Segelsport. Bei dem gingen die Deutschen zuletzt
leer aus: „Ich hätte gut gefunden, wenn eine olympische Bootsklasse für die
Liga gewählt worden wäre und nicht der Bootstyp eines Sponsors, der diesen
etablieren will.“
„Es gibt kein Kielboot mehr bei Olympia und nicht mal ein Dreimannboot. Bei
Zweimannbooten kommt aber das Gefühl einer Vereinsmannschaft nicht auf, da
sind Viermannboote wie die J/70 geeigneter“, sagt Christian Soyka,
Steuermann und Manager des Teams der Seglervereinigung Itzehoe (SVI). Mit
dem Sponsoring und der weiteren Kommerzialisierung des Segelsports hat der
51-Jährige keine Probleme. „Entweder habe ich Geld, weil ich so viel
arbeite, dass ich nicht mehr zum Regattasegeln komme, oder ich segel und
dann reicht das Geld nicht.“
## Großklubs mit kaiserlichen Vereinsfarben
Der Werbekaufmann Soyka hat den kleinen und bis dato unbekannten SVI aus
Schleswig-Holstein durch sein persönliches Engagement von der Teilnahme
überzeugt. Zwischen den traditionellen Großvereinen der ersten Liga, die
meist an den kaiserlichen schwarz-weiß-roten Vereinsfarben zu erkennen
sind, aber oft professionell gemanagt werden, ist der SVI ein krasser
Außenseiter.
Durch eine sehr gut gesegelte Qualifikation zur zweiten Liga gelang der
Verein im April überraschend in die Relegation und prompt in die Topklasse.
Dort behauptet er sich im Mittelfeld. Auf dem Wannsee lag er nur einen
Platz hinter dem Berliner Yacht-Club, einem der ältesten Segelvereine, der
aus einem großen Pool schöpfen kann.
„Problematisch wäre, wenn die Vereine durch Sponsoring so viel Geld
bekommen, dass sie sich gegenseitig gute Segler wegkaufen“, sagt Felix
Diesch vom Württembergischen Yacht-Club aus Friedrichshafen. „Aber so viel
Sponsorengelder werden Segelvereine nie bekommen.“ Außer Schümann könne
bisher kein deutscher Segler allein vom Regattasegeln leben.
Noch sind die Liga-Teams ein Gemisch aus reaktivierten Olympiateilnehmern
und jungen Talenten. In Berlin war der Jüngste nur zehn Jahre alt. Bisher
haben die Vereine ihre Teams nicht nur nach Leistung zusammengestellt,
sondern wechseln auch, um den Nachwuchs zu motivieren, der vom Segeln mit
den alten Hasen profitiert. Ob das so bleibt, wenn das Niveau weiter
steigt, das Prestige mit Bekanntheit und Renommee der Liga zunimmt und
Sponsoren Druck machen? Laut Ligamanager Hellmich werde über Regeln für die
Teams nachgedacht. „Aber für Entscheidungen ist es noch zu früh“, so
Hellmich.
25 Aug 2014
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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