# taz.de -- Spenden sammeln für NGOs: Dienstleister im Schatten | |
> Fürs Spendensammeln engagieren NGOs wie WWF oder DRK die Firma | |
> DialogDirect. Mitarbeiter klagen über miese Arbeitsbedingungen. | |
Bild: Für den guten Zweck – mit fiesen Methoden? | |
Wenn Natalia Jankowski* an Amnesty International denkt, dann rückt das gute | |
Anliegen der Organisation in weite Ferne. Dann kommt die Erinnerung an das | |
in ihr hoch, was sie als Ausbeutung empfand. Die Zeit, als Jankowski für | |
Amnesty Spendengelder akquirierte. Dabei war sie dort nie angestellt. Es | |
war auch nicht ihr ehrenamtliches Engagement, das sie dazu brachte, im | |
Februar und März 2012 stundenlang in der Münchner Fußgängerzone zu stehen | |
und Menschen vom guten Zweck zu überzeugen. | |
Jankowski war eine von den jährlich etwa 1.000 Mitarbeitern, die für die | |
Agentur „DialogDirect“ Spenden sammeln – im Auftrag von großen | |
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie dem Deutschen Roten Kreuz, BUND, | |
WWF, von World Vision oder eben Amnesty International. Ein hart umkämpfter | |
Markt: Laut dem Deutschen Spendenrat spenden die Deutschen jährlich 4,7 | |
Milliarden Euro für einen guten Zweck. DialogDirect ist dabei ein wichtiger | |
Partner, der sich auf die „Generierung von Dauerspendern mit Bankeinzug an | |
hochfrequenten Plätzen“ spezialisiert hat, so seine Website. | |
Für den WWF bieten solche Dienstleister „die Möglichkeit, neue Zielgruppen | |
zu erreichen“. World Vision teilt mit: „Im Sinne größerer Kosteneffizienz, | |
Spendentransparenz und Qualitätssicherung haben wir diese Arbeit bewusst | |
ausgelagert.“ Amnesty International schrieb im Oktober 2013, dass die | |
„Unterstützergewinnung i. d. R. nicht auf ehrenamtlicher Basis | |
durchgeführt“ werden könne. | |
Dass die Mitarbeiter am Infostand für DialogDirect arbeiten und nicht für | |
die NGO selbst, sei „auf Nachfrage“ ersichtlich. Zudem sei auch auf den | |
„Ausweisen und am Stand erkennbar, dass es sich um Agenturen handelt, die | |
von uns vergütet werden“, schreibt der WWF. Ähnliches formuliert auch World | |
Vision: „Dass die Mitarbeiter – meist Studierende – nicht Mitarbeiter von | |
World Vision, sondern der Agentur sind, ist auf dem Ausweis ersichtlich, | |
den sie an der Brust tragen.“ Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes | |
stellten sich als „im Auftrag des DRK“ vor. „Auf Nachfrage geben sie | |
selbstverständlich Auskunft darüber, dass sie als Dienstleister für das DRK | |
arbeiten.“ | |
## „Ein paar Tage später bin ich zusammengebrochen" | |
Doch an dem Partner dieser gut beleumdeten Organisationen gibt es nach | |
taz-Recherchen deutliche Kritik: Für Jankowski war die Zeit im Februar und | |
März 2012 als DialogDirect-Mitarbeiterin vor allem eines: unangenehm. Die | |
junge Frau sitzt am Küchentisch in ihrer Würzburger Wohngemeinschaft und | |
trinkt grünen Tee. „Unser Coach hat mir damals am Telefon klargemacht: Wenn | |
ich nicht eine gewisse Anzahl neuer Spender am Tag finde, muss ich gehen“, | |
sagt die junge Studentin, die aus Polen nach Deutschland zum Studieren | |
gekommen ist. „Ein paar Tage später bin ich dann in der Unterkunft | |
zusammengebrochen. Gleich im Anschluss wurde ich gekündigt.“ | |
DialogDirect bestreitet das: „Es gibt keine Kündigungen wegen zu weniger | |
Spender, und diese wären auch nicht zulässig“, sagt Franz Wissmann, | |
Geschäftsführer von DialogDirect. Zu den obersten Prinzipien zähle es, „gut | |
motivierte“ Mitarbeiter sowie „zufriedene und erfolgreiche Auftraggeber“ … | |
haben. Alles, was dem widerspreche, würde „tunlichst unterlassen“. | |
Allerdings geben gegenüber der taz zwei weitere ehemalige Mitarbeiter an, | |
Kollegen seien gekündigt worden, weil sie zu wenig Spenden eingetrieben | |
hätten. | |
Ihre Mitarbeiter wirbt die Agentur mit speziellem Personal, direkt am | |
Campus. Studenten werden vor der Mensa oder der Bibliothek angesprochen: | |
„Willst du in den Semesterferien etwas Gutes für die Welt tun?“ Die | |
potenziellen Kandidaten werden von der Agentur kontaktiert und zu einem | |
„Casting“ in der jeweiligen Stadt eingeladen. Bei dem Job lässt sich viel | |
Geld verdienen. Je nach Bezahlungsmodell erhalten die Mitarbeiter etwa | |
1.300 Euro Grundgehalt, das durch eine Prämienbezahlung auf bis zu 2.000 | |
Euro pro Monat gesteigert werden kann. | |
## „Willst du Gutes tun?“ | |
Der taz liegt auch ein „Handbuch für neue DialogerInnen“ vor. Dabei geht es | |
nicht nur darum, „hohe Ergebnisse zu erreichen, sondern darüber hinaus das | |
öffentliche Image seiner Auftraggeber aufzuwerten und einen | |
vertrauensvollen Eindruck in der Öffentlichkeit zu hinterlassen“, heißt es. | |
Doch gleich zu Beginn droht das Unternehmen in seinem Handbuch, „auch bei | |
hier nicht aufgeführten Verfehlungen ein Disziplinarverfahren einzuleiten“. | |
Zu den aufgezählten Verfehlungen zählt DialogDirect „1. rauchen […] 4. | |
negative Äußerungen über die Öffentlichkeit, die repräsentierten NPOs | |
[Non-Profit-Organisationen; Anm. d. Red], DialogDirect“ oder „Handys am | |
Stand benutzen“. | |
World Vision erklärt: „Die von Ihnen zitierten Anleitungen aus einem | |
Mitarbeiterhandbuch werfen aus unserer Sicht ein positives Licht auf die | |
klaren Standards.“ Bei Amnesty heißt es: „Wir werden uns das aktuelle | |
Handbuch besorgen und es prüfen.“ | |
DialogDirect betont, dass die Handbücher jahrelang im Einsatz und mit dem | |
Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) abgestimmt seien, das | |
das Spendenwesen kontrolliert. Burkhard Wilke, wissenschaftlicher Leiter | |
des Zentralinstituts, erklärt, dass DialogDirect bisher nicht auffällig | |
geworden sei. | |
Michael Schneider* kommt zu einem anderen Ergebnis. Er sammelte im August | |
2013 im Namen von World Vision für DialogDirect. „Ich glaube, der Druck kam | |
nicht nur von unserer Gruppenleitung, sondern von der Zentrale selbst. Wenn | |
die gehört haben, dass wir zu wenig Neuspender haben, gab es Stress“, sagt | |
der 22-jährige Musikstudent. Sein Gesicht bekommt Sorgenfalten, er stockt, | |
wenn er seine Erlebnisse Revue passieren lässt. Er fühlte sich starkem | |
Druck durch die Vorgesetzten ausgesetzt. „Ich habe es nicht geschafft, so | |
viele Neuspender zu finden, wie von mir erwartet wurde.“ Es sei ihm | |
deswegen sehr schlecht gegangen, doch das sei nicht gut angekommen. „Wenn | |
du dabeibleiben willst, musst du das alles abstellen“, habe ein Coach | |
gedroht. | |
Für den Job bei DialogDirect sei nicht jeder geeignet, so die Agentur | |
gegenüber der taz. Die „Ablehnung der Passanten“, die „Teamarbeit“ und… | |
Wetter“ beinhalteten „viele Herausforderungen“. Was den Zielen der Agentur | |
– zufriedene Mitarbeiter, Auftraggeber und Spender – widerspreche, werde | |
unterlassen. „Und damit haben Sie bereits die Generalantwort auf all Ihre | |
Fragen“, so der Geschäftsführer. | |
## Amnesty zeigt sich bestürzt | |
Immerhin zeigt sich Markus Beeko, bei Amnesty International in Deutschland | |
verantwortlich für „Kampagnen & Kommunikation“, „bestürzt“ über die | |
geschilderten Arbeitsbedingungen. „Wir haben die Agentur umgehend um | |
Aufklärung gebeten und betreiben eigene Recherchen hierzu.“ Monate später | |
heißt es in einer neuen Stellungnahme von Amnesty, dass „von einer Reihe | |
von MitarbeiterInnen schriftliche Erfahrungsberichte eingeholt“ und „mit | |
verschiedenen Beteiligten gesprochen“ worden sei. „Bei unseren Recherchen | |
konnten wir die Vorwürfe nicht bestätigen“, heißt es weiter. Dennoch seien | |
in den Vertrag mit der Agentur DialogDirect Zusatzvereinbarungen | |
aufgenommen worden. Zudem gebe es nun die „organisatorischen | |
Voraussetzungen“, um „Infostandkampagnen, wie wir sie bislang mit der | |
Agentur umsetzen, auch von eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern | |
durchführen zu lassen“. | |
DialogDirect-Geschäftsführer Franz Wissmann-Kaltenbrunner erklärt im | |
Oktober 2013, dass die Arbeit vor Ort „von den Coaches, | |
Qualitätsbeauftragten und Ehrenamtlichen der Auftraggeber überwacht“ werde. | |
Natalia Jankowski, Michael Schneider und andere, die alle zu verschiedenen | |
Zeiten und an verschiedenen Orten für die Agentur gearbeitet haben, | |
bekräftigen gegenüber der taz, dass nie ein Qualitätsbeauftragter oder | |
NGO-Mitarbeiter am Stand gewesen sei. DialogDirect sagt dazu, dass sich die | |
Qualitätsbeauftragten nicht immer ausweisen würden. | |
Auf Kontrolle legt die Firma Wert: „[…] dem Teamleiter/Master sofort über | |
jegliche Zusammentreffen und Interaktionen mit anderen Agenturen, […] | |
Journalisten oder Beamten […] Bericht erstatten“, heißt es im Handbuch der | |
Firma. Der geht es mitunter nicht immer darum, möglichst viele | |
Spendengelder zu akquirieren. So heißt es in einem Arbeitsvertrag: | |
„Besonderheit beim WWF: Es dürfen ausschließlich Förderer gewonnen werden | |
(keine Schutzengel und keine Paten). Förderer, die einen Jahresbeitrag von | |
179 EUR übersteigen, gelten als Schutzengel und Pate und werden nicht | |
vergütet.“ Uninteressant für die Firma. | |
* Namen geändert | |
29 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Nicolas Weisensel | |
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