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# taz.de -- Kommentar Promi-Invasion: Wie Angelina die Ukraine eroberte
> Auf den Redaktionsbildschirmen poppen Eilmeldungen der Agenturen auf. Für
> einige ist eine Promihochzeit so wichtig wie die Eskalation in der
> Ukraine.
Bild: Den Agenturen ist alles eins: Wachsfiguren werden aktualisiert.
Der Donnerstag war der Tag, an dem der ukrainische Präsident behauptete,
Russland marschiere in sein Land ein. Das ist beunruhigend. Vermutlich
machen sich viele Menschen Sorgen. Es geht um Krieg und Frieden, doch das
soll nicht Thema dieses Kommentares sein.
Sondern, was manche Nachrichtenagenturen für wichtig und unwichtig halten.
Um 12:07 meldete die Deutsche Presseagentur (dpa) am Donnerstag unter
zweithöchster Priorität: „Poroschenko wirft Russland Militäreinmarsch in
die Ukraine vor.“ Prio 2 heißt: Wenn Meldungen dieser Dringlichkeit kommen,
poppt ein Fenster bei tausenden Journalisten auf, die in den diversen
Redaktionen am Rechner sitzen. Solche Meldungen sind die Grundlage der
Berichterstattung.
Außerhalb der Redaktionen bekommt davon kaum jemand was mit. Online-Medien
schaufeln die News gern als „Eilmeldungen“ ungeprüft auf die Seite. Knapp
ein Dutzend dieser Eilmeldungen kommen täglich, oft themengleich von
verschiedenen Agenturen wie dpa, AFP, AP oder Reuters.
Sie verwenden sechs Prioritätsstufen. Prio eins kommt fast nie vor. Prio 2
ist also die höchste Eskalationsstufe im Nachrichtenagenturgeschäft. Und um
14:35 meldet am Donnerstag ein dpa-Dienst, der Nachrichten der
US-amerikanischen AP vertreibt, unter eben dieser zweithöchsten Priorität:
„(Eil ) Angelina Jolie und Brad Pitt seit Samstag verheiratet.“
## Glückwunsch!
Kurze Zeit später zog AFP nach. Erstmal herzlichen Glückwunsch an dieser
Stelle an Brad und Angelina. Aber ernsthaft: Eine Promihochzeit soll so
einschneidend wichtig sein wie eine potentielle russische Invasion in der
Ukraine? Was, liebe Agentur-Kollegen, will uns diese Gewichtung des
Weltgeschehens sagen?
Es ist nicht so, dass wir hier nur über Seuchen (12:21 Uhr „WHO: Womöglich
mehr als 20.000 Ebola-Fälle“) oder Kidnapping berichten wollen (16:16 Uhr -
„(Eil ) UN: 42 Blauhelme auf den Golanhöhen in Gefangenschaft“). Ein
dpa-Sprecher machte auf Anfrage darauf aufmerksam, dass auch derartige
Meldungen über den Dienst laufen.
Allerdings ist die Hochzeit von zwei Hollywood-Kunstfiguren ganz objektiv
scheißegal. Vielleicht eine tolle Klolektüre, mehr nicht. Eine Hochzeit
sagt nicht mal etwas über die schauspielerischen Leistungen der beiden aus.
Selbst als Beruhigungspille gegen die völlig durchdrehende Menschheit da
draußen sind derartige triviale Meldungen nicht geeignet, falls das die
Idee war.
Sie zeigen eher, dass Medienprofis die Grundlage ihres Berufs verlernt
haben – die Welt sortieren – oder der Meinung sind, ihre Kunden seien
allesamt verblödet.
Beides nicht sonderlich beruhigend. Nun sollen AFP und dpa nicht für alles
Unbill der Welt gerade stehen müssen. Vielleicht hatte nur jemand einen
ordentlichen Kater und hat sich verklickt. Der Vorfall ist ein kleiner
Baustein in einer umwerfenden Trivialisierung und Beschleunigung des
Medienbetriebs. Beides zerstört die Glaubwürdigkeit des Journalismus – jene
Instanz die gerade in diesen Tagen Vertrauen braucht, um Propaganda und
Lügen zu entlarven. Das ist das eigentliche Problem.
29 Aug 2014
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Journalismus
Ukraine
dpa
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