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# taz.de -- Haben und brauchen: Ein kurzer Tanz
> Autonome Aktivisten haben für einige Stunden ein mindestens seit 2008
> leer stehendes Geschäftshaus in der City besetzt.
Bild: Besetzung war gestern - Abriss kommt morgen.
BREMEN taz | Eine Gruppe autonomer AktivistInnen hat am Freitag für einige
Stunden ein seit Jahren leer stehendes Geschäftshaus in der Innenstadt
besetzt. Es handelt sich dabei um einen größeren, zweigeschossigen Komplex,
Am Wall 93–95, der aus sanierungsbedürftigen Büro- und Lagerräumen besteht
und nahe der Bürgermeister-Smidt-Straße liegt, gegenüber den Wallanlagen.
Nach Gesprächen mit der Polizei und der Eigentümerin räumte die Gruppe, die
sich „die tanzenden Hausbesetzer_innen“ nennt, am Nachmittag freiwillig das
Gebäude. Im Haus selbst hielten sich wohl nur zwei Vermummte auf, hinzu
kommen mehrere SympathisantInnen.
Die BesetzerInnen waren davon ausgegangen, dass die Immobilie einem
vermögenden Hamburger Geschäftsmann gehört. Er sei „erschrocken“, wie re…
der Mann sei, sagte ein Sprecher der Gruppe, der Mitte 20 ist und sich
Johannes Petzolt nennt.
Allerdings hat die städtische Brepark GmbH, Betreiberin der Bremer
Parkhäuser, die Immobilie bereits im vergangenen Jahr erworben – um sie
schon bald abzureißen. 2015 will die Brepark auf eben jenem Grundstück
ihren neuen Firmensitz errichten – weil am bisherigen Standort, im Parkhaus
am Brill, ein Einkaufszentrum entstehen soll. Das Geschäftshaus stand
mehrere Jahre leer und verfiel. Petzolds Angaben zufolge sollte dort 2008
ein Büro-Neubau entstehen, der dann aber nicht realisiert wurde.
Mit ihrer Besetzung wollten die AktivistInnen „eine Alternative zur
bestehenden kapitalistischen Stadtpolitik schaffen“, heißt es in einer
Erklärung. Die Politik der letzten Jahre zeige, dass es „kein Interesse an
einer sozialen Stadt“ gebe. Menschen würden aus ihren Wohnungen geräumt,
Obdachlose aus der Innenstadt vertrieben und Menschen mit weniger
finanziellen Mitteln in die Randbezirke abgeschoben, heißt es in dem
Papier: „Übrig bleiben die, die es sich leisten können.“
Ohnehin könnten die „oftmals halbherzigen Versuche“ seitens der Politik
„diese Entwicklung nicht stoppen“ – gemeint sind etwa die Einführung von
Mietobergrenzen und die Initiativen zum sozialen Wohnungsbau. Hoffnung
setzen die AktivistInnen dabei weder in die Politik von Rot-Grün noch in
die Linkspartei.
Zwar hat sich Bremen beispielsweise verpflichtet, 25 Prozent der neu
gebauten Wohnungen nach den Kriterien des sozialen Wohnungsbaus zu
errichten, doch das Programm des rot-grünen Senats bezieht sich nur auf den
Neubau. Und die Mieten, die dort verlangt werden, seien auch „eher
mittelstandsorientiert“, sagt Kai Ole Hausen von der Arbeitnehmerkammer
Bremen: „Wir reden da pro Quadratmeter von 6,10 bis 6,50 Euro Kaltmiete“ –
zu viel für jene, die Transferleistungen beziehen oder prekär beschäftigt
sind.
Selbst in Walle liegt die Durchschnittswarmmiete laut Arbeitnehmerkammer
heute bei 7,90 Euro pro Quadratmeter, in Neu-Schwachhausen sind es 9,60
Euro. „Diejenigen, die sowieso wenig Geld haben, werden im wahrsten Sinne
an die Ränder gedrückt“, so Hausen.
„Diese Verhältnisse lehnen wir nicht nur ab, sondern wir wollen ihnen auch
aktiv entgegentreten“, schreiben die BesetzerInnen, die „ein
selbstbestimmtes Leben jenseits von Eigentum und Lohnarbeit“ fordern, ein
Leben, das „mehr zu bieten hat als Ausgrenzung und Leistungsdruck“. Das
Grundbedürfnis, ein Dach über dem Kopf zu haben, dürfe keine Ware sein,
schreiben sie in ihrer Erklärung. „Obwohl ein riesiger Bedarf an
bezahlbaren und nutzbaren Räumen besteht, sind die zahlreich vorhandenen
Immobilien oftmals nicht zugänglich“.
Brepark-Geschäftsführerin Erika Becker äußerte Verständnis für die Wünsc…
der BesetzerInnen: Man müsse ihre Bedürfnisse „sehr ernst nehmen“, so
Becker. Zugeständnisse wollte sie allerdings nicht machen – es könnte aber
sein, dass die Brepark auf eine Strafanzeige verzichtet. Derzeit ermittelt
die Polizei nach eigenen Angaben gegen vier Personen – wegen
Hausfriedensbruchs. Becker bot Gespräche mit den Aktivisten an; diese
könnten in der kommenden Woche stattfinden.
Die AktivistInnen, die sich auch mit denen der gegenwärtig stattfindenden
Squatting Days in Hamburg solidarisieren, hatten gehofft, lange in dem Haus
bleiben und eine entsprechende Einigung mit dem Eigentümer erzielen zu
können. Eine klare Vorstellung von der möglichen Umnutzung des Areals
hatten sie allerdings noch nicht. „Wir hoffen, uns darüber Gedanken machen
zu können“, sagte Petzolt noch am Vormittag.
29 Aug 2014
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Wohnraum
Leerstand
Besetzung
Squatting Days
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