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# taz.de -- Finale US-Open: Gewitter der ganz anderen Art
> Mit Kei Nishikori und Marin Cilic stehen sich im Finale der US Open zwei
> Außenseiter gegenüber. Sie demontierten die großen Favoriten.
Bild: Außenseiter außer sich vor Freude: Federer Bezwinger Cilic (r.) und Djo…
NEW YORK taz | Der Wetterbericht hatte heftige Gewitter vorhergesagt, doch
es goss nur ungefähr eine Stunde lang; das war eher harmlos. Blitz und
Donner kamen diesmal nicht von oben, sondern aus der Kabine, in Gestalt der
Herren Nishikori und Cilic. Der eine versperrte Novak Djokovic den Weg
(6:4, 1:6, 7:6, 6:3), der andere fuhr Roger Federer mit lautem Krachen in
die Parade (6:3, 6:4 6:4), und daraus entsteht nun eine Situation, wie es
sie im Männertennis schon eine ganze Weile nicht mehr gab. Zum ersten Mal
seit fast zehn Jahren wird am Montag keiner der großen drei um den Titel
bei einem Grand-Slam-Turnier spielen; weder Djokovic noch Federer, noch der
verletzte Rafael Nadal.
Schwer zu sagen, welche Niederlage mehr verblüffte. Die von Novak Djokovic
in der brütenden Hitze des frühen Nachmittags gegen Nishikori? Der sah zwar
zwischen den strapaziösen Ballwechseln manchmal so aus, als sei er am Ende,
worüber sich allerdings niemand gewundert hätte nach zehn Sätzen in
achteinhalb Stunden in den beiden Runden zuvor. Aber der Anblick täuschte
auf eine Art, die schon der von Nishikori besiegte Stan Wawrinka beobachtet
hatte: „Er sieht aus, als sei er tot, und dann rennt er wieder.“
Djokovic rannte auch, aber er tat sich sichtlich schwerer mit den
Bedingungen und er kam einfach nicht am Japaner vorbei. Die Statistik wies
hinterher in fast allen Bereichen bessere Werte für ihn selbst aus – mehr
Punkte gewonnen, mehr „winner“ geschlagen, weniger unerzwungene Fehler
gemacht – aber es reichte dennoch nicht, weil Nishikori in den Sätzen drei
und vier nahezu alle wichtigen Punkte machte. Er habe versucht, sein Bestes
zu geben, meinte Djokovic hinterher sichtlich bedient, aber sein Bestes sei
nicht gut genug gewesen. „Außer im zweiten Satz war mein Spiel nicht
ansatzweise so, wie ich es gern gehabt hätte. Ich war einfach nicht ich
selbst.“
Dabei hatte Nishikori ein paar Tage vor Beginn der US Open noch nicht
gewusst, ob er überhaupt mitspielen sollte. Er hatte sich eine Zyste unter
dem rechten Fuß entfernen lassen und hatte nicht im Traum daran gedacht,
dass er angesichts dieser Vorbereitung ein vernünftiges Turnier spielen
würde, vom ersten großen Finale seines Lebens gar nicht zu reden. Michael
Chang, sein Coach, riet ihm zu und meinte, er solle es doch einfach
probieren, dann werde man ja sehen. Tja, und nun wird halb Japan wieder
eine Nachtschicht vor dem Fernseher verbringen. Mal sehen, ob Chang auch im
Finale wieder die Kappe mit der Werbung für einen Pizza-Service tragen wird
– der Mann war schon immer Pragmatiker.
## Spiel des Lebens
Dem anderen Sieger des Tages ging es fast noch besser. Marin Cilic
erwischte einen jener Tage, an denen man mit geschlossenen Augen Nägel in
die Wand hauen kann. Besser habe er in seinem ganzen Leben nie gespielt,
meinte er hinterher, es sei einfach unglaublich gewesen. Das fand Federer
auch. Cilic servierte dermaßen gut, dass dessen Coach Goran Ivanisevic auf
der Tribüne glauben konnte, er sehe sich selbst in besten Zeiten zu. Diese
in dieser Form nie erwartete Demonstration der Stärke des vermeintlichen
Außenseiters erinnerte an das Finale des Jahres 2000, in dem Marat Safin
den großen Pete Sampras mit fast dem gleichen Ergebnis erledigt hatte.
Federer jedenfalls meinte hinterher, er habe das Gefühl gehabt, Cilic
spiele immer mit dem Wind, er selbst dagegen, und im Gegensatz zum Spiel
gegen Gael Monfils zwei Tage zuvor sei er ab Beginn des dritten Satzes
nicht mehr besonders zuversichtlich gewesen.
Nun wird die große Familie die Koffer packen, der nächste Termin steht
unmittelbar bevor, das Halbfinale im Davis Cup gegen Italien in Genf. Aber
natürlich wird sich Federer dafür interessieren, wer in New York das Duell
der Debütanten gewinnt, Marin Cilic oder Kei Nishikori. „Ich denke, es ist
spannend, von Zeit zu Zeit mal neue Gesichter zu sehen“, sagt er. „In
gewisser Weise ist das eine erfrischende Entwicklung.“
In Japan und Kroatien wird dieses Finale (Montag, 23 Uhr MESZ) heftig
Wellen schlagen, anderswo eher weniger. Die Bosse des amerikanischen
Fernsehsenders CBS werden sich zu der Entscheidung gratulieren, in Zukunft
nicht mehr auf die US Open zu setzen. Die Einschaltquoten waren in den
vergangenen Jahren in den Keller gerauscht, und da dürften sie bei der
letzten Live-Übertragung auch bleiben. Selbst, wenn darin eine so
spektakuläre Schlussszene wie beim Sieg von Marin Cilic vorkommen wird. Die
ging so: Ass. Ass. Ass. Matchball. Rückhand-Granate, Spiel, Satz und Sieg.
Wer will also behaupten, es habe kein Gewitter gegeben an diesem Tag?
8 Sep 2014
## AUTOREN
Doris Henkel
## TAGS
Tennis
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