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# taz.de -- Museum für DDR-Design: Eine freundliche Moderne
> Mit Ostalgie und Verklärung hat Axel Rachwalski nichts im Sinn. Wenn er
> Design-Objekte der DDR ausstellt, geht es um große Fragen.
Bild: Nach Neuem schaut er jeden Tag im Internet: In seinem Museum zeigt Axel R…
WERNIGERODE taz | Eine „Pirouette“ gab wohl den Anstoß. Die kleine
elektrische Mokkamühle aus den 1960er-Jahren gab es zu Hause in
Wernigerode, wo Axel Rachwalski geboren wurde, 1963, und aufwuchs. Diese
Mühle steht nun gleich sechs Mal, in verschiedene Pastelltöne gehüllt, in
dem privaten Museum, das Rachwalski seit 2007 in seiner Heimatstadt
betreibt – ein Museum zum Design in der DDR.
Um den Produktgestalter dieser und einer weiteren Kaffeemühle in
Rachwalskis Sammlung, Robert Lenz, rankt sich die Mär, dass er auch im
Atelier von Le Corbusier gearbeitet haben soll. Für Lenz gilt, wie für
viele Entwerfer der DDR: Das Wissen um Werk, Biografie und auch die
deutsch-deutsche Verflechtung ihres gestalterischen Wirkens ist weitgehend
verloren. Denn mit der politischen Wende 1989, der Übernahme der D-Mark und
dem Beitritt zur Bundesrepublik 1990 verschwand nicht nur ein totalitäres
Staats- und Wirtschaftssystem. In weiten Bereichen erodierte auch die
Wertschätzung für rund 45 Jahre Kulturproduktion.
Während Eingriffe in die präsente Architektur, etwa der Abbruch des Palasts
der Republik in Berlin, mediale Aufmerksamkeit erhielten und durchaus
Diskussionen in der Fachwelt entfachten, vergingen Produktkultur und
Alltagsästhetik weitgehend unbemerkt. Wirtschaftlicher Auslöser war der
Zusammenbruch produzierender Industrie im „Beitrittsgebiet“: Rund 8.000
„Volkseigene Betriebe“ mit vier Millionen Beschäftigten wurden ab 1990
privatisiert. Zu 95 Prozent gingen sie an auswärtige Investoren, der Markt
wurde bereinigt.
Die dingliche Gegenstandswelt der DDR, Spiegel ihrer schöpferischen,
ökonomischen und sozialen Werte, geriet zudem unter Generalverdacht: Kaum
hochwertige Rohstoffe, hieß es, geringe Qualität, fehlende ästhetische
Eigenständigkeit. Dass sich über 30 Prozent des Außenhandelsvolumens der
DDR in westdeutschen Versandhauskatalogen wiederfand, um eher
unterprivilegierte Konsumbedürfnisse zu befriedigen, hat das Ost-Design
auch nicht eben auratisiert. Auf der anderen Seite floriert der Handel mit
Vintage „Made in GDR“, und kaum eine Stadt in den neuen Bundesländern
verzichtet auf ein DDR-Museum, das den sozialistischen Alltag illustriert –
oder verklärt.
Eben darum geht es Axel Rachwalski nicht: Er präsentiert gut 600 Stücke auf
nur 50 Quadratmetern Fläche, systematisch und sachlich, kompakt
eingerichtet in weißen Regalen. Statt zu Arrangements fiktiver
Gebrauchssituationen greift er zu verfremdenden Installationen: Da werden
Stühle unter die Decke montiert, Schreibmaschinen hängen an einer Wand,
verschiedenfarbige Handstaubsauger an einer anderen.
Dazu gibt es Auszüge aus Prospekten, Plakate, biografische Hinweise,
Verpackungen. Weitere 600 Stücke, eher ein paar mehr, hat Rachwalski zu
Hause, darunter auch komplexere Möbelsysteme und seltene
Unterhaltungselektronik. Täglich sucht er, wenigstens kurz, im Internet
nach Interessantem, erwirbt dabei auch so manches. Ihn interessieren der
universale Anspruch, die humanistische Idee, die in den 1960er-Jahren
Städtebau, Architektur und industrielle Formgebung prägten – in Ost und
West. Es gelte, sagt Rachwalski, die Freundlichkeit dieser Moderne neu zu
entdecken.
Er macht für sich den Anfang, dem Sinnlichen in den Dingen nachzuspüren,
dem Zauber des Aufbruchs in ein neues Lebensgefühl. Die Welt der
1960er-Jahre sei auch in der DDR überhaupt nicht grau gewesen, sondern
farbig. Das in den 1950er-Jahren als kosmopolitisch und künstlerisch
verödet verfemte Bauhaus wurde rehabilitiert, an einigen Kunsthochschulen
führte man eine an seinen Prinzipien angelehnte gemeinsame künstlerische
Grundlehre für alle Disziplinen wieder ein.
In diesen Jahren entstand das emblematische und lange Zeit produzierte
DDR-Design: Glasserien von Friedrich Bundtzen etwa, für die Glasindustrie
der Lausitz, das stapelbare Geschirr von Margarete Jahny und ihre legendäre
Thermoskanne in verschiedenfarbig eloxiertem Aluminium – handlich genug für
eine Aktentasche. Ästhetisch war diese Gegenstandskultur an der Schönheit
des Gebrauchswertes orientiert, formale Spielerei unterblieb. Vieles ging
zur Devisenbeschaffung in den Export, musste westlicher Konkurrenz
standhalten. Ein Möbelhaus aus Schweden etwa orderte um 1970 Aluleuchten
aus Halle – ihre skandinavischen Vorbilder waren nicht zu übersehen.
Zu all diesen guten Dingen hält Rachwalski Belege vor, weiß enorm viel zur
Entstehung zu erzählen, dem Austricksen immer wieder aufkommender
ideologischer Repressalien – aber auch zum Bankrott der späten DDR. Dieser
weint er keine Träne nach.
Nach dem Abitur in der DDR, begleitet von einer Berufsausbildung zum
Facharbeiter für Holzbearbeitung und einem abgebrochenen Lehramtsstudium
ging er zur Post. Hier arbeitet er bis heute, das bietet die finanzielle
Unabhängigkeit für seine Sammlung und das kleine Museum. Er bezeichnet sich
als Laien, sieht selbst das Unprofessionelle in Ausstellung und
Internet-Auftritt. Aber macht nicht gerade die ergründende Neugier die
Qualität seiner autodidaktischen Forschungen aus? Axel Rachwalski bleibt
der Traum, sein großes Lebensthema einmal umfassender darzustellen: die
geistige Leistung einer menschenfreundlichen Nachkriegsmoderne.
## Form Gestaltung in der DDR, Gießerweg 2 a, 38855 Wernigerode. Geöffnet
sonntags, 13–18 Uhr, sowie nach Absprache. Internet:
17 Sep 2014
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Museum
Sammler
DDR
Design
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