# taz.de -- Malerin aus Kuwait über Provokation: „Es wird zu viel geheuchelt… | |
> Die Malerin Shurooq Amin über die Behörden in Kuwait, das geheime Bild | |
> der Frau in der Gesellschaft des arabischen Landes und das Leben hinter | |
> verschlossenen Türen. | |
Bild: Austellung „Society Girl“ von Shuroog Amin in Kuwait City 2010. | |
taz: Frau Amin, Sie arbeiten über tabuisierte Themen wie Homosexualität | |
oder Zensur in Ihrer Kunst. Was war das Motiv für Ihre kontroverse Kunst? | |
Shurooq Amin: Alles begann mit meiner Scheidung. Ich war vorher 17 Jahre | |
verheiratet. Danach fühlte ich mich frei und wie neu geboren. Ich wollte es | |
in die Welt hinausschreien, dass jede Frau, egal wie alt sie ist und | |
welchen Status sie in unserer Gesellschaft hat, sich komplett neu erfinden | |
kann. Meine Kunst gab mir die Plattform, um mich frei zu entfalten. | |
Darauf folgte 2009 Ihre erste große Ausstellung, „Society Girl“, in Kuwait… | |
„Society Girl“ handelte vom geheimen Leben der Frau in unserer | |
Gesellschaft. Etwas, worüber sonst niemand sprechen will. Hauptelement ist | |
die traditionelle lange Kleidung, die Abbaja. Anstatt die Frauen zu | |
bedecken, entblößt sie ihre Körper. Symbole soziokultureller Tradition | |
prallen auf Erotik und Rebellion in meinen Bildern. | |
In Ihrer Reihe „It’s a Man’s World“ sind die Gesichter der Männer | |
konturlos, sie tragen traditionelle oder moderne Kleidung und trinken | |
Whiskey. Um sie herum rankt Efeu und Blumen sprießen. Was steckt hinter | |
dieser Komposition? | |
Für mich ist das eine sehr akkurate Beschreibung vieler Männer in unserer | |
Region. Ich porträtiere homo- und heterosexuelle Männer, Spielsüchtige, | |
Alkoholiker, Drogensüchtige, Hypokraten und Fremdgeher. Ihr Leben findet | |
hinter verschlossenen Türen statt. Der fantastische Rahmen mit den Blumen | |
ist mein Stil. Ich bin sehr feminin und liebe die Schönheit. Die Inhalte | |
meiner Kunst provozieren, deshalb versuche ich die Aussage sanfter zu | |
vermitteln. | |
Die Ausstellung „It’s a Man’s World“ wurde 2012 von den kuwaitischen | |
Behörden geschlossen. Warum? | |
Sie sagten, dass die Kunstwerke blasphemisch, pornografisch und | |
antiislamisch seien. All diese Anschuldigungen sind unberechtigt. Ihrer | |
Meinung nach demütigten und beschmutzten meine Bilder das Image des | |
arabischen Mannes. Mit dem Ausstellungs-Aus wollten sie mich maßregeln. In | |
der Nacht schmuggelten wir die Bilder aus der Galerie. | |
Gab es weitere Reaktionen? | |
Der Hass auf meine Arbeit war groß. Sogar meine Kinder wurden in der Schule | |
beschimpft. Andererseits bekam ich viel Unterstützung aus den USA, Europa, | |
Thailand, Indien, Australien und Russland. Aus Städten, von denen ich | |
niemals in meinem Leben gehört hatte. Von Leuten, die ich nicht kenne. | |
Danach beschäftigten Sie sich mit dem Thema Zensur. | |
Meine Kunstreihe „Popcornographic“ setzte sich mit freier Meinungsäußerung | |
und vor allem mit Zensur von Frauen in der Gesellschaft auseinander. Meine | |
kleine Tochter gab der Reihe ihren Titel. Sie hatte das Wort | |
„pornografisch“ aufgeschnappt, als die Behörden meine Ausstellung „It’… | |
Man’s World“ geschlossen hatten. Am nächsten Morgen fragte sie mich: „Wa… | |
sagen sie, dass deine Bilder popcornografisch sind?“ Ich war begeistert. | |
Niemand kann das Wort zensieren. Der Titel ist meine Art und Weise, den | |
Behörden die Zunge rauszustrecken. | |
Doch in Kuwait durften Sie nicht mehr ausstellen. | |
Ja, seitdem stelle ich in Dubai aus. Ironischerweise wurde ich 2013 in | |
Kuwait als „Künstlerin des Jahres“ ausgezeichnet, trotz Ausstellungsverbot. | |
Das motivierte mich sehr, denn es bedeutete, dass mehr und mehr Leute meine | |
progressive Arbeit verstanden haben. | |
Was muss sich Ihrer Meinung nach in den arabischen Gesellschaften ändern? | |
Es wird zu viel geheuchelt. Wir verbergen unser wahres Leben. Die | |
Gesellschaft blickt nicht dahinter, da sie an die vorgetäuschte Realität | |
gewöhnt ist. Aber nur durch die Exposition unseres geheimen Leben ist der | |
Weg für einen offenen Dialog über unsere gesellschaftlichen Probleme frei. | |
In Ihrer neuen Ausstellung, „We’ll Build This City on Art and Love“, sind | |
Kinder wichtig. Sind die Ihre Hoffnung? | |
Unsere Kinder stehen momentan vor einer hoffnungslosen Zukunft in dieser | |
zerstörten Region. Aber es ist noch nicht zu spät. Wir müssen die Kinder so | |
erziehen, dass sie sich eines Tages selber retten können. | |
Was ermutigt Sie, weiterzumachen? | |
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Araber eines Tages wieder positiv in | |
die Zukunft schauen können, auch weil es hier viele talentierte und | |
kreative Menschen gibt. Nur leider verlassen mehr und mehr von ihnen die | |
Region, da unsere Länder uns die Meinungsfreiheit entziehen. Aber ich halte | |
die Stellung. Für die Alltagsextremisten hier bin ich all das, was sie | |
nicht von einem kontroversen Künstler erwarten würden: eine Frau, Muslima | |
und alleinerziehende Mutter in den 40ern. Indem ich hier bleibe, versuche | |
ich, anderen ein Vorbild zu sein. | |
18 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Juliane Metzker | |
## TAGS | |
Kuwait | |
Künstlerin | |
Neue Nationalgalerie | |
Schwerpunkt Erster Weltkrieg | |
Modefotografie | |
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