# taz.de -- Kopist Hans-Jürgen Kuhl: Alles falsch | |
> Kunst kopiert er, Geld hat er gefälscht. Vom BKA fühlt er sich betrogen. | |
> Eine Begegnung mit Hans-Jürgen Kuhl – vor einer Monet-Kopie. | |
Bild: US-Banknote: Früher fälschte Hans-Jürgen Kuhn Geldscheine, heute macht… | |
Als Hans-Jürgen Kuhl das Bild „Am Seineufer bei Port Villez“ 2008 zuletzt | |
sah, war er bereits im offenen Vollzug. Vier Jahre saß er in Haft, für das | |
Fälschen von Hundertdollarnoten in großem Stil. „Die Ausstellung war ein | |
großer Erfolg“, sagt der heute 72-Jährige. Während er spricht, streichen | |
seine Finger über die Texttafeln zu dem vermeintlichen Monet-Gemälde. „Alle | |
wollten den Falschen sehen.“ | |
Rund 50 Jahre lang war das Kölner Wallraf-Richartz-Museum im Besitz des | |
Gemäldes, bis der Betrug aufflog. Anders als die meisten Kunstkopien ist | |
das Bild eine zeitgenössische Fälschung. Erst bei einer Prüfung von 75 | |
Gemälden der Ausstellung „Impressionismus – Wie das Licht auf die Leinwand | |
kam“, bei der die Bilder auch mit Infrarotlicht untersucht wurden, um | |
Farbschichten und Untergründe zu erfassen, erkannten die Restauratorinnen | |
des Museums, dass es sich um eine Fälschung handelt: Das Bild wurde mit | |
blauem Stift detailliert vorgemalt. | |
Das spricht für die Unsicherheit des Malers – Monet genügte eine Skizze mit | |
Kohlestrichen. Auch die Farbzusammensetzung war untypisch für Monet. | |
Seitdem hängt das Bild, als Fälschung gekennzeichnet, in einem Vorraum des | |
Museums, im zweiten Stock gegenüber den Aufzügen. | |
Hans-Jürgen Kuhl guckt sich die Pinselstriche so genau an, dass seine Lupe | |
das entspiegelte Glas berührt. Das letzte Mal hing ein echter Monet | |
daneben. „Da dachte ich, ich erkenne einen Unterschied“, sagt der Kölner. | |
Kurz nach der Enttarnung tauchte das Original im Auktionshaus Sotheby’s in | |
New York auf. | |
Die Farbe des Originals ist knalliger. Vermutlich hat der Fälscher das Bild | |
aus einer britischen Kunstzeitschrift von 1903 abgemalt, in der die Farben | |
gelblicher als die Originalfarben abgebildet waren. Auch Kuhl lässt sich | |
gerne von großen Künstlern inspirieren, aber er fälsche nicht, sondern | |
adaptiere nur, sagt er. Wie bei dem Bild „Flowers“ von Andy Warhol: „Ich | |
habe ganz andere Farben genommen als Andy“, sagt Kuhl, „ein bisschen | |
gefälliger, zum Verkaufen, damit sie auch Lieschen Müller gefallen.“ Auch | |
Andy gefielen seine Werke, sagt Kuhl. Ein paar habe ihm Warhol mal | |
signiert. Aber fälschen würde er nicht. Jemand habe ihm mal eine Million | |
dafür angeboten – aber Kunst fälschen, das hält er für unseriös. | |
## Die paar Millionen | |
Gibt es einen moralischen Unterschied zwischen dem Fälschen von Kunst und | |
dem Fälschen von Geld? Kuhl fühlt sich betrogen vom BKA, von seiner Bank, | |
von seinen Anwälten, vom Finanzamt, wo er für seine Haftzeit | |
Einkommensteuer zahlen musste, sagt er. Alle stählen ihm Geld. Die Politik | |
hingegen verschleudere Milliarden – dem Staat schade es nicht, wenn 3 oder | |
4 Millionen Euro Falschgeld im Jahr auftauchten. | |
In den Siebzigern war Kuhl Modedesigner, Kameraassistent. Er wanderte nach | |
Mallorca aus, kam wieder zurück. Irgendwann versuchte er, Briefmarken zu | |
fälschen, aber da gab es Probleme mit der Lochung. 1997, da war er 55 Jahre | |
alt, druckte er Geld. 10 Millionen Dollar waren es. Kuhl wurde hochgenommen | |
und zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten Haft verurteilt. | |
Mitte der Zweitausender versuchte er es noch einmal. Er wollte die richtige | |
Struktur finden, zwei Jahre lang trug er daher einen 100-Dollar-Schein mit | |
sich herum. „In der Jackentasche habe ich ihn ertastet und mich gefragt, | |
wie man diesen Druck hinbekommt“, erzählt Kuhl. Dann experimentierte er mit | |
Offset- und Siebdruckverfahren – und es funktionierte: Seine Fälschungen | |
waren von „außerordentlicher Qualität“ attestierte seinerzeit der | |
Staatsanwalt. | |
„Selbst Glitzer habe ich eingebaut, den man nur mit der Lupe sieht“, | |
erklärt Kuhn. Doch wurde er das Geld nicht los, er fand keine Abnehmer aus | |
den Kreisen der Unterwelt. Die guten Scheine lagerte Kuhl nun erst mal in | |
einem Container, Vordrucke und Ausschuss landeten säckeweise im Müll. Im | |
September 2006 fanden Mitarbeiter der Gewerbeabfallverwertungsgesellschaft | |
sechs davon. Oben Schnipsel, unten Dollar. Kuhls Pech: In einem der Säcke | |
war auch ein wenig Privatpost mit seiner Adresse. | |
Acht Monate überwachten daraufhin BKA und US-Geheimdienst seine Telefonate. | |
Eine als Eventmanagerin getarnte Ermittlerin gewann über Monate hinweg das | |
Vertrauen von Kuhn und gab vor, Interesse an seinem Falschgeld zu haben. | |
Dann kam „der Stiefel im Nacken“, sagt er. Kuhn habe immer geahnt, dass | |
„etwas faul“ mit ihr war, „keine Eventmanagerin trägt so billige Schuhe … | |
Tamaris“. Er war ja mal in der Modebranche. Schließlich nahmen sie ihn | |
hoch. Das BKA fand 16,5 Millionen falsche Dollar bei ihm. Der bisher größte | |
Fund in Deutschland, der zweitgrößte weltweit. | |
## Acryl und Glitzer | |
Im Gefängnis lernte er andere Drucker kennen. Nun wisse er, wie er den | |
perfekten Dollar machen könnte. „Aber ich will nicht im Gefängnis sterben.�… | |
Heute macht er Kunst mit Dollarmotiven. Eines seiner Projekte: ein 2,20 | |
Meter breiter Dollarschein, positive Druckplatte auf Edelstahl. Es gibt | |
auch eine Porträtserie im Warhol-Look. „Dickes Acryl und Glitzer“ für | |
Robbie Williams und Marilyn Monroe. | |
Zwei Stockwerke über dem Monet hängen im Museum gerade Warhols. Kuhl wird | |
unruhig. Dreimal fragt er: „Sind wir fertig? Können wir nach oben?“ Dort | |
hängen vier „Cologne Cathe-drals“ des Meisters. Wenn der Sicherheitsdienst | |
wegsieht, geht Kuhl auch dort mit seiner Lupe ganz nah ran. Und löst einen | |
stillen Alarm aus. Mehrmals ermahnt ihn der Museumsmitarbeiter. Dann | |
flüstert Kuhl: „Ich habe gesehen, was ich sehen wollte“: Andy Warhols | |
Glitzerpartikel seien aus Glas – Kuhl hingegen benutzte bisher immer | |
Plastikglitter. Für die neue Porträtserie will er jetzt auch Glitzer aus | |
Glas benutzten, beschließt er – natürlich nur als Adaption. | |
19 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bednarczyk | |
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