# taz.de -- Reiseverband tagt in Abu Dhabi: „Das Geschäft ist sehr, sehr sta… | |
> Money makes the world go round. Und das nicht nur im Tourismus, sondern | |
> auch in Abu Dhabi. Dort tagt der Deutsche Reiseverband. | |
Bild: Die Skyline von Abu Dhabi, dem Tagungsort des Deutschen Reiseverbands. | |
Tatort Abu Dhabi. Während der deutsche Reiseverband (DRV) mit rund 800 | |
Teilnehmern in Abu Dhabi drei Tage lang tagte, wird auf den Titelseiten der | |
Gulf News über die Mall Murder diskutiert. Eine völlig schwarz | |
verschleierte Frau mit dem Messer unter der Abaya, dem schwarzen, | |
traditionellen Kostüm, erstach aus ungeklärten Gründen eine amerikanische | |
Kindergärtnerin in der Shooping Mall, dem populärsten öffentlichen Raum der | |
Golfstaaten. Dabei gilt das abu dhabische Patriarchat, als absolut | |
überwachtes, sicheres Reiseziel, obwohl es geographisch nicht weit vom | |
Terror der IS und den zerfallenden Staaten Syrien und Irak entfernt liegt. | |
Die Golfstaaten mit ihren künstlichen Stränden und hohen Häusern, ihren | |
klimatisierten Glitzerwelten und teuren Großevents sind touristische | |
Nutznießer der Krisen in den arabischen Ländern, vor allem in Ägypten. Auch | |
der Gastgeber Abu Dhabi, das reichste Land der Vereinigten Arabischen | |
Emirate, will sich im Tourismus stärker positionieren. Der deutsche Markt | |
sei der drittwichtigste Quellmarkt nach Indien und Großbritannien. Kein | |
Wunder, dass das Gastgeberland die deutsche Tourismusbranche zu ihrer | |
Jahrestagung großzügig empfängt. | |
Der Tourismus ist ungeachtet der weltweiten Krisen auf Wachstumskurs. Die | |
deutschen Reiseveranstalter haben nach ersten Berechnungen im | |
zurückliegenden Geschäftsjahr mindestens zwei Prozent mehr Umsatz als im | |
Vorjahr erzielt. Dabei hat sich das Geschäft mit Kreuzfahrten | |
überproportional gut entwickelt. | |
Hier liege das Wachstum im zweistelligen Prozentbereich, sagte | |
DRV-Präsident Norbert Fiebig, der auf der DRV Jahrestagung mit 99.94 | |
Prozent bestätigt wurde. Unter den Zielgebieten habe Griechenland das | |
höchste Plus verzeichnet und könne nun an die Zahlen deutscher Besucher vor | |
der Wirtschaftskrise anknüpfen, auch Tunesien sei im Aufwind. Spanien habe | |
trotz leichter Rückgänge für Mallorca seine führende Rolle behauptet. | |
## Keine großen Dramen | |
Auf der Fernstrecke gab es Einbußen in Fernost, vor allem wegen der | |
politischen Lage in Thailand. Stark gefragt war laut Fiebig dagegen die | |
Karibik, was mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis zusammenhänge. Insgesamt | |
sei das Jahr stark von Frühbuchern geprägt worden, auf die laut der | |
GfK-Marktforschung etwa ein Drittel aller Buchungen entfielen. | |
Das anhaltende Wachstum sei angesichts der zahlreichen Krisen etwa in der | |
Ukraine, in Israel und Ägypten sowie Ebola und dem Terror des Islamischen | |
Staates (IS) bemerkenswert, sagte Fiebig. Die Streiks bei der Bahn und | |
Lufthansa hätten das Geschäft ebenfalls belastet: "Wir haben hier | |
mittlerweile Verhältnisse wie in Ländern, die wir früher nur milde | |
belächelt haben", kritisierte er. | |
Doch nach Erkenntnis von Martin Lohmann, Leiter des Instituts für | |
Tourismus- und Bäderforschung in Europa sind „große Dramen in der | |
touristischen Nachfrage bisher ausgeblieben“. Katastrophen hätten letztlich | |
wenig und nur kurzfristig Auswirkungen auf das Reiseverhalten. „Die Folgen | |
von dramatischen Ereignissen sind erstaunlich gering“, sagte Lohmann. Das | |
touristische Geschäft sei sehr, sehr stabil. „Alle machen ziemlich viel | |
Urlaub.“ | |
## Kulturelle Drehscheibe Abu Dhabi | |
Auch in Abu Dhabi: Insgesamt übernachteten 2014 mehr als 2,5 Millionen | |
Gäste in den 156 Hotels und Hotelapartments von Abu Dhabi. Rund 93.000 | |
dieser Besucher kamen nach Angaben der Abu Dhabi Tourism & Culture | |
Authority (TCA Abu Dhabi) aus Deutschland. Im Durchschnitt bleiben die | |
Deutschen knapp 4,8 Tage und damit am längsten von allen Gästen aus den | |
Quellmärkten. Das Land bietet schicke Luxushotels, Beach, Golf, eine | |
internationale Küche und vollklimatisierte Shopping Malls. Ein | |
Konsumparadies, aber das Emirat will sich zur kulturellen Drehscheibe | |
mausern. | |
Die künstlich erweiterte Insel Saadiya, wo die DRV Tagung stattfand, soll | |
schon bald Kultur auf hohem Niveau präsentieren: Mehrere Museen für | |
historische und zeitgenössische Kunst, eine architektonisch spektakuläre | |
Philharmonie für Gastorchester, sowie eine Mehrzweckhalle für Opern- und | |
Theateraufführungen und sonstige kulturelle Events, dazu Ausbildungsstätten | |
für Bildende und Darstellende Kunst auf Hochschulniveau. Das Emirat, das | |
einen jährlichen Ankaufsetat von 40 Millionen Euro plant, soll der Agence | |
Internationale des musées de France einmalig 165 Millionen zahlen und | |
jährlich für 15 Jahre jeweils 13 Millionen Euro für Wechselausstellungen in | |
einer 2000-m²-Galerie. | |
Zur Eröffnung, die 2015 geplant ist, soll der Louvre Abu Dhabi rund 300 | |
Exponate aus den Beständen namhafter französischer Museen und | |
Kultur-Einrichtungen erhalten. Eine hochwertige Touristenattraktion mit Air | |
Conditon, die zwischen Mai und Oktober den Aufenthalt bei 50 Grad | |
Außentemperatur erst erträglich macht. | |
Die Außentemperatur macht auch dem deutsche Botschafter Dr. Eckhard | |
Lübkemeier zu schaffen. Nach Formel 1 musste er gleich zum nächsten | |
deutschen Erfolgs-Event eilen und sprechen. Seine ehrliche Aussage zur | |
unerträglichen Hitze im Land mit heißen Wintern und glühend heißen Sommern | |
führte fast zum diplomatischen Eklat: ein Veranstalter sah offensichtlich | |
seine Geschäftsidee Abi Dhabi denunziert und kritisierte den Botschafter | |
ungefragt lautstark. | |
## Der größte ökologische Fußabdruck | |
Weitläufige Einkaufszentren, riesige Villen, hohe Häuser mit immer | |
laufenden Klimaanlagen, Swimmingpools mit gekühltem Wasser, Geländewagen, | |
am liebsten spritfressende Hummer - die Vereinigten Arabischen Emirate | |
stehen nicht für einen umweltfreundlichen Lebensstil. Laut WWF beträgt der | |
ökologische Fußabdruck in den Emiraten pro Person 11,9 globale Hektar. | |
Ein globaler Hektar ist die Maßeinheit für die Menge produktiven Bodens und | |
Wassers, die ein Mensch für die Produktion aller Ressourcen benötigt, die | |
er in einem Jahr verbraucht sowie für den von ihm produzierten Müll. Selbst | |
in den als Verschwender verschrienen USA beträgt der Fußabdruck „nur“ 9,6 | |
Hektar, im weltweiten Durchschnitt sind es 2,2 Hektar. Dem WWF-Bericht | |
zufolge haben die Emirate also pro Kopf den größten „ökologischen | |
Fußabdruck“ weltweit. | |
Als die größten Herausforderungen für die Zukunft sieht der DRV allerdings | |
nicht den Ressourcenverbrauch und die ökologische Auswirkungen eines | |
extravaganten Lebensstils -- Nachhaltigkeit wird in der Rede des | |
Verbandspräsidenten nur ganz am Schluss, ganz beiläufig erwähnt --, sondern | |
die Auswirkungen der Digitalisierung: „Die gesamte Reisebranche durchlebt | |
derzeit einen grundlegenden Wandel", erklärte der Verbandspräsident. | |
Und auch wenn die Zahl der Reisebüros aktuell wieder um 100 Büros anstieg, | |
reine Hotel- und Flugportale wachsen weiterhin signifikant. | |
„Selbstbestimmter Reisende" ist das Schlagwort. Der Kunde stellt sich sein | |
Reisepaket selbst zusammen: Low Cost-Carrier plus 5-Sterne-Hotel. Er nutzt | |
Facebook für Inspiration, Holidaycheck für Bewertungen, Trivago für den | |
Preisvergleich des Hotels und entscheidet am Ende selbst, welche Leistung | |
er wo bucht. Keine Freude für Veranstalter. | |
Wir wollen in der Politik mehr Profil zeigen“, sagte Fiebig. Denn es gebe | |
verschiedene Entwicklungen, vor allem die gewerbesteuerliche Hinzurechung | |
des Hoteleinkaufs für Veranstalter und die geplanten Neufassungen der | |
EU-Richtlinien zur Pauschalreise und zur Versicherungsvermittlung, „die | |
neue Hürden errichten und einen wirtschaftlichen Erfolg für Veranstalter | |
und Reisebüros konterkarieren“. Die Politik werde stark von Interessen des | |
Verbraucherschutzes geleitet. Es gehe darum, vernünftige | |
Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, auch mit Blick auf neue | |
Geschäftsmodelle wie die Vermittlung von Privatzimmern. „Was dem Kunden | |
gefällt, setzt sich durch“, so Fiebig. Es sei für die etablierten | |
Unternehmen „verschwendete Zeit“, gegen diese Marktentwicklung anzugehen, | |
nur müsse der Rahmen für alle gleich sein. | |
## Eine umstrittene Partnerschaft | |
Auch das neue Geschäftsmodell zwischen Etihad und Air Berlin wurde auf der | |
Tagung gewürdigt. Peter Baumgartner, der Etihad Chief Commercial Officer | |
aus der Schweiz setzt wie gewohnt auf Superlative und sieht Abu Dhabi als | |
„natürliches Drehkreuz des internationalen Flugverkehrs der Zukunft“. Bis | |
2034 soll das Passagieraufkommen der Airline auf 7, 3 Milliarden verdoppelt | |
werden. Etihad befindet sich vollständig im Besitz der Regierung von Abu | |
Dhabi, also der Herrscherfamilie Al Nahyan. Seit Beginn des Flugdienstes im | |
Jahre 2003 hat die Airline mehrere Anerkennungen für ihren Komfort und | |
Service bekommen, zuletzt bei den World Travel Awards 2012 mit der | |
Auszeichnung „führende Fluggesellschaft“. | |
Seit 2011 ist Etihad bei der verlustträchtigen Air Berlin mit 29,21 Prozent | |
eingestiegen und hält die Fluglinie mit Finanzspritzen über Wasser. Ohne | |
die Hilfen stünde Air Berlin vor dem Aus. Im Gegenzug sicherte sich die | |
staatliche Airline vom Persischen Golf einen besseren Zugang zum deutschen | |
Markt. Am Drehkreuz Abu Dhabi können Air-Berlin-Passagiere auf | |
Etihad-Verbindungen umsteigen. | |
Die Partnerschaft der Fluggesellschaft Air Berlin mit ihrem Großaktionär | |
Etihad Airways entzweit die deutsche Luftfahrt und bringt die Behörden auf | |
einen Schlingerkurs. Das Luftfahrtbundesamt soll nun nach einigem Hin und | |
Her Etihad gestattet haben, im Winterflugplan ab Ende Oktober | |
Air-Berlin-Flüge unter eigener Flugnummer zu vermarkten. Der Disput um die | |
Code-Share-Rechte ist nur eine Episode im Streit um die Rolle, die Etihad | |
bei Air Berlin einnimmt. Während der Streit um die Code-Share-Rechte verbal | |
hoch kocht, läuft ein weiteres Verfahren. | |
Es geht darum, ob der Einfluss von Etihad auf Air Berlin größer ist, als es | |
die 29-Prozent-Beteiligung vermuten lässt und ob die Araber faktisch die | |
Berliner aus Abu Dhabi fernsteuern. Ließe sich das bestätigen, dürfte Air | |
Berlin nicht mehr als inländische Gesellschaft behandelt werden, | |
Landerechte würden entzogen werden. Doch Money makes the world go round: | |
Die Deutsche Lufthansa, die die Konkurrenz zu spüren bekommt, hat | |
angekündigt, ihre Flüge nach Abu Dhabi einzustellen. Die Strecke sei für | |
den deutschen Marktführer nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. | |
9 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Abu Dhabi | |
Tourismus | |
Tourismus | |
Trend | |
Kreuzfahrt | |
Tourismus | |
Tourismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Die Tourismusindustrie boomt | |
Die Jahrestagung des Deutschen Reiseverbands fand in Berlin und nicht an | |
einem aufregenden Urlaubsort statt. Selbst die Branche scheut die Türkei. | |
Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Luxus – was sonst? | |
Die Trendforscherin Faith Pocorn über die Zukunft des Reisens und | |
Kleiderschränke vor Ort, ausgewählt nach persönlichen | |
Shopping-Gewohnheiten. | |
Reisen mit dem Schiff: All inclusive | |
Der Kreuzfahrt-Boom scheint ungebrochen. Was zieht Menschen auf die | |
schwimmenden Hotels? Und wie beruhigen sie ihr Öko-Gewissen? | |
Ökologisch korrekter Urlaub: Der Preis schlägt Nachhaltigkeit | |
Touristen nerven, doch sie könnten stärker gesteuert werden. Fast ein | |
Drittel der deutschen Touristen wünscht sich einen ökologisch einwandfreien | |
Urlaub. | |
Lust auf Stadt: Tourist ist kein Schimpfwort! | |
Billigangebote und Geldfieber machen aus weltoffenen Touristen | |
kulturzerstörende Chaoten. Und die Anwohner werden zu Spießern. Fünf | |
Beispiele. |