# taz.de -- Neue Protest-Marke: Die Anti-Rassismus-Cola | |
> Ali-Cola gibt es in Dönerbuden, Shishaläden, Szenecafés und | |
> Getränkegroßmärkten. Der Hamburger Aydin Umutlu hat sie erfunden, weil er | |
> sich so über Thilo Sarrazin ärgerte. | |
Bild: Bezeichnet Hamburg als seine Heimat, willkommen fühlt er sich aber nicht… | |
HAMBURG taz | Selbstbewusst grinst Ali auf dem Etikett der Colaflasche. Ein | |
stilisierter Türke mit Schnurrbart, kräftigen Augenbrauen, kantigem Gesicht | |
und Glatze. Auf seiner Stirn sitzt der Schirm einer Mütze, am Hals trägt er | |
einen ordentlichen Kragen. Vom Aussehen her erfüllt Ali jedes Klischee | |
eines Türken in Deutschland. Aber Ali ist nicht auf der Colaflasche | |
abgebildet, um Klischees zu erfüllen – er hat ein wichtiges Anliegen. Ihm | |
geht es nicht um Rassismus, sondern um Integration. Denn Ali-Cola ist die | |
Antirassisten-Cola. | |
„Wenn du als Türke in Deutschland lebst“, sagt Aydin Umutlu, der Erfinder | |
von Ali-Cola, „und in den Medien verfolgst, wie über dich geredet wird, | |
dann willst du sofort ganz viele Gegenargumente bringen. Es macht dich | |
fertig, wenn du dich nicht äußern kannst. Aber als kleiner Mann hast du ja | |
nicht viele Möglichkeiten.“ Umutlu hat dann eine Cola gemacht. | |
Mehr Lifestyle als Fladenbrot | |
Er hätte auch Fladenbrot machen können, sagt er, aber das hätte einen | |
anderen Effekt als ein Lifestyle-Getränk in einer Mehrwegglasflasche. Klar | |
will er auch Geld verdienen. „Ich mach das nicht, weil ich meinen sozialen | |
Tag habe“, sagt der 41-Jährige, „aber man kann Geschäfte so oder so machen | |
– man kann über Leichen gehen, oder eben nicht.“ | |
Geld hält er für die blödeste Erfindung der Menschheit, aber man brauche es | |
halt. Trotzdem glaubt Umutlu, dass es bessere und schlechtere Kapitalisten | |
gibt, man müsse wenigstens versuchen, den schlechteren etwas | |
entgegenzusetzen. Deshalb kann er nicht verstehen, wieso ein ehemals linker | |
Laden in der Schanze und ein spanisches Café in Ottensen lieber Coca-Cola | |
verkaufen als Ali-Cola. „Guck dich doch mal um“, sein Arm macht eine | |
ausholende Bewegung ins Innere des Ottenser Cafés. „70 Prozent Migranten | |
hier!“ | |
In Berlin kaufen mehr Menschen seine Cola als in Hamburg. Weil da mehr | |
MigrantInnen wohnen? Er glaubt, es liege eher daran, dass Hamburg | |
versnobbter sei. Mittlerweile kann Umutlu trotzdem von seiner Cola leben. | |
Seit zweieinhalb Jahren sind die Ali-Cola-Produkte auf dem Markt, 120 Läden | |
vertreiben sie allein in Hamburg. Auch in Niedersachsen, | |
Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Bayern und Berlin kann man Ali-Cola | |
kaufen. Umutlu hatte sogar schon eine Anfrage aus England, aber dahin kann | |
er nicht liefern, wegen des Pfands auf der Glasflasche. Auf PET-Flaschen | |
umzusteigen, kommt für ihn nicht infrage. | |
Als Baby ist Umutlu aus der Türkei nach Deutschland gebracht worden. „Ich | |
habe es mir nicht ausgesucht“, sagt er. Sein Vater kam als Gastarbeiter | |
nach Hamburg, die Mutter folgte. Bis Umutlu 21 war, hatte er keinen | |
einzigen türkischen Freund, er hat keine türkische Musik gehört und keine | |
türkischen Medien verfolgt. „Eigentlich müsste ich mich als Deutscher | |
fühlen“, sagt er, „dass ich das nicht tue, ist ein schlechtes Zeichen. Aber | |
es ist nicht meine Schuld.“ | |
Als die Debatte um Sarrazin aufkam, hat Umutlu das ziemlich wütend gemacht. | |
Ali-Cola ist in gewisser Weise seine Antwort auf Sarrazins rassistische | |
Thesen. Viele Menschen verstehen das vielleicht nicht, wenn sie Ali-Cola | |
sehen. Umutlu hat keine PR-Agentur, die das Getränk in seinem Sinne | |
vermarktet und den KonsumentInnen die Geschichte zum Produkt verkauft. Aber | |
das Spiel mit den Stereotypen, der Klischee-Türke als Marke – „das hat | |
Kultpotenzial“, glaubt Umutlu. Bis jetzt läuft es gut. Er hat einen Shop | |
auf seiner Internetseite, da gibt es Ali-T-Shirts, Ali-Trainingsjacken, | |
eine Schürze, i-Phone- und i-Pad-Hüllen, ein Lätzchen und einen Teddy. | |
Von der Integrationsdebatte ist Umutlu genervt. Immer hieße es, „man muss“ | |
– sich integrieren, sich anpassen, alles mögliche soll man müssen. „Aber | |
Integration ist keine Einbahnstraße“, sagt Umutlu. Auch von Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel hält er nichts. „Die Frau hat keine Ahnung von Integration“, | |
sagt er. Zumal sie kürzer in der BRD lebe als die meisten MigrantInnen. | |
Viele seien ja wie Umutlus Eltern seit den 60er-Jahren hier. Hätten | |
geackert damals, die Zähne zusammengebissen und die Wirtschaft nach dem | |
Krieg wieder aufgebaut. Ihre Kinder und Familien hätten sie vermisst, aber | |
sie haben nicht gejammert, lebten sparsam und arbeiteten schwer. „Heute | |
sind sie alt“, sagt Umutlu, „und die Leiden gehen los, weil sie damals | |
Arbeit gemacht haben, für die sich Deutsche zu schade waren. Und dann kommt | |
so ’ne Merkel und sagt: ’Die müssen sich integrieren‘.“ Sein Blick ist | |
finster. | |
Idee am Wandsbeker Küchentisch | |
Mit Ali-Cola hat Umutlu seinen eigenen Beitrag zur Integrationsdebatte | |
geleistet. Und der schmeckt ziemlich gut. Weniger Zucker ist in dem | |
Produkt, und weniger Kohlensäure als in anderen Colas. Das Rezept habe er | |
aus dem Internet, liest man in anderen Medienberichten. Umutlu schildert es | |
so: Eines Abends saß er mit seiner Frau am Küchentisch in seiner Wandsbeker | |
Wohnung und hat sich über Sarrazin geärgert. „Man müsste irgendwas machen�… | |
dachte er sich, „etwas, womit man Aufmerksamkeit erzeugt und Sarrazin | |
Paroli bieten kann.“ Dann kam die Idee, eine Cola zu machen. Im Internet | |
haben er und seine Frau sich schlau gemacht, wie sowas geht. „Das ist ganz | |
unromantisch, man ruft einen Grundstoffproduzenten an, der liefert einem | |
zehn verschiedene Cola-Geschmacksmuster. Dann sagt man zum Beispiel: ’So | |
wie Nummer drei, nur mit weniger Kohlensäure‘. Und schon hast du deine | |
eigene Cola.“ | |
Anderthalb Jahre später entwickelte er auf diese Art noch „Orange“ und | |
„Mix“ in der Ali-Reihe, seit acht Monaten gibt es außerdem Ali-„Gazoz“. | |
Gazoz ist ein türkisches Getränk, das dritte Nationalgetränk der Türkei | |
neben Ayran und Tee, sagt Umutlu. Die durchsichtige Gazoz in der Flasche | |
mit dem grünen Ettikett schmeckt gewöhnungsbedürftig süß, sieht aber cool | |
aus und ist vegan. Halal, also nach islamischen Speisevorschriften „rein“, | |
wollte Umutlu seine Getränke allerdings nicht machen. „Dafür müsste man zum | |
Beispiel sicherstellen, dass die Arbeiter, die das Getränk abmischen, in | |
ihrer Pause kein Bier trinken“, erklärt er. So viel Überwachung, das geht | |
ihm dann doch zu weit. | |
Entweder man wehrt sich oder man haut ab | |
Obwohl er sich nicht als Deutscher sieht, bezeichnet Umutlu Hamburg als | |
seine Heimat. „Das ist, wie wenn du dich in eine Frau verliebst“, sagt er. | |
Er liebe Hamburg, obwohl er sich nicht willkommen fühlt. Müsste er weg, | |
wüsste er nicht, wohin. | |
Warum das so ist, dass Türken in Deutschland oft ein so schlechtes Image | |
haben, dazu hat Umutlu eine These. „Es gibt nur eins, das schlimmer ist als | |
ein Türke“, erklärt Umutlu, „und zwar ein Türke auf Augenhöhe.“ Früh… | |
erzählt er, konnten Migranten, die als Gastarbeiter hier waren, kein | |
Deutsch, so konnten sie sich nicht wehren. „Das ist heute anders“, sagt er. | |
Man habe zwei Möglichkeiten als Migrant in Deutschland: „Entweder man wehrt | |
sich oder man haut ab.“ Es ist mehr als deutlich: Ali bleibt. | |
14 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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