| # taz.de -- Weihnachtsfilme im Ersten: Der bräsig-gähnende Fürst | |
| > Traditionsgemäß füllen Märchenfilme das Feiertagsprogramm der TV-Sender. | |
| > Die ARD zeigt eine Reihe von Neuverfilmungen. | |
| Bild: Hofmeister Julius (Michael Schönborn, l.) flüstert Fürst Gundolf (Sky … | |
| Zum wiederholten Mal schwenkt die Kamera aus der Vogelperspektive über die | |
| sattgrünen Wiesen und Wälder, während sich der aufgekratzte Eulenspiegel | |
| (Jacob Matschenz) auf den Weg zu weiteren Abenteuern macht. Ein | |
| penetrantes, von dramatischen Streichern unterlegtes Flötenmotiv soll den | |
| Zuschauern dabei ein kleines Hollywood-Gefühl vermitteln. Denn solche | |
| erhebenden Momente kennen sie aus Blockbustern wie „Der Herr der Ringe“, | |
| „Der Fluch der Karibik“ oder „Der Hobbit“. | |
| Derartige Vergleiche ruft der ARD-Zweiteiler „Eulenspiegel“ (25./26. | |
| Dezember, jeweils 16.15 Uhr) allerdings nur selten hervor. Ansonsten ist | |
| die Neuverfilmung der bekannten mittelniederdeutschen Legende so bieder und | |
| uninspiriert wie der Ruf von fiktionalen TV-Produktionen aus Deutschland im | |
| Allgemeinen. | |
| Vielleicht würde dieser Makel weniger auffallen, wenn nicht ausgerechnet | |
| das Erste auch einige internationale Gegenbeispiele im Programm hätte. Die | |
| BBC-Serie „Sherlock“ hat bewiesen, wie man alte Mythen und Geschichten | |
| zeitgemäß und dennoch werkgetreu aufbereiten kann. | |
| Aktuell bringt die ebenfalls von der BBC produzierte Serie „Die drei | |
| Musketiere“ neuen Schwung in das Genre des Mantel-und-Degen-Films, das nach | |
| der Werbung für Haselnusstafeln und triefenden | |
| Adams-Stewart-Sting-Schnulzen längst auf dem Klischee-Abstellgleis gelandet | |
| war. Aber genau so funktionieren traditionelle Geschichten und Erzählungen: | |
| Sie müssen stets neu erfunden und interpretiert werden, um ihre Botschaft | |
| am Leben zu halten. | |
| ## Vier neue Adaptionen | |
| Auf besonders exzessive Art wird das im US-amerikanischen Mainstreamkino | |
| zelebriert. Aus Mangel an klassischen Märchen und Sagen müssen hier jedoch | |
| die Comic-Superhelden wie „Spiderman“ oder „Batman“ für regelmäßige | |
| „Reboots“ herhalten, die vom mitgeschleppten Ballast der Erzählung befreit | |
| werden. Die Charaktere und Plots werden dabei durch eine frische Sicht- und | |
| Erzählweise nicht nur für ein neues Publikum aufbereitet. Sie schaffen es | |
| auch häufig, den Blick auf den eigentlichen Urmythos freizulegen. | |
| Mit der Reihe „Sechs auf einen Streich“ hat die ARD seit 2008 eine | |
| Filmreihe etabliert, in der die Sendeanstalten jährlich einstündige | |
| Verfilmungen der Märchen von Hans Christian Andersen, den Brüdern Grimm und | |
| Ludwig Bechstein produzieren. Die vier neuen Adaptionen dieses Jahres | |
| zeigen dabei auf exemplarische Weise, wo die Stärken und Schwächen dieser | |
| Neubearbeitungen liegen können. | |
| Der Bayerische Rundfunk steuert mit „Die drei Federn“ (26. Dezember, 14.15 | |
| Uhr, ARD) die konservativste Neuverfilmung bei. Dafür steht der | |
| bräsig-gähnende Fürst Gundolf (Sky du Mont) mustergültig, der aus seinen | |
| drei Söhnen einen geeigneten Thronfolger auswählen muss und sich dabei | |
| ähnlich schwertut, in Schwung zu kommen, wie der gesamte Film. | |
| Statisch und visuell unambitioniert erinnert die Geschichte des Tier- und | |
| Umweltfreunds „Dummling“ (Jannik Schümann) eher an ein abgefilmtes | |
| Kindertheaterstück mit bemühten Slapstick-Einlagen. Die Vorgaben des | |
| Märchens werden dabei zwar eingehalten, der vorhandene Erzählraum jedoch | |
| nicht ansatzweise genutzt. Im bis zur Karikatur überzeichneten Happy End | |
| werden schließlich auch die leisesten progressiven Zwischentöne ins Reich | |
| der Fantasie verbannt. | |
| ## Pinke Albtraumwelten | |
| Der Hessische Rundfunk gibt sich mit „Siebenschön“ (25. Dezember, 14.15 | |
| Uhr, ARD) zwar künstlerisch engagierter – nicht nur weil es die affektierte | |
| Prinzessin Zilly (Teresa Weißbach) in einer pinken Albtraumwelt Marie | |
| Antoinettes à la Sofia Coppola verortet –, doch scheitert dafür letztlich | |
| an einem unnötig verkomplizierten Plot, der nicht so recht auf den Punkt | |
| kommen will. | |
| Dass es auch lockerer geht, beweist die RBB/SR-Produktion von „Sechse | |
| kommen durch die ganze Welt“ (25. Dezember, 15.15 Uhr, ARD), die mit | |
| originellen Kostümen und einem fantasievollen Set-Design überrascht und | |
| zudem deutlich macht, dass dieses Volksmärchen tatsächlich eine direkte | |
| Vorlage für US-Superhelden-Blockbuster wie „X-Men“ oder „The Avengers“ | |
| gewesen sein könnte. | |
| ## Eine positive Überraschung | |
| Die wirkliche Überraschung der Neuverfilmungen ist jedoch die Adaption „Von | |
| einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ (26. Dezember, 15.15 Uhr, ARD), | |
| produziert von Radio Bremen, NDR und MDR. Regisseur Tobias Wiemann | |
| („Großstadtklein“) setzt die Geschichte nach dem Drehbuch von Mario | |
| Giordano („Das Experiment“) nicht nur als gekonnte Anlehnung an das | |
| Schauer- und Horrofilmgenre um, sondern stattet sie auch mit Protagonisten | |
| aus, die über ihre stereotypen Rollen hinausgehen. | |
| Besonders die Figur der Prinzessin Elisabeth (Isolda Dychauk) überzeugt | |
| durch Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein und agiert damit auf | |
| Augenhöhe mit modernen Frauenfiguren zeitgenössischer Filmerzählungen, wie | |
| die von Jennifer Lawrence in der erfolgreichen „Tribute von Panem“-Reihe. | |
| Damit zeigt diese kleine einstündige Episode, dass auch hierzulande | |
| durchaus originelles und modernes Erzählfernsehen für die ganze Familie | |
| entstehen kann. Ausreden gelten damit ab sofort nicht mehr. | |
| 25 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Mayer | |
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