# taz.de -- Humoristin Cordula Stratmann: Die Instinktive | |
> Cordula Stratmann ist eine der lustigsten Frauen im TV. 2007 zog sie sich | |
> vom Bildschirm weitgehend zurück, jetzt kommt sie wieder. Eine | |
> Humor-Suche. | |
Bild: Nie zynisch: Komikerin Cordula Stratmann. | |
Plötzlich lacht sie los. Sehr laut. Ob sie die „funny bones“ habe, also von | |
Natur aus witzig sei. „Ich habe nie vor, jemanden sensationell zu bespaßen, | |
nehme mir nicht vor, besonders lustig zu sein.“ | |
Cordula Stratmann sitzt in ihrem Büro in der Kölner Altstadt. Draußen | |
stürmt und nieselt es, 13 Grad. Fünf Tage vor Weihnachten zieht der Stress | |
durch die Einkaufsstraße. Sie ist entspannt. Einfaches schwarzes Shirt, | |
dezentes Make-up, die Haare zum Zopf nach hinten gebunden steht sie am | |
Wasserkocher und macht Kräutertee. Sie setzt sich an den Tisch und begibt | |
sich mit auf die Suche nach ihrem eigenen Humor. | |
Die Fernsehzuschauer fanden sie schon früh lustig. Seit 1998 spielte die | |
heute 51-Jährige Stratmann die Kunstfigur Annemie Hülchrath bei „Zimmer | |
frei!“ im WDR. Eine Hausfrau mit pubertierendem Hund, kleiner Wohnung und | |
wirren Gedankengängen, die den prominenten Gästen der Show mit ihrem | |
„Hömma“ und „Boaaahh“ den Besuch versüßte. | |
Ein Blick, ein Wort, ein Augenschlag. Mit einem einzigen Gesichtsausdruck | |
im richtigen Moment konnte sie mehr Komik versprühen als andere im Laufe | |
eines ganzen Bühnenprogramms. Das gilt noch heute. Sie hat Kultstatus | |
erreicht. Zehn Jahre blieb sie bei „Zimmer frei!“. | |
Ihre Humorkarriere begann noch früher. „Unsere Familie war stets | |
spaßbereit“, sagt sie. Schuld war ihr Bruder. Ein Mann. „Ach, immer diese | |
langweilige Frage nach männlichem oder weiblichem Humor.“ Darauf habe sie | |
gewartet, morgens noch mit ihrem Mann gewettet, dass die Frage kommt. „Das | |
ist wie der ewige Kampf zwischen Köln und Düsseldorf. Alles nur Gerede.“ | |
Seit Studienzeiten wohnt die gebürtige Düsseldorferin in Köln. Einen | |
Unterschied habe sie nie gespürt. | |
## Ein Pingpongspiel | |
Ein Gespräch mit Cordula Stratmann ist wie ein Pingpongspiel. Sehr schnelle | |
Reaktion ist gefragt, Variation, Tempowechsel. Sie selbst zeigt, wie es | |
geht. Wenn ihr Gegenüber mitzieht, wird es gut, dann hat sie Spaß – dann | |
macht es Spaß. „Für mich passiert alles gleichzeitig, ich bin zu jeder Zeit | |
amüsierbereit, bin sofort ernst, wenn ich den Impuls dazu habe, und sofort | |
wieder albern.“ Ob beim Improvisieren auf der Bühne oder im Gespräch. Sie | |
denkt schnell, sie redet schneller. In ihrem Kopf laufen mehrere Filme | |
gleichzeitig ab. Ist sie ungeduldig? „Gelassenheit und Ungeduld sind meine | |
beiden weiteren Vornamen.“ Sie stockt und blickt überrascht auf. Spontaner, | |
guter Satz, denkt sie. Ist auch so. | |
Der Wasserhahn tropft, seit fünfzehn Minuten schon. Sie springt auf, | |
schlägt auf ihn ein, schreit ihn an. „Und jetzt hörst du auf, uns auf den | |
Sack zu gehen. Wir sind gut ausgebildete Menschen, und du bist ein | |
Wasserhahn.“ | |
2004 zog Cordula Stratmann in die „Schillerstraße“ bei Sat.1 ein und mit | |
ihr die Improvisation in die deutsche Fernsehunterhaltung. Drei Jahre lebte | |
sie dort, wurde gefeiert für ihre Spontaneität. | |
Wahren Humor kann man sich nicht vornehmen. In jeder ihrer Kunstfiguren, | |
ihrer Rollen, steckt viel von ihr selbst. Peinlich war ihr nichts. Zur | |
Improvisation gehört es dazu, sich hinterher für nichts zu schämen. Was in | |
dem Moment passiert, passiert. „Man muss loslassen können und sich im Kopf | |
freimachen.“ Instinkt und professionelle Handhabung verbinden. | |
Sie stieg zur „Retterin des deutschen Fernsehhumors“ auf – so die Meinung | |
des FAZ-Feuilletons –, um sich 2007, kurz nach der Geburt ihres Sohnes, aus | |
dem TV-Geschäft weitgehend zurückzuziehen. Sie sagte eine fest geplante | |
Serie ab. Ihres Sohnes wegen. | |
Beim Thema Kinder redet sie sich in Rage. Wörtliche Zitate dazu will sie | |
lieber nicht in der Zeitung lesen. Karrieremütter, Verblödungvorwürfe, | |
Hausfrauenödnis. Wenn sie darüber redet, wird ihre Stimme lauter und | |
tiefer, beinahe belehrend. Über die hämische Kritik an Helikoptereltern und | |
an Müttern, die nach der Geburt gern ein paar Jahre beim Kind bleiben | |
wollen, regt sie sich auf. | |
## Das Seelenwohl ist wichtig | |
Diese Vehemenz überrascht. Begründet ist diese wohl in ihrer Vergangenheit. | |
Cordula Stratmann arbeitete vor ihrer Komikerinnen-Karriere als | |
Familientherapeutin im Jugendamt. Sie weiß, wie sehr Familien leiden | |
können. Aneinander, miteinander. Sie weiß, wie wichtig Familie für das | |
spätere Seelenwohl ist. | |
Statt powerfrauesk so zu tun, als seien Kind und Karriere problemlos | |
miteinander vereinbar, zog sie sich aus der breiten Öffentlichkeit zurück. | |
Ihre Geschichten wollte sie trotzdem erzählen. Also schrieb sie Bücher, von | |
zu Hause aus. Mal über Hypochonder, mal aus der Sicht einer Maus über | |
Familienalltag, mal als ermordete Ehefrau im Himmel. Sie gab Lesungen, trat | |
nur vereinzelt im Fernsehen auf. | |
Jetzt kommt sie zurück. Sohn Emil ist mit acht Jahren alt genug. Und die | |
Angebote waren gut. | |
Im neuen Jahr starten zwei Serien mit ihr, beide schon abgedreht. Im ZDF | |
ist sie die Bürgermeisterin von „Ellerbeck“, in der ARD ist sie als „Die | |
Kuhflüsterin“ zu sehen. Diesen Samstag persifliert sie mit ihrem Kollegen | |
Olli Dittrich nach dem „Frühstücksfernsehen“ 2013 erneut ein Fernsehforma… | |
In „Das Talkgespräch“, spielt Stratmann die Gastgeberin, Dittrich die fünf | |
Gäste. Weitere dieser Persiflagen sollen in den nächsten Jahren folgen. | |
## Selbstlos komisch | |
Das Paar Stratmann/Dittrich. Hochgelobt, verglichen schon jetzt mit Loriot | |
und Evelyn Hamann. Dabei funktionieren die beiden grundverschieden. „Wir | |
sind komplett unterschiedliche Künstlertypen. Ich bin mehr ein Bauchmensch, | |
Olli ist mehr ein Kopfmensch.“ Er ist der akribische Arbeiter, fast schon | |
pedantisch, auf eine positive Art. | |
Schnelligkeit, Schamlosigkeit, Instinkt. Die ersten Säulen des | |
Stratmann-Humors? | |
„Wenn es etwas zu lachen geben soll, schaut sie zunächst auf sich selbst | |
anstatt auf andere oder die Frisur von der Bundeskanzlerin Angela Merkel. | |
Sie selbst ist der Witz“, sagt Komikerkollege Bastian Pastewka. Und: Zu | |
„Schillerstraße“-Zeiten war sie mit Annette Frier „das beste weibliche | |
Gespann, das es überhaupt hierzulande gegeben hat“. | |
Mit Annette Frier ist Stratmann auch privat befreundet. „Cordula kriegt | |
alles mit, stellt andere Fragen. Sie will Details wissen, fragt ganz | |
gezielt und nicht nach Allgemeinplätzen. Auf Smalltalk hat sie keine Lust“, | |
sagt Frier. Struktur sei Cordula Stratmann total wichtig. Etwas, das sie in | |
ihrer Zeit als Familientherapeutin verinnerlicht hat. | |
Natürlichkeit, Beobachtungsgabe, Detailverliebtheit. Weitere Säulen ihres | |
Humors. Und: Sie lehnt Zynismus ab. Humor auf Kosten von anderen? Nicht ihr | |
Ding. „Ich bin sehr kritisch, aber ich habe es gerne warm dabei“. Als sie | |
das sagt, hält sie kurz inne. Manchmal überrascht sie sich selbst mit ihren | |
eigenen Sätzen. | |
„Mir geht es eigentlich immer nur um gute Lebenszeit. Nur wenn ich selbst | |
Freude und Genuss an meiner eigenen Arbeit habe, kann für andere etwas | |
Sehenswertes dabei rauskommen.“ Sie denkt nicht über Ergebnisse nach, sie | |
macht einfach. | |
Oder, um es mit Olli Dittrich zu sagen: „Entscheidend ist immer, ob jemand | |
Talent hat. Egal ob weiblich, männlich, aus dem Rheinland, | |
Familientherapeut oder nicht. Und Cordula ist außergewöhnlich begabt. Und | |
ein besonders liebenswerter Mensch.“ | |
Man kann also noch so viele Säulen suchen, letztlich ist nur eins wichtig: | |
Sie hat sie, die „funny bones“. | |
26 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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