# taz.de -- Krise beim FC Barcelona: Dekadenz allerorten | |
> Mehrere schwache Spiele des FC Barcelona verdeutlichen, wie weit der Klub | |
> von seinen glanzvollen Zeiten entfernt ist. Eine Wende ist nicht in | |
> Sicht. | |
Bild: Es wird eng: Lionel Messi (m) wird eingequetscht von Iñigo Martínez (l)… | |
BARCELONA taz | Frohe, besinnliche Weihnachtszeit – nun ja. In Spanien | |
werden die Geschenke erst Dienstag durch die Heiligen Drei Könige gebracht, | |
aber beim FC Barcelona haben sie ihre Päckchen schon bekommen; kein | |
Spielzeug und auch kein Zuckergebäck, nicht mal Socken oder ein Kalender | |
vom Autohaus nebenan, nur schwere Gerätschaft: Shoppingverbot. Ligapleite. | |
Krise an allen Fronten. | |
Der endgültigen Bestätigung durch den Internationalen Sportgerichtshof Cas, | |
dass wegen des Verstoßes gegen die Transfersperre für Minderjährige bis zum | |
Januar 2016 keine neuen Spieler verpflichtet werden dürfen, folgte am | |
Sonntagabend einer dieser Auftritte, nach denen Fans gern das tun würden, | |
was jetzt nicht mehr geht: die ganze Mannschaft zum Umtausch an die Kasse | |
tragen. | |
0:1 unterlag Barça bei einer Real Sociedad aus San Sebastián, die unter | |
ihrem neuen schottischen Trainer David Moyes kaum drei Pässe am Stück | |
zustande bringt, aber nun mit dem Kuriosum aufwarten kann, von insgesamt | |
vier Saisonsiegen drei gegen das Spitzentrio Real Madrid, Atlético und | |
Barcelona geschafft zu haben – und zwar jeden mit einem anderen Trainer. | |
## Wechselnde Abwehrreihen | |
Sinnbildlich für den achtlosen Auftritt musste Co-Trainer Juan Carlos Unzué | |
dem brasilianischen Star Neymar vor dessen Einwechslung erst noch das | |
Preisschild vom Trikot fummeln. Die größte Schelte fuhr sich jedoch sein | |
Chef Luis Enrique ein, der nicht nur mal wieder seinem Fetisch frönte, in | |
jedem Spiel eine andere Abwehrreihe aufzubieten, sondern neben Neymar auch | |
Lionel Messi in der ersten Halbzeit auf der Bank ließ und danach gewohnt | |
renitent die Selbstkritik verweigerte („Etwas zu bereuen, hat keinen | |
Wert“). | |
Vor einem halben Jahr als Erneuerer gestartet, beurteilt ihn die Mehrheit | |
inzwischen wie der Herausgeber der klubnahen Gazette Sport: „Er hört nicht | |
zu, lernt nicht und ist ein taktischer Tölpel.“ | |
Aufschlussreich ist aber vor allem die Vorgeschichte der Sturmrotation, die | |
der Trainer auch selbst als Begründung anführte – er hatte den beiden Stars | |
bis zum 2. Januar freigegeben, um zu Hause in Südamerika Silvester feiern | |
zu können. Sonderurlaub für die wichtigsten Spieler bis anderthalb Tage vor | |
dem Auftritt beim Angstgegner (ein Punkt aus den letzten fünf Gastspielen | |
in San Sebastián), bei einer schwierigen Tabellensituation (nur dank Reals | |
Niederlage in Valencia wurde nicht der Anschluss verloren) und einer seit | |
Monaten kritischen Gesamtlage – das klingt nicht nach professionellem | |
Sport. Es würde kaum verwundern, steckte da eher wieder irgendeine | |
Vertragsklausel dahinter. | |
## Traumfußball – das war einmal | |
Denn das ist ja vielleicht das Problematischste überhaupt für einen Klub, | |
der noch vor ein paar Jahren mit seinem Traumfußball, seiner | |
Nachwuchsschule und der Unicef auf der Brust die Welt zu verbessern schien, | |
inzwischen aber für Katar wirbt und weiter vor Gericht steht, unter anderem | |
wegen des Neymar-Transfers: Man hat gelernt, Mauscheleien zu vermuten. | |
Die Zyklen im Fußball sind endlich, das ist bekannt. Irgendetwas geht | |
verloren, und sei es einfach nur der Wille, besonders sein zu wollen. Barça | |
scheint längst in diesem Stadium: eine Gruppe ohne Ziel, ohne Motivation, | |
ohne Narrativ. 160 Millionen Euro Transferausgaben im Sommer haben daran | |
nichts geändert. Durch das Cas-Urteil muss man es jetzt noch ein bisschen | |
länger miteinander aushalten. Oder auch nicht – Messi jedenfalls soll | |
verstärkt mit einem Wechsel zu Chelsea flirten. | |
Die leitenden Angestellten dagegen klammern sich an ihre Posten: Luis | |
Enrique natürlich; Sportdirektor und Chefeinkäufer Zubizarreta, der die | |
Verantwortung für die Transfersperre elegant in Richtung Präsident Bartomeu | |
weiterschob („Er kannte die ganze Lage am besten“); Bartomeu selbst, der | |
nur durch den Rücktritt seines Vorgängers Rosell ins Amt rutschte, aber | |
Neuwahlen verhindern will. Dekadenz allerorten, und allenfalls eine | |
Hoffnung: Schlechter kann es kaum noch werden. | |
6 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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