Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Von Zeit zu Zeit zu Ort: Eine höchst private Mythologie
> Exponate von uneindeutigem Charakter: Die Bremer Gesellschaft für
> Aktuelle Kunst eröffnet einen Objekt-Parcours von Koenraad Dedobbeleer.
Bild: Hier durchzugehen ist schon eine Kunst für sich.
BREMEN taz | Zu Beginn wirkt es, als betrete man eine Art privaten Raum.
Nicht unbedingt ein Wohnzimmer, dafür sind die Schwingtüren, die man beim
Eintritt in den Ausstellungsraum passieren muss, doch ein wenig zu klotzig.
Mit ihren dicken Balken erinnern sie an das Tor eines Schuppens, mit ihrem
gleißenden gelben Anstrich an die Nachbildung eines archaischen Tempels.
Hinter so einem Tor könnte ein spleeniger Jemand etwas sammeln, etwas
basteln. Oder einer seltsamen Self-Made-Religion nachgehen.
Hinter dem Tor erstreckt sich dann aber die Ausstellung des belgischen
Künstlers Koenraad Dedobbeleer. „A Quarrel In A Faraway Country Between
People Of Whom We Know Nothing“ ist der Titel. Der Titel wirft Fragen auf:
Was für eine Auseinandersetzung mag das sein? In welchem fern entlegenen
Land?
Zwischen welchen Leuten, über die wir nichts wissen? Die Fragen bleiben
unbeantwortet, sind vielleicht auch gar nicht zu beantworten. Stattdessen
findet man sich in einem Parcours wieder, zwischen allerlei seltsamen
Gegenständen: selbstgebauten Möbeln und Dingen des Alltags, Bildern aus
Kunstgeschichte und Mythologie.
Was da in der Bremer Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) zu sehen
ist, bildet eine Art Schnittstelle zwischen der Garage eines Bastlers,
vielleicht auch Sammlers – und andererseits einem ätherischen, sakralen
Raum. Ausgestellt wird eine Sammlung seltsamer und höchst unterschiedlicher
Artefakte, Teil einer privaten Mythologie des Künstlers Koenraad
Dedobbeleer.
Teil also einer ästhetischen wie symbolischen Ordnung, die ganz
Dedobbeleers persönlichen und intuitiven Regeln folgt. Ein System, das sich
gegen Versuche sperrt, es von außen es zu entschlüsseln. Man kann sich
hinein zu sehen oder zu fühlen versuchen in diese Welt, mit Neugierde und
Empathie – verstehen jedoch wird man sie nie.
Bei der Eröffnung der Bremer Ausstellung saß der 1975 geborene Künstler
hinter einem verzweigten Metallgestell auf einem Metallzylinder. In einer
kugelrunden Kanne kochte er auf einer Gasflamme grünen Tee und servierte
ihn in kleinen Schalen an die Besucher. Die Teeküche ist Teil der
Ausstellung, auch das Geschirr hat er selbst entworfen. Ist das nun also
Design oder doch Kunst? Auf jeden Fall ist es Teil seines ganz eigenen
Universums.
Von solchen Gebrauchsgegenständen, ebenso wie vom Künstler selbst
angefertigte Ausstellungsmöbel, sind nun in Bremen etliche zu sehen:
seltsame Sockel aus braun lackiertem Metall etwa, die an dicke Abflussrohre
erinnern. Auch hier könnte sich die Frage nach Kunst oder
Gebrauchsgegenstand stellen.
Tatsächlich gibt es da aber keinen einzigen Gegenstand, von dem sich sagen
ließe, er sei nur Möbel. Und entgegen der sachlichen Neutralität, die man
von einem Sockel vielleicht erwarten würde, sind diese hier selbst
Artefakte.
Sie reihen sich ein in eine Gruppe anderer, kultisch anmutender Exponate.
Die stehen gleichberechtigt neben der Kopie eines Kopfes der Oba-Dynastie
aus Benin. Den wiederum präsentiert man auf Augenhöhe mit zwei farbigen
Kunststoffflaschen – einer roten für Ketchup, einer gelben für Mayonnaise.
Dedobbeleer zeigt sie, wie Reliquien in Kirchen oder ethnologische
Gegenstände im Museum gezeigt werden. Obwohl sie heute allgegenwärtige
Massenprodukte sind, macht die Präsentation als einzelne Gegenstände sie
nun zu etwas Besonderem. Ethnografischer Art sind sie ohnehin – Zeugnisse
einer bestimmten Form kultureller Gemeinschaft.
Manchmal verschwimmen die Grenzen auch in der Gestalt der Dinge selbst:
Zwei ganz normale Holzlöffel aus einem Öko-Fastfood-Restaurant, die zu
Dedobbeleers Sammlung gehören, wirken dann, als hätten sie ihre Vorbilder
im Haushalt eines Lateinamerikanischen Stammesvolkes.
Mit solcherlei Effekten spielt Dedobbeleer oft. In seinem Bremer Parcours
ist auch eine Figur zu sehen, die man vielleicht aus dem Comicband „Tim und
Struppi und der Arumbaya-Fetisch“ kennt: In Stein dargestellt ist eine
männliche Figur mit Mütze, die Arm und Bein auf der linken Seite nach vorne
schiebt. Im Comic geht es um den Diebstahl dieser archaischen
kolumbianischen Skulptur aus dem Brüsseler Museum für Völkerkunde.
Dedobbeleer, der in Brüssel lebt, zeigt nun eine Gipsversion, die nicht dem
Original aus dem Museum entspricht, sondern der Version aus dem Comic – die
im Übrigen als die populärere Fassung im Brüsseler Museumsshop verkauft
wird.
Ein Bildhauer, der immer wieder in der einen oder anderen Form bei
Dedobbeleer vorkommt, ist Constantin Brancusi (1876– 1957). Auf einem
metallenen Ständer sind Bilder von mehreren seiner Arbeiten zu sehen. Die
Präsentation ist leicht sakral, erinnert an die metallenen Halter für
Toten- und Heiligenbilder in Kirchen. Im Foto gezeigt werden Brancusis
Kostümentwürfe für ein Stück des Komponisten Erik Satie. Darin zeigt sich
ein Zug der Moderne, der sich – durch vereinfachte, naive Formen – an
archaische Vorbilder anlehnt. Ähnlich gestaltete Brancusi auch seine
berühmten Säulen und Köpfe.
Was sich nun an Dedobbeleers Parcours sehr schön erkennen lässt, ist ein
komplizierter Wechsel zwischen den Zeiten und Orten: Zwei Diaprojektoren
werfen über Eck Aufnahmen aus einem Atelier an die Wände: Mit der Kamera
hat Dedobbeleer die Wände abgetastet. Und so schieben sich die Blicke nun
von Dia zu Dia über diese Atelierwände und den daran angebrachten
Fotografien, Drucken und Postkarten. Man sieht die Aufnahmen antiker
Statuen, griechischer Gottheiten wie Poseidon etwa, aber wiederum auch
Brancusis ovale Bronzeporträts.
Auch die Zusammenstellung und Auswahl dieser Bilder ist natürlich Teil von
Dedobbeleers Privatmythologie. Aber so eigen sein Kosmos auch sein mag,
setzt er sich doch zusammen aus Materialien, Formen und Bildern, die von
dieser Welt sind.
##
16 Jan 2015
## AUTOREN
Radek Krolczyk
## TAGS
Kunst
Belgien
GAK
Bremen
Design
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Generation Camper: Stühle für die ganze Welt
Der Thonet-Stuhl, ein Kaffeehaus-Klassiker, war früher ein
Massenexportprodukt. Heute erobert der Plastikstuhl die Welt. Was für ein
Fortschritt!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.