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# taz.de -- Bewerbung für Olympia: Schluss mit lustig
> Ein Blog veröffentlicht eine satirische Olympia-Kampagne mit NS-Motiven –
> der Senat schickt eine Abmahnung. Nun sind die Bilder wieder zu sehen.
Bild: Diese Bildsprache, und keine andere, will der Senat für Olympia.
BERLIN taz | „Ein bisschen holzhammermäßig“, findet John F. Nebel, wie si…
der Autor des Berliner Blogs „Metronaut“ nennt, die Idee selbst:
NS-Propagandabilder, versehen mit dem offiziellen Slogan der Berliner
Olympiabewerbung. Dazu ein paar in wolkigem Werbesprech gehaltene
angebliche Zitate des Pressesprechers – fertig ist die falsche
[1][Olympia-Kampagne], so wie sie bis Montag auf dem Blog zu sehen war.
„Ich wollte mit dieser Satire eine stärkere Diskussion über dieses Thema
einfordern, die mir bisher zu kurz kommt“, sagt Nebel. Olympia 1936 dürfte
nicht einfach ignoriert werden, der Senat müsse diesen Aspekt stärker
thematisieren, um sich davon absetzen zu können.
Ein satirischer Debattenbeitrag? Im Senat ist man ganz anderer Meinung. Am
Montag verschickte das Land eine Abmahnung an Nebel. „Sie behaupten (…) der
Wahrheit zuwider, dass die in Ihrem Artikel wiedergegebenen Plakatmotive
Plakatmotive der aktuellen Olympiakampagne sind“, heißt es dort, verbunden
mit der Aufforderung, sich „zur Unterlassung der Verbreitung des
vollständigen Artikels“ zu verpflichten.
Dafür setzte die im Auftrag des Senats handelnde Anwaltskanzlei eine Frist,
die Nebel „sportlich“ nennt: Um 17.34 Uhr ging die Abmahnung als Vorabmail
ein, bis 18 Uhr sollte der Beitrag verschwinden. „Wir betreiben unser Blog
nach Feierabend und in kleiner Besetzung, da ist so ein Vorgehen schon sehr
merkwürdig“, sagt Nebel. Für einen Rechtsstreit fehle ihnen das Geld.
Deshalb entschied sich das Metronaut-Team, vorläufig alle Anspielungen auf
die echte Olympiakampagne zu schwärzen.
## „Sportliche“ Frist
Senatssprecher Bernhard Schodrowski verteidigt das Vorgehen: „Es geht hier
um wahrheitswidrige Behauptungen, denen wir sachgerecht begegnen mussten.“
Der Beitrag sei nicht klar als Satire erkennbar gewesen, „inhaltlich ist
das nach meinem Empfinden geschmacklos bis zum Gehtnichtmehr“. Besonders
empört ist er über die Nennung des Kampagnensprechers: „So ein Text ist
schnell ganz vorne bei den Google-Ergebnissen. Das kann die berufliche
Existenz gefährden“, so Schodrowski. Die Blogger hatten diesen Namen schon
am Wochenende geändert – für Schodrowski ein Zeichen dafür, „dass die
selbst geahnt haben, dass das nicht okay ist“.
Aber auch abgesehen von der Namensnennung, die Gegenstand einer zweiten
Abmahnung im Auftrag des betroffenen Sprechers ist, könne der Senat einen
solchen Beitrag nicht ignorieren. „Es geht darum, klare Haltung zu zeigen“,
so Schodrowski. „Unsere Bewerbung hat nichts, aber auch gar nichts mit
Hakenkreuzen am Olympiastadion zu tun.“ Dass Satire alles dürfe, sei ja
momentan in aller Munde, „aber dann muss ein Text auch so überzeichnet
sein, dass er klar als Satire erkennbar ist“. Mit Hakenkreuzen allein ist
eine solche Überzeichnung aus Senatssicht offenbar noch nicht gegeben, auch
nicht mit dem Schlagwort „Satire“, das – wenn auch in sehr kleiner Schrift
–, unter dem Artikel steht.
„Natürlich ist Satire oft unangenehm, das muss sie sogar sein“, sagt Nebel.
Mit „Kampagnen unter falscher Flagge“, wie er sie nennt, hat der Autor
Erfahrung, sein Blog nahm in der Vergangenheit schon verschiedenste
Institutionen mit falschen Kampagnen aufs Korn. „Die sind damit aber alle
entspannter umgegangen, selbst die Junge Union“, sagt Nebel. Er versteht
die Aufregung nicht: „Mal abgesehen davon, dass der Beitrag jetzt erst
recht bekannt wird – der Senat muss so etwas doch aushalten können.“
Kritik am Vorgehen des Senats kommt auch aus der Opposition: „Dass der
Senat ausgerechnet bei offensichtlicher Satire jetzt so überreagiert, ist
angesichts der Vorfälle in Paris beschämend. Der Regierende Bürgermeister
muss sich entschuldigen und die Anwälte zurückpfeifen“, sagt der
Fraktionsvorsitzende der Piraten, Martin Delius.
Am Dienstag ist zunächst unklar, wie sich die Blog-Autoren verhalten - sie
müssten sich zunächst mit Anwälten beraten, sagt Nebel. Am Abend
veröffentlichen die Autoren dann eine [2][Erklärung auf ihrem Blog]: Man
werde keine Unterlassungserklärung unterzeichnen, und man werde die
umstrittenen Bilder wieder zeigen. Es handele sich "zweifelsohne um eine
zulässige Meinungsäußerung, die nicht untersagt werden kann", schreiben die
Anwälte des Blogs.
Die Autoren nutzen die Gelegenheit außerdem für eine Danksagung: „Gerade
melden sich sehr viele Leute bei uns, die uns unterstützen wollen und zum
Beispiel für die Anwaltskosten spenden wollen – diese Solidarität freut uns
sehr“, sagt Nebel. Auch an der Auseinandersetzung findet er Gutes: "Satire
soll Nachdenken auslösen. Diesen Nachdenkprozess hat das Land Berlin durch
sein harsches Vorgehen gegen Satire jetzt unbeabsichtigt verstärkt", heißt
es auf dem Blog.
10 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.metronaut.de/2015/02/motive-der-berliner-olympia-kampagne-offene…
[2] http://www.metronaut.de/2015/02/olympia-satire-wir-unterzeichnen-keine-unte…
## AUTOREN
Malene Gürgen
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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