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# taz.de -- TV-Film „König von Deutschland“: NO-RM 0815
> Olli Dittrich mimt einen Spießer. Seine Durchschnittswelt ist
> zusammengebrochen und er wird plötzlich von der Marktforschung
> ausspioniert.
Bild: Außer Gefecht: Thomas (Olli Dietrich) und seine Frau Sabine (Veronica Fe…
Man kann ja gar nicht anders als an Rio Reiser denken. Wäre der König von
Deutschland geworden, hätte er sich ein feines Leben gemacht: „Bei der
Bundeswehr gäb es nur noch Hitparaden. Ich würde jeden Tag Geburtstag
haben.“ Nachwuchsregisseur David Dietl, Sohn von Helmut Dietl („Kir
Royal“), hingegen stellt sich den Königs-Job offenbar ziemlich grau vor.
Sein König von Deutschland heißt Thomas Müller (Olli Dittrich) und ist der
Traum eines jeden Infratest-dimap-Mitarbeiters: der Durchschnittsdeutsche.
1,76 Meter groß, 82,4 Kilo schwer, spart auf das Reihenhäuschen am
Stadtrand, liebt Schnitzel mit Kartoffelsalat. Er ist verheiratet mit
seiner Sabine (Veronica Ferres), Vater eines Sohnes und fühlt sich am
wohlsten auf dem Sofa vor dem Fernseher.
Das einzig Aufregende in seinem Leben sind die schmutzigen Träume von
seiner Kollegin (Katrin Bauerfeind). Eigentlich sollte Müller in Haßloch
leben, jener Gemeinde in Rheinland-Pfalz, die die durchschnittlichste der
Bundesrepublik ist. Tut er aber nicht, er lebt in Normsen. Autokennzeichen:
NO-RM 0815.
Als er überraschend seinen Job verliert, stürzt seine Durchschnittswelt
zusammen. Ein mysteriöser Fremder hält ihn vom Selbstmord ab und bietet ihm
einen neuen Posten als Industrieberater an. Was Müller da genau machen
soll, erfährt er nicht. Stattdessen geht sein neuer Kollege Stephan Schmidt
mit ihm einkaufen, fährt mit ihm durch die Stadt, redet über Privates und
Politisches.
## Wahlslogans und Produkte
Was Müller nicht weiß: Schmidt spioniert ihn aus. Er lässt Kameras in
Müllers Wohnung und in seiner Brille installieren, zeichnet Gespräche auf
und stattet seine Armbanduhr mit einem Erregungsmesser aus. Alles was
Müller sagt, verarbeitet Schmidt zu neuen Produkten und politischen
Wahlkampfslogans – Marktforschung in Zeiten der NSA.
Es wäre leicht, Thomas Müller zu verachten. Dafür, dass er so naiv ist.
Dafür, dass er so ist wie die eigenen spießigen Nachbarn und so, wie man
selbst nie sein will. Das tut Olli Dietrich aber nicht. Er nimmt den
kleinen Mann ernst und malt ihn bis ins kleinste Detail aus: wie er
apathisch und mit festgefrorener Mimik vor dem Fernseher sitzt, wie er
seiner Kollegin gegenüber flirtend die Augenbraue hochzieht.
Olli Dittrich hat viele großartige Sachen gemacht. Er hat die „Doofen“
miterfunden, spielt seit 22 Staffeln den verlodderten Hartz-IV-Empfänger
„Dittsche“ und hat das „Frühstücksfernsehen“ neu interpretiert. Zulet…
er kurz nach Weihnachten als vierfacher Talkgast in „Das TalkGespräch“,
moderiert von Cordula Stratmann. Das war so witzig, dass die Süddeutsche
Zeitung Dittrich dafür eine ganze Seite drei widmete und in den sozialen
Netwerken noch Tage später davon die Rede war. Oliver Dittrich ist
Comedian, ein Improvisationskünstler. Er glänzt immer dann, wenn er spontan
sein kann. Er ist ein meisterhafter Nachahmer, gerade deshalb waren sein
Frühstücksfernsehen und „Das TalkGespräch“ so herausragend.
## Weder Pegida noch AfD
Was Olli Dittrich definitiv nicht ist, ist ein durchschnittlicher
Schauspieler. Keine Frage, er spielt den Thomas Müller fabelhaft. Ab und zu
scheint der Dittsche in ihm durch. Dann sagt er „ne, ne“ oder geht hilflos
in die Knie und hebt dabei die Arme. Trotzdem geht in dem engen Korsett aus
Drehbuch und Regieanweisung Dittrichs Witz leider verloren.
Immerhin hat sein Thomas Müller wenigstens eine ziemlich klare Vorstellung
von Gut und Böse. Pegida und AfD wären trotz aller Spießigkeit
wahrscheinlich nicht sein Fall. Als er merkt, dass er überwacht wird,
beginnt er, seine Beobachter zu manipulieren, und wünscht sich nur noch
Gutes: Vier-Tage-Woche, viel Urlaub, keine Studiengebühren und
bedingungsloses Grundeinkommen. Ein bisschen Rio Reiser steckt eben doch in
ihm.
27 Feb 2015
## AUTOREN
Anne Fromm
## TAGS
Spielfilm
Durchschnitt
Olli Dittrich
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