# taz.de -- Olli Dittrich über Humor und Erfolg: Höflich, fleißig, lustig | |
> Olli Dittrich, "Dittsche", gilt als Glücksfall für den deutschen Humor. | |
> Warum er aufgehört hat faule Kompromisse zu machen - und wie er Talent | |
> erkennt. | |
Bild: Seine Erfolgsfigur "Dittsche" bot Dittrich lange erfolglos an. | |
taz: Wie lange kennen Sie diesen Ort schon? | |
Olli Dittrich: Seit den Siebzigern, als es noch Rüssl-Studio hieß und Otto | |
Waalkes gehörte, der hier seine Studioplatten aufgenommen hat. | |
Wann haben Sie zum ersten Mal hier gearbeitet? | |
Das muss Anfang der Achtziger gewesen sein. Mit Michael Rick, dem späteren | |
Produzenten der "Schlumpf"-Platten, hatte ich einige sehr alberne Demos für | |
ein Quatschduo namens "Die Schlagerbuben" aufgenommen. Spaßlieder à la | |
Gottlieb Wendehals. | |
In der Hoffnung, dass Sie damit reich und berühmt werden? | |
Nein, einfach nur aufgenommen, rumprobiert. Ich hatte schon fast vergessen, | |
dass es "Die Schlagerbuben" - zumindest auf dem Papier - überhaupt mal gab. | |
Ich habe so viele verschiedene Sachen gemacht. | |
Zum Beispiel? | |
Eine klamaukige Version von "Wer hat die Kokosnuss geklaut?" unter dem | |
Namen "Die Affenbande" oder als "Der kleine Olmidi und seine Freunde" eine | |
Sequencer-4/4-Version des "Flipper"-Songs. | |
Mit welcher Absicht, mit welchem Ziel haben Sie das alles gemacht? | |
Mit welchem Ziel? Also sicherlich … Ich komme gerade ein bisschen in | |
Erklärungsnot … gar nicht primär, um gezielt kommerziellen Erfolg | |
herbeizuführen. Ich hätte mich sicher auch nicht dagegen gewehrt, Geld | |
damit zu verdienen. Aber hauptsächlich ging es doch darum, Musik zu machen, | |
Platten aufzunehmen, Konzerte zu geben, einfach dabei zu sein. Das war auch | |
sehr wahllos zum Teil. Aber damals völlig okay und nötig, Dinge exzessiv | |
auszuprobieren, auch mal total danebenzulangen. Heute stehe ich ja ganz | |
woanders und kann sehr genau darauf achten, dass alles, was ich mache, | |
stimmig ist. Ich muss keine faulen Kompromisse eingehen. | |
Inwiefern gilt das für "Dittsche", ihr 2004 gestartetes und mittlerweile | |
sowohl mit dem Grimme- als auch mit dem Deutschen Fernsehpreis | |
ausgezeichnetes WDR-Improformat? | |
Als ich den Sendern "Dittsche" angeboten habe, lange erfolglos übrigens, | |
hat man mir häufig geraten, ich sollte mehr richtige Gags einbauen, weil | |
die Zuschauer die Sendung so nicht verstehen würden. Behaupteten zumindest | |
die Fernsehmanager. | |
Wie geht man damit um? | |
Genau wie mit dem "Ich habs immer schon gewusst" der gleichen Leute, als | |
"Dittsche" trotzdem ein Erfolg wurde - außerordentlich sportlich. Aus | |
meiner Zeit als Product Manager bei der Polydor weiß ich, in welche | |
Entscheidungsnöte und Kompromisse man beinahe zwangsläufig | |
hineinschlittert, wenn man für ein Unternehmen von außen kommende | |
Kreativität bewerten und gegebenenfalls verbreiten soll. Da kann man sich | |
nicht häufig aus dem Fenster lehnen und dann Flops kassieren. Das macht | |
etwas mit den Leuten: Sie werden vorsichtig, schielen auf die Konkurrenz, | |
um auf der sicheren Seite zu sein. Auch die Marktforschung beim Fernsehen | |
hat ja eigentlich keinen anderen Zweck, als im Falle des Scheiterns einen | |
Schuldigen zu haben - der nicht man selber ist. | |
Haben Sie das Gefühl, Talent erkennen, Entwicklungen antizipieren zu | |
können? | |
Ja, glaube ich schon. Hin- und wieder zumindest. Und ich hatte dieses | |
Gespür auch schon in frühen Zeiten, in denen ich weder die Möglichkeiten | |
noch den Mut hatte, zu realisieren, was ich für richtig hielt. Meine | |
Schwäche mit den Jahren besiegt zu haben ist für mich der größte Triumph | |
meines Lebens. Sie hat mich so lange klein gehalten und in Situationen des | |
immer wiederkehrenden Versagens getrieben. Irgendwann bin ich richtig in | |
die Knie gegangen, weil ich immer wieder Dinge getan und ausgehalten habe, | |
die ich gar nicht wollte. In den frühen Achtzigern war das. | |
Sind das verlorene Jahre? | |
Nein. | |
Warum nicht? | |
Offensichtlich war es für meine Entwicklung notwendig, mehrfach komplett zu | |
scheitern, bis ich zum Beispiel gemerkt habe, dass Hierarchien in einem | |
Arbeitsgefüge nichts für mich sind und ich mich davon befreien muss, | |
anstatt weiter morgens zur Arbeit zu gehen, mich bürgerlichen Konventionen | |
zu fügen. Als ich die notwendige innere Sicherheit ausgeprägt hatte, um | |
meinen ganz eigenen Weg zu gehen, ging es mir endlich besser. | |
Wie ist diese innere Sicherheit entstanden? | |
Das hat viel mit "RTL Samstag Nacht" zu tun. Plötzlich hatte ich die | |
Möglichkeit, mich unter sehr professionellen Bedingungen und einer ebenso | |
professionellen Zielsetzung auszutoben. Es gab jede Woche eine Sendung, es | |
gab immer Publikum, und es gab Produzenten mit großer Toleranz, die alles | |
und jeden haben ausprobieren lassen. Ich habe die Fähigkeit, mich so | |
konsequent zu verwandeln, erst in dieser Zeit wirklich begriffen und die | |
Lust entdeckt, die damit verbunden ist. Obwohl ich zehn Jahre älter war als | |
die anderen im Ensemble, stand ich auch erst am Anfang, mit Mitte dreißig. | |
Welche Ihrer Parodien gefällt Ihnen heute noch? | |
Auf YouTube schaue ich gelegentlich in alte "Zwei Stühle - eine | |
Meinung"-Episoden rein. Und dass das so anarchistisch und teilweise echt | |
unterhaltsam war, überrascht mich dann schon manchmal. Denn ich habe das | |
meiste vergessen, ehrlich gesagt. Fünf Jahre lang fast jede Woche eine | |
Parodie, das rauscht so an einem vorbei. | |
Sie haben die alten Videos auch nie wieder hervorgeholt? | |
Nein. | |
Warum nicht? | |
Auf jeden Fall nicht, weil ich das bewusst vergraben wollte oder meine, | |
dass ich diese Zeit komplett ablegen müsste; dafür ist sie zu wichtig. Aber | |
ich bin nicht besonders rückwärtsgewandt. Es geht weiter, immer weiter - | |
was nicht heißt, dass ich keine nostalgische und sentimentale Ader hätte. | |
Auch ich erinnere mich manchmal gerne mit einem kleinen Seufzen an früher. | |
Woran zum Beispiel? | |
An den ersten Grimme-Preis, Konzerte mit den "Doofen", nicht alle, aber ein | |
paar davon. | |
Wie das bei "Rock am Ring", vor zigtausend Leuten? | |
Großartig, feine Sache. Die "Doofen" waren etwas ganz Besonderes. Hinter | |
unserer vermeintlichen Hilflosigkeit und musikalischen Minderbemitteltheit | |
verbargen sich Parodien von dreißig Jahren deutscher Schlagergeschichte: Wo | |
doof draufsteht, muss ja keineswegs doof drin sein. Ich glaube, unser | |
Publikum hat auch verstanden, dass wir nur damit kokettiert haben, gar | |
nichts zu können. Das war die komische Fallhöhe. | |
"Neues vom Spocht", "Zwei Stühle, eine Meinung" - all die von Dittrich | |
geprägten Sketchformate aus "RTL Samstag Nacht", die auf YouTube überlebt | |
haben, sind für den Urheber also Schnee von vorgestern. Nur an die | |
"Doofen", das aus der beliebten Comedyshow hervorgegangene Gesangsduo mit | |
Wigald Boning, erinnert er sich noch gerne, weil er in Songs wie "Mief" | |
("Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke, denn sonst sag ich winke, winke | |
und goodbye") oder "Jesus" ("Jesus, Jesus, du warst echt o. k. Jesus, | |
Jesus, everytime fair play!") musikalisch mehr erkennt als der Großteil des | |
Publikums, der sich vor allem über die fröhlichen Nonsenstexte amüsiert | |
hat. Dass das neue Album angesichts seiner alten und aktuellen Erfolge | |
nicht zu kurz kommt, war Dittrich so wichtig, dass ein paar Tage vor dem | |
Interviewtermin die Promofrau von der Plattenfirma noch mal angerufen hat, | |
um freundlich, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass es in dem Interview | |
vor allem um "11 Richtige" gehen soll - genau wie Dittrich selbst im | |
Gespräch, als man sich für seinen Geschmack zu lange bei Schnee von | |
vorgestern aufhält. Es scheint so, als befürchte er, dass dieses kleine | |
Album unter seinen großen Erfolgen verschüttet wird. | |
Nun haben Sie sich aus der Deckung Ihrer vielen Figuren gewagt und Ihr | |
erstes Album unter eigenem Namen veröffentlicht, "11 Richtige". | |
Ach, wenn man genau hinguckt, gebe ich doch gar nicht so viel mehr preis | |
als in den vergangenen Jahren mit anderen Dingen. Nur unmittelbarer | |
vielleicht. Die musikalischen Erfolge mit "Texas Lightning" und alle Film- | |
und Fernseharbeiten der letzten Jahre haben mir, über die Akzeptanz der | |
verschiedenen Produkte hinaus, ein solides, glaubwürdiges Standing beim | |
Publikum beschert. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass dieses Album das | |
Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Jetzt ist es dran, und es | |
war vor drei Jahren noch nicht dran, und in fünf Jahren wäre es zu spät. | |
Was macht Sie da so sicher? | |
Ich weiß es einfach. | |
Intuition also? | |
Ich weiß, dass es den goldenen Moment gibt, und übereigne ihm gerne mal die | |
Entscheidungsbefugnis. Bei Kleinigkeiten und Großwetterlage. Diese Momente | |
sind die Chefs. Die regeln. | |
Wie kam es zu diesem neuen Album? | |
Irgendwas hat sich in mir gerührt und gesagt: Hör dir doch die Songs von | |
"Modern Guy" mal wieder an. | |
Und wie wars, Ihr 1989 unter dem Pseudonym "Tim" erschienenes Solodebüt | |
wieder zu hören? | |
Ganz großartig. Dann wurde ich neugierig und holte die alten Demokassetten | |
raus. Erst dachte ich, das wird ganz peinlich - und das wars zum Teil auch. | |
Mit ganz armseligen technischen Mitteln hatte ich an die hundert Demos | |
aufgenommen, von denen ich die meisten komplett vergessen hatte. Die | |
klangen rührend minderbemittelt, was den Sound angeht, keineswegs aber - | |
und das war die große Überraschung - was die Qualität der Songs betrifft. | |
Da war ich echt baff. | |
Und so entstand die Idee, sich selbst zu recyceln? | |
"Wiederzubeleben" ist das bessere Wort. Und ich habe noch Material für zwei | |
weitere Alben, mindestens, alles ähnlich gut. Die Kompositionen sind alle | |
aus dieser Zeit, die Texte alle von heute. Jetzt habe ich die Souveränität, | |
mich hinzustellen und zu sagen: Leute, das bin ich, das ist meine | |
Geschichte, das sind meine Songs. Von diesem Standing vor mir selber und | |
der Welt war ich als "Tim" meilenweit entfernt, sodass auch ein zweites | |
Album damals nicht erfolgreicher geworden wäre. | |
Ihre damalige Plattenfirma hat den Vertrag nach dem Flop von "Modern Guy" | |
aufgelöst. Ist es vor diesem Hintergrund nicht eine besondere Genugtuung, | |
dass Sie Kompositionen aus dieser Zeit knapp zwanzig Jahre später mit | |
großem Orchester aufnehmen und David Garrett in einem Song Geige spielt? | |
Genugtuung ist das falsche Wort. Ich bin stolz und glücklich, dass ich | |
dieses Album in dieser großen Freiheit und unter so opulenten Bedingungen | |
aufnehmen konnte - mit einem Sechzigmannorchester in einem Studio wie | |
diesem hier, ein Jahr lang daran arbeiten konnte und es dann auch noch bei | |
Sterling Sound in New York mastern lassen konnte, wo die Größten der Großen | |
Schlange stehen, um einen Termin zu kriegen. | |
Warum heißt das Ergebnis "11 Richtige"? Äußert sich darin das neue | |
Selbstbewusstsein des Olli Dittrich? | |
Da ist natürlich auch ein bisschen Ironie dabei, "11 Richtige" beim | |
Lottospielen wären schließlich fünf zu viel. Aber der Titel signalisiert | |
natürlich, dass der Komödiant durchaus auch mal Ernst machen darf und kann. | |
Eine Analogie übrigens zu "Texas Lightning" und dem ersten Bandmotto "Its | |
not a joke, its country". Zu meiner großen Überraschung laufe ich ja in | |
Fernsehzeitungen oder auf Medienseiten oft noch unter Comedy, wogegen ich | |
per se ja nichts habe, da soll man auch nicht zum Erbsenzähler werden. | |
Spaßige Sketchcomedy, die für ihre Zeit bahnbrechend war und ohne die ich | |
nicht da wäre, wo ich jetzt bin, ist aber für mich zehn Jahre her und ich | |
habe mich Gott sei Dank auch weiterentwickelt. 11 Richtige - das heißt | |
einfach: 11 richtige Songs. Es ist einfach ein guter Slogan. Zu viel muss | |
man da nun auch nicht hineininterpretieren. | |
Gab es noch andere Titelvorschläge? | |
"Mit der Porno-Orgel geht einiges." Hahahaha. Sagte Arrangeur Peter | |
Hinderthür, als Koproduzent Stephan Gade und ich während der Arbeit an dem | |
Album bei ihm im Studio zusammensaßen. Peter schlug begeistert vor, | |
irgendeine Solomelodie mit seiner alten Hammond B3 zu spielen, und | |
begründete dies mit ebendiesem Satz. Darauf wir: "So nennen wir das Album." | |
Großer Spaß. | |
So ausgelassen zeigen Sie sich in der Öffentlichkeit nie, auch im Interview | |
wirken Sie sehr kontrolliert und ein bisschen unnahbar. | |
Echt? Bin ich aber gar nicht. Wirkt vielleicht grad nur so. Offizielle | |
Arbeitssituation. Ich muss mich doch darauf konzentrieren, was ich erzähle. | |
Doch, doch, Ausgelassenheit gibts auch, ganz sicher. Das wäre ja auch noch | |
schöner, wenn nicht. | |
Die Außenwahrnehmung Ihrer Person wird allerdings dominiert von dem Image | |
des "Humorsoldaten", dem Fleiß und Disziplin eine Menge bedeuten. | |
Das sind sicherlich auch zwei wichtige Bausteine meiner Lebensführung. | |
Trotzdem interessant, dass ich vor allem darüber wahrgenommen werde. | |
Wie erklären Sie sich das? | |
Na ja, so ganz legt man ja seine Selbstzweifel nie ab. Vielleicht wirkt das | |
nach außen unlocker manchmal. Nachdenklichkeit und Melancholie sind mir in | |
die Wiege gelegt - durchaus aber gepaart mit einer ungeheuer positiven | |
Kraft. Und Zuversicht, Spaß an der Freude. Passt schon zusammen. | |
Melancholiker gelten ja zu Unrecht als Leute, die im verregneten Herbst am | |
Fenster stehen und traurig und hoffnungslos nach draußen gucken. | |
Wird Ihre auf "11 Richtige" deutlich hörbare melancholische Ader auch live | |
zu erleben sein? | |
Ja, natürlich, aber erst im nächsten Jahr. Es wäre eine große | |
Unterlassungssünde, diese Songs nicht live zu spielen. Wir haben einen | |
mehrstufigen Aufbauplan, der vorsieht, dass wir das Orchester erst auf | |
Tournee schicken, wenn es wirklich Sinn macht. Sonst ist das zu riskant und | |
schlicht zu teuer. Was soll ich in halb leeren Sälen spielen? Die Leute | |
müssen erst das Album kennen und wissen, was sie erwartet. | |
So viele Zuschauer wie bei "Rock am Ring" damals werden es aber wohl nicht | |
werden. | |
Wer weiß? Würde aber auch vielleicht gar nicht zu dem Album passen. Ich | |
glaube, dass die Leidenschaftlichkeit dieser Produktion in jeder Note | |
eingefangen, konserviert ist wie eine Fliege, die im Bernstein über | |
Jahrmillionen erhalten bleibt … puh, was für eine kitschige Formulierung … | |
Hut ab … Das Publikum wird es jedenfalls hören, ganz bestimmt. | |
Was wünschen Sie sich für "11 Richtige"? | |
Natürlich dass es viele Leute hören. Und dass es vielen Leuten gefällt. | |
Dass uns die große Überraschung gelingt, an die wir alle fest glauben. | |
Klingt vielleicht etwas mager, ist aber so. | |
Nachdem Dittrich seinem achtjährigen, bei der Mutter lebenden Sohn Gute | |
Nacht gesagt hat wie jeden Abend, besteht er darauf, den Gast zurück zum | |
Bahnhof zu bringen, zum letzten ICE nach Berlin. Es ist spät geworden, gut | |
zweieinhalb Stunden Interview sind auf den neu gekauften Kassetten. Dass | |
Dittrich Chauffeur spielt und man dadurch noch einige letzte Fragen | |
loswerden kann, ist alles andere als selbstverständlich - außer für | |
Dittrich. Der 51-Jährige ist eine angenehm altmodische Erscheinung. Dass er | |
Wert auf Höflichkeit und Respekt legt, sagt er nicht nur, er lebt es auch. | |
Alles Wichtigtuerische ist ihm fremd - was nicht ausschließt, dass er | |
außerordentlich selbstbewusst über seine Arbeit spricht. Doch die Arbeit | |
ist auch in Dittrichs Leben nicht alles. | |
Sie sind ein großer HSV-Fan, gehen seit 35 Jahren ins Stadion. Was bedeutet | |
Ihnen das? | |
Sehr viel. Uwe Seeler war schon in meiner Kindheit mein großes Idol. | |
Beckenbauer eher nicht, der war Anfang der Sechziger ja noch ein junges, | |
unbeschriebenes Blatt. Uwes Verein war der HSV, also wurde der HSV auch | |
mein Verein. | |
Was war für Sie denn der größere Ritterschlag: dass Seeler bei "Dittsche" | |
aufgetreten ist oder dass Vicco von Bülow alias Loriot bei "Beckmann" Ihre | |
"große Kunst" gerühmt hat? | |
Diese Momente sind alle gleich wertvoll, ich kann das gar nicht miteinander | |
vergleichen. Ein ganz besonderer Moment, den Sie vergessen haben, war, als | |
ich in der Fernsehgala zum 70. Geburtstag von Udo Jürgens, einem großen | |
musikalischen Helden meiner Jugend, einen Song von ihm singen durfte. | |
Es heißt, Sie telefonieren manchmal mit Vicco von Bülow? Worüber reden Sie? | |
Über alles Mögliche. | |
In welchen Situationen würden Sie ihn anrufen? | |
Ach, das weiß ich jetzt gerade nicht. | |
Sie wollen es gerade auch nicht wissen, oder? | |
Das ist mir wirklich zu persönlich, ich würde in einem Interview genauso | |
wenig über Gespräche mit meinem Sohn oder einem Freund etwas erzählen. Ich | |
verstehe schon, dass Sie danach fragen, Loriot ist schließlich ein | |
berühmter Mann. Aber darüber Auskunft zu geben, das wäre einfach | |
unanständig. | |
Sie haben viele Gemeinsamkeiten, Beckmann hat sie als "Loriot Next | |
Generation" bezeichnet. | |
Ich werde den Teufel tun und mich auch nur ansatzweise künstlerisch mit | |
Loriot vergleichen. Er ist ein großer Meister, ein Stück deutsche | |
Kulturgeschichte, das Bestand haben wird, und je länger sein Wirken | |
zurückliegt, desto bedeutender wird es werden. Es ist für mich eine große | |
Ehre, diesen Mann überhaupt kennengelernt zu haben. | |
Fühlen Sie sich ihm nah? | |
Ja, das in gewisser Weise schon. | |
In welcher Weise denn? | |
Im Grübeln vielleicht. In der Konsequenz sicher auch. Und in der Liebe zur | |
Kunst. Und was man so für Wege nimmt, da gibts ganz lustige Parallelen. Er | |
ist zum Beispiel auch erst relativ spät zum Fernsehen gekommen. Vorher | |
hatte er ja als Cartoonist gearbeitet. | |
Auch Ihre Arbeitsweise wird häufig verglichen - das Disziplinierte, | |
Perfektionistische. | |
Ja, wobei diese Begriffe oft zu Unrecht negativ besetzt sind. Wenn man | |
will, dass eigene Werke so gut werden wie nur irgend möglich, muss man sich | |
bedingungslos hingeben. Und nicht aus Bequemlichkeit Abstriche an der | |
Qualität gestatten oder schönreden. Man gilt dann, missverständlich, häufig | |
als übertrieben penibel und verbissen. Dabei liebt man nur, was man tut. | |
Loriot und Sie gelten außerdem beide als sehr genaue Beobachter. Ist es | |
überhaupt noch möglich, Menschen zu beobachten, wenn man selbst unter | |
Beobachtung steht? | |
Ach, so doll stehe ich gar nicht unter Beobachtung. Zumindest nehme ich das | |
nicht so dramatisch wahr. Dass Leute das Besteck fallen lassen, nur weil | |
sie mich im Restaurant am Nebentisch sehen, kommt eher selten vor. | |
Haben sich Ihre Stadionbesuche durch Ihre Popularität verändert? | |
Überhaupt nicht. | |
Aber Sie leisten sich mittlerweile bessere Plätze? | |
Auch nicht. Ganz, ganz früher, als Jugendlicher, habe ich im | |
Volksparkstadion in der Westkurve gestanden, mittlerweile sitze ich lieber | |
auf der Tribüne, habe aber schon seit Jahren die gleiche Dauerkarte. Was | |
sich im Stadion vielleicht verändert hat, ist, dass ich schon mal auf | |
Dittsche angesprochen werde, in dessen Leben der HSV ja auch eine große | |
Rolle spielt. Neben Uwe Seeler waren schon ein paar aktive Spieler Kurzgast | |
in der Sendung, zum Beispiel Rafael van der Vaart. Ein wirklich netter | |
Mensch. Großer Fußballer. | |
Sie waren auch gemeinsam im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF zu Gast. Das | |
muss für Sie als Fußballfan ein toller Moment gewesen sein. | |
Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie großartig es war, auf diese | |
Torwand zu schießen. Damit hat sich ein Kindheitstraum erfüllt. Solche | |
Erlebnisse gehören wirklich zu den tollen Begleiterscheinungen meines | |
Berufs. Oder beim Auswärtsspiel des HSV in die VIP-Lounge des FC Bayern | |
eingeladen zu werden. Mehr geht doch nicht. Uli Hoeneß begrüßt einen, man | |
bekommt leckerste Speisen, und dann winkt noch Paul Breitner herüber, und | |
man fachsimpelt mit Günter Netzer. Und selbst der Kaiser kommt und gibt | |
einem die Hand. Die Helden meiner Jugend! Dann denke ich: Wahnsinn, die | |
kennen dich und deine Arbeit. Das hättest du als Fußballer nie geschafft. | |
INTERVIEW DAVID DENK | |
20 Oct 2008 | |
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