# taz.de -- Cartagena in Kolumbien: Musikalischer Spaziergang | |
> In der kolumbianischen Stadt mit dem kolonialen Flair findet alljährlich | |
> ein internationales Musikfestival statt – mit Klassik, Salsa und | |
> Champeta. | |
Bild: Früh übt sich ... | |
Wenn sich die kühlende Dämmerung über die karibische Küstenstadt Cartagena | |
legt, heizt sich die Stimmung in den Straßen der Altstadt erst richtig auf. | |
Schon von Weitem dröhnt die Salsa-Musik aus der Bar Donde Fidel, gelegen | |
zwischen dem Plaza De La Aduana und der historischen Stadtmauer. Vor dem | |
Laden tanzen Pärchen auf der Straße zu den schnellen Rhythmen. | |
Passanten schauen zu und trinken eisgekühltes Bier aus der Flasche. Je | |
tiefer man ins Zentrum der nordkolumbianischen Stadt vordringt, desto | |
belebter werden die Straßen. Pferdekutschen, Fahrradfahrer und Fußgänger | |
drängen durch die engen Gassen zum Plaza de Bolívar, dem Mittelpunkt der | |
Stadt. Die Tische vor den Restaurants in den zweistöckigen pastellfarbenen | |
Kolonialbauten sind bis auf den letzten Platz belegt. | |
Ursprünglich war Cartagena ein Handelszentrum: Im Jahr 1533 gegründet, ist | |
die Hafenstadt eine der ersten spanischen Siedlungen im Norden Südamerikas. | |
Heute gilt Cartagena als die am besten erhaltene Kolonialstadt in der | |
Region. Touristen aus Europa und den USA kommen vor allem wegen der | |
vielseitigen Musikszene – nicht nur dem Salsa, sondern zum Beispiel auch | |
dem Festival International de Música. | |
Mit jährlich rund 18.000 Besuchern ist es eines der bedeutendsten | |
klassischen Festivals in Kolumbien. Werke von Ravel, Strawinsky und Debussy | |
stehen hier ganz selbstverständlich neben lateinamerikanischer Musik auf | |
dem Programm. | |
## Die Mischung machts | |
Das kulturelle Zentrum Cartagenas ist das Teatro Heredia. Es liegt in einem | |
vornehmen Viertel der nördlichen Altstadt. Das großzügige, durch eine gelbe | |
Klinkermauer geschützte Anwesen des verstorbenen Literaturnobelpreisträgers | |
Gabriel García Márquez ist nur wenige Schritte entfernt. Hier treffe ich | |
den 29-jährigen Kontrabassisten Mario Criales aus der kolumbianischen | |
Hauptstadt Bogotá. Mit seinem dreiköpfigen Agile Ensamble spielt er | |
regelmäßig im Teatro Heredia. Musikalisch bewegt er sich an der Grenze | |
zwischen lateinamerikanischen Rhythmen und klassischer Musik. „Vom Kopf her | |
bewundere ich die Klassik“, sagt er. | |
„Im Herzen aber bin ich noch immer ein kolumbianischer Musiker.“ Er sei in | |
allen musikalischen Stilen zu Hause, sagt der Kontrabassspieler und gibt | |
eine Kostprobe. Ein solcher Mix, wie er ihn mit dem Agile Ensamble schafft, | |
sei für die Kolumbianer besonders reizvoll. „Die Mischung aus populärer | |
lateinamerikanischer Musik und europäischer Klassik ist ein | |
Erfolgsgeheimnis“, sagt Criales. | |
Ein ganz anderer Sound erwartet die Besucher in Getsemani. Das einst | |
zwielichtige Viertel südlich der Altstadt ist heute ein lebendiges Quartier | |
mit kleinen Restaurants, Handwerksbetrieben und Nachtclubs. Der Weg durch | |
Getsemani führt durch enge Gassen zur Kirche am Plaza de la Trinidad, in | |
deren Schatten einige Anwohner Schutz vor der drückenden Mittagshitze | |
suchen. Die Fassaden der umliegenden Häuser sind himmelblau, lindgrün oder | |
sonnenblumengelb gestrichen. | |
## Rastazöpfe und Champeta | |
Viele der Anwohner sind Afrokolumbianer. Und in Getsemani wird ihre Musik | |
gespielt: der Champeta. Einer der besten Orte, um diese schnelle Fusion aus | |
Salsa, Jíbaro und Reggae zu hören, ist der Bazurto Social Club im Norden | |
von Getsemani. Auf den ersten Blick erinnert der Club an einen | |
Schnellimbiss: Vor der Bühne, auf der neben dem Sänger kaum noch Platz für | |
Schlagzeug und Keyboard ist, drängen sich die Gäste um weiße Plastiktische. | |
Getrunken wird massenhaft Tequila. | |
Der Andrang ist an diesem Abend besonders groß: Alle wollen zur Musik von | |
Charles King tanzen, der mit seiner Band im Bazurto Social Club spielt. | |
Seit er 17 Jahre alt ist, steht er auf der Bühne. Heute ist der 48-Jährige | |
mit den hüftlangen Rastazöpfen einer der bekanntesten Vertreter des | |
Champeta, der in der Region um Cartagena entstanden ist. | |
Die Wurzeln der Champeta-Kultur reichen bis in die 1920er Jahre zurück. | |
Ursprünglich bezeichnet der Begriff ein kurzes, leicht gebogenes Messer, | |
das im Norden Kolumbiens als Haushaltsgerät, aber auch als Waffe benutzt | |
wurde. Seit wenigen Jahrzehnten wird damit auch die Musik der schwarzen | |
Bevölkerung in Kolumbien verbunden. „Der Champeta bewahrt das, was von der | |
afrikanischen Kultur in Kolumbien übrig geblieben ist“, sagt Charles King. | |
„Es ist eine Mischung aus Gitarrenmusik und schnellen Rhythmen.“ Ähnlich | |
wie ursprünglich der HipHop in den USA ist der Champeta nicht nur ein | |
Musikstil, sondern auch eine politische Bewegung. In ihren Songs wehren | |
sich Künstler wie Charles King gegen Misshandlung, Ausbeutung und | |
Diskriminierung der Schwarzen. Bis heute haben viele von ihnen in Kolumbien | |
darunter zu leiden. Die Champeta-Musik hat immer auch eine wichtige | |
politische Botschaft, sagt Charles King. „Wir werden von den Politikern oft | |
vergessen: Unsere Dörfer verfallen, es gibt kein Geld für Schulen. Viele | |
von uns leben in großer Armut. Darüber singe ich.“ | |
Wegen seiner kritischen Texte wurde Charles King schon einmal von einem | |
Festival ausgeladen. Über die Landesgrenzen hinaus steigt dagegen das | |
Interesse für seine Musik. Bis nach New York haben ihn seine Auftritte | |
gebracht. Es macht ihn froh, sagt er, der Welt auf diesem Weg ein Stück | |
seiner kolumbianischen Heimat zu zeigen. | |
21 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Philipp Eins | |
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