# taz.de -- Demonstration gegen Rassismus: Neuer Schwung für Flüchtlinge | |
> Mindestens 1.800 Menschen gingen am Samstag gegen Rassismus auf die | |
> Straße - auch ehemalige Bewohner des Oranienplatzes und der | |
> Gerhart-Hauptmann-Schule. | |
Bild: In den vergangenen Monaten war das "Haus der 28 Türen" auf dem Oranienpl… | |
Zufrieden schaut sich Turgay Ulu auf dem Spreewaldplatz nahe des Görlitzer | |
Bahnhofs um. Der Platz ist voller Demonstranten – nach Angaben der Polizei | |
sind 1.800 gekommen, nach Angaben der Veranstalter 4.000. Viele von ihnen | |
tragen Fahnen und Transparente. Musik schallt über den Platz; über ein | |
Megafon werden Ansagen gemacht. Auch Ulu hat eine rote Fahne mit der | |
Aufschrift „Refugee Strike“ in der Hand. Er ist ehemaliger Bewohner des | |
früheren Protestcamps am Kreuzberger Oranienplatz und wohnt derzeit mit 44 | |
weiteren Flüchtlingen in der früheren Gerhart-Hauptmann-Schule. | |
Vor etwa einem Jahr habe er angefangen, die heutige Großdemonstration gegen | |
Rassismus mit anderen Vereinen und AktivistInnen zu planen, erzählt er. | |
„Der Oranienplatz war Zentrum des deutschlandweiten Protests gegen die | |
menschenunwürdige Asylgesetzgebung“, sagt der Flüchtlingsaktivist, der in | |
der Türkei als Journalist gearbeitet hat, bevor er 15 Jahre wegen | |
politischer Arbeit im Gefängnis einsaß. „Mit der Demonstration wollen wir | |
unseren Protest in die Breite tragen.“ | |
Gemeinsam mit rund 80 anderen Unterstützern haben sich die Geflüchteten um | |
Turgay Ulu zu der neuen Kampagne „My right is your right!“ zusammengetan, | |
um am Globalen Tag gegen Rassismus für eine menschlichere Asylpolitik in | |
Deutschland und Europa auf die Straße zu gehen. Unter anderem fordern sie | |
die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht sowie den Stopp der | |
Lagerunterbringung und aller Abschiebungen. Auch für ein Bleiberecht, | |
Bildung, Arbeitsmöglichkeiten, eine Krankenversorgung und frei gewähltes | |
Wohnen für Geflüchtete setzen sie sich ein. | |
Es ist nicht nur ein Protest gegen derzeitige, sondern auch gegen | |
zukünftige Missstände: Die Bundesregierung plant zurzeit mit dem „Gesetz | |
zur Neugestaltung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ eine | |
Verschärfung des Asylgesetzes. Unter anderem soll die Abschiebehaft | |
ausgeweitet und durch Aufenthalts- und Einreisesperren die geplante | |
Bleiberechtsregelung ausgehebelt werden. Das Gesetz soll im Sommer 2015 in | |
Kraft treten. | |
## Den Stempel aufgedrückt | |
Zu den Unterstützern der „My right is your right!“-Kampagne gehören | |
Theatermacher, Juristen, Aktivisten, Nachbarschaftsvereine, Gewerkschafter | |
und Kirchenvertreter – ebenso divers sind die Redebeiträge und Transparente | |
auf der Demo. Der Marsch führt unter dem Motto „Auf der Spur rassistischer | |
und kolonialer Orte“ zur Mohrenstraße, deren Name stark umstritten ist, und | |
von dort aus zum Humboldtforum, das mit seiner geplanten ethnologischen | |
Ausstellung in der Kritik steht. Jedem dieser Orte drücken die Aktivisten | |
einen selbst gefertigten Stempel mit der Aufschrift „Name it racism“ auf. | |
Als die Protestierenden an der besetzten Schule in der Ohlauer Straße | |
vorbeikommen, werden die Demonstranten lauter. „Was im Grundgesetz zur | |
Gleichheit steht, wird nicht immer umgesetzt“, ruft eine Aktivistin der | |
Kampagne den Protestierenden zu. „Die Vorurteile in den Köpfen sind auch | |
ohne gewalttätige Handlungen gefährlich“, fügt sie an. „Flüchtlinge in | |
Deutschland sind permanent Alltagsrassismus ausgesetzt“. | |
Turgay Ulu ist zusammen mit anderen Flüchtlingen vom O-Platz noch immer | |
unter den Demonstranten. Etwa 200 der Oranienplatz-Flüchtlinge lebten seit | |
der Räumung des O-Platzes im April 2014 obdachlos in der Stadt, berichtet | |
Ulu. Die ursprünglich für den 19. März geplante Räumung der | |
Gerhart-Hauptmann-Schule sei ausgesetzt worden; drei Gerichtsentscheidungen | |
stünden noch aus. Statt der Räumung hat Ulu ganz andere Ideen: „Aus der | |
Schule wollen wir ein internationales Refugee Center machen“, sagt er. „Wir | |
wollen einen Ort der Begegnung schaffen, wo man diskutieren und musizieren | |
kann.“ Einen Anfang in punkto Begegnung hat die Demonstration vielleicht | |
schon gemacht – und neuen Schwung in die Berliner Flüchtlingsbewegung | |
gebracht. | |
Als es am späten Nachmittag zu regnen anfängt, sind Ulu und die anderen | |
Demonstranten immer noch auf der Straße. Um 17 Uhr geht die Demonstration | |
störungsfrei zu Ende. Nach dem Umzug hat die Kampagne zu Podiumsdiskussion, | |
Theater, Konzert und Party im Yaam geladen. | |
22 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Fanny Lüskow | |
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