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# taz.de -- Folge der Ukraine-Krise: Polen rüstet auf
> Die Angst vor Russland hat in Osteuropa militärische Konsequenzen:
> Bürgerwehren werden gegründet, Zivilisten lassen sich an Waffen
> ausbilden.
Bild: 14. März: Manöver der paramilitärischen Gruppe SJS Strzelec in Ostpole…
WARSCHAU ap | Zygmunt Wos winkt einer Gruppe amerikanischer Panzerfahrzeuge
hinterher, die gerade die Stadt Bialystok im Osten Polens verlässt. „Diese
Soldaten sollten hier bei uns bleiben und nicht zurück nach Deutschland
gehen“, sagt er. Unter dem Eindruck des Ukraine-Konflikts und der
Spannungen zwischen dem Westen und Russland wächst in Polen und anderen
Staaten die Angst vor dem starken Nachbarn und seinem Präsidenten Wladimir
Putin. Das führt so weit, dass Zivilpersonen militärisch ausgebildet werden
sollen.
Litauen zum Beispiel plant, die Wehrpflicht wieder einzuführen, und
instruiert darüber hinaus die Bevölkerung, wie sie sich im Falle eines
Krieges zu verhalten hat. Lettland hat angekündigt, ab dem kommenden Jahr
Studenten eine militärische Ausbildung zukommen zu lassen. Und in Polen
meldeten sich zahlreiche Menschen – Kaufleute, Ärzte, Anwälte –nach
Aufrufen der Regierung, sich militärisch schulen zu lassen. Zu frisch sind
in den baltischen Staaten noch die Erinnerungen an die Zeit der Besatzung
durch die Sowjetunion; bis zum Zusammenbruch der UdSSR 1990 dominierte
diese auch die politischen Verhältnisse in Polen.
„Es gibt ein Gefühl der Bedrohung in unserer Gesellschaft“, sagt die
Sprecherin des lettischen Verteidigungsministeriums, Aija Jakubovska.
Studenten an der Waffe auszubilden sei „eine Möglichkeit, unsere
Verteidigungsfähigkeit zu verbessern“. Vor allem Polen sieht sich
gefährdet. Das Land liegt 17 Autostunden vom Konfliktherd in der Ukraine
entfernt.
In den vergangenen Monaten hat Polen aufgerüstet, in die militärische
Ausrüstung investiert. Im Gespräch ist zum Beispiel der Kauf von Raketen
des Typs Tomahawk. In dem Land finden in diesem Jahr Manöver von 10.000
Nato-Soldaten sowie anderen Truppen statt. Das Land selbst verfügt über
eine 100.000 Mann umfassende Streitmacht sowie etwa 20.000 Reservisten.
## Wehrübung mit Abgeordneten
Dazu kommt eine Reihe von Bürgerwehren, die aus Angst vor Russland ihre
Aktivitäten verstärkt haben. Die Regierung in Warschau hat zu den etwa 120
paramilitärischen Gruppen inzwischen Kontakt aufgenommen, in den bisherigen
Beratungen ging es vor allem darum, wie die Freiwilligenverbände im
Ernstfall die polnischen Streitkräfte unterstützen können.
Parlamentspräsident Radek Sikorski rief alle Abgeordneten auf, im Mai an
einer Wehrübung teilzunehmen.
Auf einen ähnlichen Appell, den Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak an
alle Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren richtete,
meldeten sich bisher mehr als 2.000 Menschen. „Es sind gefährliche Zeiten,
und wir müssen tun, was wir können, um die Fähigkeit Polens zu verbessern,
das Land verteidigen zu können“, sagte Staatspräsident Bronislaw Komorowski
jüngst bei einem Besuch in einer Kaserne.
Polen ist seit dem 18. Jahrhundert mehrfach von Russland eingenommen
worden. Auch jetzt scheint Putin gezielt Drohungen gegen das Land zu
senden, er erklärte, in Polen würden „ukrainische Nationalisten“ außerdem
würden von dort aus Unruhen angezettelt. Erst kürzlich kündigte Russland
an, im Rahmen eines großen Manövers in der Exklave Kaliningrad, die an
Polen und Litauen grenzt, Kurzstreckenraketen des Typs Iskander zu
stationieren.
## Die Familie verteidigen
Das beunruhigt junge und ältere Polen. In der vergangenen Woche folgten
etwa 550 junge Leute dem Ruf zu einer Wehrübung. Mehrere Tage absolvierten
sie auf dem Militärstützpunkt Tarnowskie Gory im Süden des Landes
Schießübungen. Der Aufruf sei „absolut normal“, sagte der 35-jährige
Krystian Studnia, ein früherer Soldat. In Warschau schrieb sich unterdessen
der 23-jährige Mateusz Warszczak in einem Rekrutierungszentrum ein: „Ich
möchte bereit sein, meine Familie, meine Verwandten vor Gefahren zu
verteidigen.“
Der 58-jährige Arzt Wojciech Klukowski hat bereits im September mit
Freunden eine Bürgerwehr in Stettin (Szczecin) an der Oder ins Leben
gerufen, die etwa 50 Mitglieder hat. „Wir fühlen uns nicht vollständig
sicher“, betonte er. „Viele Leute wollen sich ausbilden lassen, um ihr
Zuhause, ihren Arbeitsplatz, ihre Familien verteidigen zu können.“
7 Apr 2015
## AUTOREN
Monika Scislowska
## TAGS
Russland
Osteuropa
Aufrüstung
Ukraine-Krise
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Lesestück Recherche und Reportage
Boris Nemzow
Journalist
Polen
Ostukraine
Separatisten
Amnesty International
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