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# taz.de -- Premiere "Endlich Kokain" II: Lottmanns Erläuterungen
> Was passiert, wenn ein Rezensent sich plötzlich neben dem Autor der
> Vorlage wiederfindet – und der so gerne mal eine Rezension schriebe.
Bild: Noch schüchtern und tapsig: Hauptfigur Stephan Braum bei der Premiere vo…
BREMEN taz | Neben dem Autor zu sitzen, diese Gunst hatte sich die
Pressestelle des Bremer Theaters ganz spontan für die solo erschienene taz
einfallen lassen. Der verehrte und mit Hemd sowie Pullunder adrett
bekleidete [1][Joachim Lottmann], dessen jüngster Roman [2][//:„Endlich
Kokain“], vom Dramaturgen Tarun Kade für die Bühne zurechtgemacht, gespielt
wird, wirkt fast kindlich aufgeregt.
Er möchte unbedingt eine Theaterkritik schreiben und sie in der taz
unterbringen: Ob das möglich sei? Ja, klar. Er sei ja schließlich selbst
Lottmann, gibt er zu verstehen – als würde ihn nicht jeder erkennen –, also
selbst der Autor des Romans … das könne komisch wirken, unanständig. Wie
Selbstlob. Ja, Lottmann ist in Wirklichkeit Moralist.
Also wird verabredet, den Text, der ihm ein Anliegen ist, unter einem
derart bescheuerten Pseudonym zu veröffentlichen, dass alle denken, das sei
ein Witz des taz.provinz-Redakteurs, um so zu tun, als sei er Lottmann, der
so tut, als schreibe er unter falschem Namen eine völlig ungebührliche
Kritik: So ein richtig stumpfes Pseudonym, wie es Loachim Jottmann wäre,
oder Stephan Braum, also wie die Hauptfigur des Romans, oder auch –
[3][Jolandi Stützer.]
## Verbotenes Phone
So macht sich Lottmann alias Stützer ans Werk, macht Notizen, bringt sogar,
verbotenerweise, um das Eingangsbild zu knipsen, eine Spiegelwand, die dem
Publikum anstelle eines Vorhangs vorgehalten wird, sein iPhone in Anschlag;
er filmt und er erläutert, dass nämlich der Schauspieler Matthieu Svetchine
Stephan Braum sei, also die Hauptfigur, und später, dass das Hamburger
Post-Riot-Grrl-Duo Zucker, gerade „Lucy in the Sky with Diamonds“ covert.
Die restliche Musik ist origineller und lohnt allein den Gang ins Theater:
Zucker lieben entrückt-dissonanten zweistimmigen Gesang. Das lässt die
einen schweben, die anderen wüten. So geht gute Musik.
Jenseits davon ist der Abend ein ausgiebiges, ständig accelerierendes Solo
für den großartigen Svetchine, bleibt jede Interaktion sprachschwallende
Behauptung: Braum nimmt Koks und dadurch ab – das ist, was passiert.
Dabei spricht Svetchine von Kunst, Paris und von Sex, und legt in diese in
redseligem Gebrauchsdeutsch gefassten Erfahrensbehauptungen so viel Fieber
und Emphase, dass er tatsächlich über die Ödnis dieser Prosa triumphiert;
auch weil Pedro Martins Bejas Regie durch klug-effektvollen Licht- und
Videoeinsatz ein beeindruckendes Panorama eines sich auflösenden
Bewusstseins entwirft.
Nach einer Stunde – es dauert mindestens fünf – möchte man die wachsende
Aufgeregtheit nicht länger teilen müssen. Letztlich funktioniert das Ganze
als eher [4][moralisierendes] Anti-Drogen-Stück: So langweilig wirst du
durch Kokain, mein Kind!
Müde verebbt der freundliche Applaus, gerade noch schafft es Lottmann für
eine Verbeugung auf die Bühne, vergisst Sakko und Block auf dem Sitz.
Beides wird dem verlegen lächelnden Intendanten in die Hand gedrückt, der
nie die Premierenfeier schwänzt.
29 Apr 2015
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Lottmann
[2] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
[3] /Premiere-Endlich-Kokain-I/!159077/
[4] http://www.dhs.de/suchtstoffe-verhalten/illegale-drogen/kokain.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Theater Bremen
Premiere
David McAllister
Coming-Out
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