| # taz.de -- Recht auf Wohnung: Das Haus, das nicht sein darf | |
| > Eine Bremer Künstlerin baute nach amerikanischem Vorbild ein | |
| > superbilliges Mobilheim für Obdachlose. Nur aufstellen darf sie es nicht. | |
| Bild: Rohr an Rohr - ein Häuschen wird bald fertig sein | |
| BREMEN taz |Alexandra Bremer hat ein Haus gebaut – für Obdachlose. Es steht | |
| auf Rollen, ist nicht größer als ein einziger Autoparkplatz und kostete sie | |
| nicht mal 100 Euro. Wände und Dach sind aus Alu, aus alten Schildern gebaut | |
| und dem, was für andere Schrott war, Abfall. Die Künstlerin hat alles bunt | |
| angemalt, zwei kleine Fenster eingebaut, dazu eine Tür, die mal ein | |
| Kühlschrank war. Drin stehen kann man nicht wirklich, dafür gibt es aber | |
| schon eine Matratze, Regale, dazu Taschen für Klamotten, Lichterketten, ein | |
| Radio und, außen drauf, sogar eine Solardusche. Nur noch keine Genehmigung. | |
| „Es ist fast unmöglich, eine zu bekommen“, klagt Bremer. | |
| In den USA gibt es solche Minihäuser schon lange, einige von ihnen sind | |
| sogar kleiner als das Bremer Modell, auf einer alten hölzernen Tür | |
| aufgebaut. Mancherorts gibt es richtige kleine, sehr bunte Siedlungen. | |
| Streetworker Jonas Pot d’or von der Inneren Mission wollte diese Häuschen | |
| schon lange hierher holen, erzählt er. Er findet die Idee „super“ und hat | |
| sie, wie Bremer, im Internet gesehen. | |
| Nun hat die Frau aus eigenem Engagement einen Prototyp gebaut, Spenden | |
| gesammelt und Sperrmüll, Freunde angesprochen, ein wenig gearbeitet, um | |
| Baumaterial zu bekommen. Würde man alles kaufen, die Arbeitszeit bezahlen, | |
| könnte so ein Häuschen ihrer Schätzung nach immer noch für 2.000 Euro zu | |
| haben sein. „Ich möchte helfen“, sagt die Baumeisterin, und dass sie, ohne | |
| die Hilfe ihres Vaters, vielleicht selbst auch schon obdachlos geworden | |
| wäre. | |
| Pot d’or wollte das Minihaus hinter dem Güterbahnhof aufstellen, wo eh oft | |
| Obdachlose übernachten, in der Nähe der Wagenburg „Querlenker“. Das geht | |
| gar nicht, beschied ihm die Stadt, die erst einen Verein dafür gegründet, | |
| Verantwortliche benannt haben wollte, und das Stadtamt müsse auch noch | |
| mitreden. „Das ist total unrealistisch“, sagt Pot d’or – Obdachlose, die | |
| erst mal einen Verein gründen? Auch auf Parkplätzen will die Stadt das | |
| Mobilheim nicht sehen, weil: Die sind ja für Autos da! Und dann die | |
| Versicherung, Sie wissen schon. | |
| Noch steht das kleine Haus also in der Neustadt, in jener Garageneinfahrt, | |
| in der es gebaut wurde. Und die Nachbarn da, erzählt Bremer, hätten | |
| durchweg positiv reagiert, manche wollten auch helfen, das Häuschen bei | |
| sich am Straßenrand dulden und morgens Brötchen an die Tür hängen. Jetzt | |
| hoffen Bremer und Pot d’or, dass sich jemand findet, bei dem das Häuschen | |
| eine Zeit lang stehen darf – interessierte BewohnerInnen gäbe es jedenfalls | |
| schon, sagen sie. | |
| Für Bremer ist so ein Minihaus ein guter Weg, Bedürftige langsam wieder zu | |
| resozialisieren, ehe sie wieder in eine eigene Wohnung ziehen können. Und | |
| wenn dass dann geschafft ist, sollen dann eben andere darin wohnen dürfen. | |
| Für Pot d’or ist so ein Minihaus jedoch nicht einfach nur eine billige | |
| Unterkunft, sondern nur eine „Übergangslösung“. Eine, die besser ist, als | |
| das Schlafen neben den Gleisen, an einer Rampe des Güterbahnhofs. Eine die, | |
| wenn schon kein Bad oder Klo, so doch zumindest einen „ganz kleinen | |
| gesicherten Schutzraum bietet“. | |
| Außerdem ist das bunte Häuschen eine kreative Art, auf die „arge | |
| Wohnungsnot“ in Bremen hinzuweisen, sagt er. Bedürftige und Obdachlose | |
| stünden ja bei der Vergabe von Wohnungen „ganz am Ende der Schlange“, auch | |
| Nischen wie Schalterhallen würden heutzutage oft dichtgemacht. | |
| In Bremen gibt es schätzungsweise etwa 250 Obdachlose, die draußen leben, | |
| und noch mal so viele Bedürftige, die bei Freunden unterkommen oder | |
| anderswo. Vor zehn Jahren, sagt Pot d’or, da konnten Obdachlose in vier bis | |
| sechs Wochen in einer Wohnung unterkommen. Heute, sagt der Sozialarbeiter, | |
| ist es „super“, wenn es mal nur vier bis sechs Monate dauert. Dabei steht | |
| das „Recht auf Wohnen“ sogar in der Landesverfassung. | |
| Zwar hat die Stadt „Belegwohnungen“, doch es sind nur noch 500, sagt Pot | |
| d’or, gerade mal 100 für alleinstehende Wohnungslose. 2012 gab’s wenigstens | |
| noch rund 1.000 solcher Wohnungen, auch wenn sie oft in schlechtem Zustand | |
| waren, wie die Innere Mission erläutert. Frau Bremer würde gern noch ein | |
| paar mehr solcher Häuschen bauen. Wenn sie denn dürfte. | |
| 1 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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