# taz.de -- TTIP CETA TISA: "Rekommunalisierung ist ausgeschlossen" | |
> Interview mit Jürgen Buxbaum, einem Vertreter der Internationalen | |
> Gewerkschaftsorganistion PSI, über die Chancen einer Rekommunalisierung | |
> nach dem Abschluss der Ceta- und TASA-Verhandlungen | |
Bild: Jürgen Buxbaum, Mitarbeiter der internationalen Gewerkschaftsorganisatio… | |
taz: Die Bremer SPD will die vor 20 Jahren privatisierte Müllabfuhr | |
rekommunalisieren – das aber in zwei Schritten. Um die an das | |
Privatunternehmen verlorene Kompetenz langsam zurück zu gewinnen, soll die | |
Stadt sich zunächst als Junior-Partner beteiligen, dann in zehn Jahren voll | |
rekommunalisieren. Geht das – mit Tisa? | |
Jürgen Buxbaum: Die Entscheidung der Rekommunalisierung wäre m. E. gut, | |
aber nicht in zwei Schritten. Nach den Dokumenten, die bisher über TiSA | |
durchgesickert sind, würde die sogenannte Stillstandsklausel den Stand der | |
Liberalisierung von Dienstleistungen zementieren. Eine Rekommunalisierung | |
ist ausgeschlossen. Deshalb muss man schnell handeln, d.h. bevor TiSA in | |
Kraft tritt. | |
Was würde das TISA-Abkommen, wenn es wie derzeit von den USA betrieben | |
wird, dazu sagen? Was bedeutet die „Stillstands- und die Ratchet-Klausel“, | |
und was weiß man öffentlich darüber? | |
Wir, Public Services International (PSI) und die von uns beauftragten | |
Wissenschaftler in Europa und Nordamerika, werten sorgfältig alle Dokumente | |
aus, die über die Verhandlungen durchsickern und sind wie viele andere | |
alarmiert über die Absichten, die nach und nach bekannt werden. Die | |
Stillstandsklausel, z. B., verhindert die Rekommunalisierung von | |
(teil-)privatisierten öffentlichen Dienstleistungen und bindet sogar | |
zukünftig demokratisch gewählte Regierungen, d. h. sie schränkt die | |
Freiheitsrechte der Bürger ein. Die Ratchet-Klausel erklärt öffentliche | |
Entscheidungen über Dienstleistungen nur dann für zulässig, „wenn sie zu | |
mehr Vertragskonformität führen“ und macht selbst zukünftige Beschlüsse zu | |
Liberalisierungen unumkehrbar. | |
Warum sind die TISA-Verhandlungspositionen nicht transparent und | |
öffentlich? | |
Die Verhandlungsführer wissen genau, dass es einen Aufschrei geben würde, | |
wenn sie ihre Pläne auf den Tisch legen würden. In Interviews von führenden | |
Verhandlern wird deutlich, dass es nur am Rande um den Abbau von Zöllen | |
geht. Im Zentrum steht der „Abbau von Handelshemmnissen“. Hemmnisse für den | |
privaten Handel mit Dienstleistungen aller Art sind insbesondere | |
öffentliche Regulierungen, z. B. zum Arbeits-, Verbraucher- und | |
Umweltschutz, Normen für Wasserqualität, Sondermüll und Kraftwerke, | |
Lizenzen für Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, usw. Es wird in den | |
Verhandlungen eine „Erforderlichkeitsprüfung“ unter dem Gesichtspunkt | |
privater Handelsinteressen gefordert. D. h. mit TiSA entscheiden nicht mehr | |
die Bürger und gewählte Politiker, sondern Kommissionen, in denen Konzerne | |
sitzen. So etwas lässt sich nur in Geheimverhandlungen ausmachen. | |
Warum werden die Verhandlungen über den Dienstleistungsbereich nicht im | |
Rahmen der Welt-Handels-Organisation WTO geführt? | |
Die früheren Verhandlungen im Rahmen der WTO sahen eine größere | |
Öffentlichkeit vor und die Entwicklungsländer hatten zumindest die | |
Möglichkeit, mitzureden oder sich gegen unzumutbare Forderungen westlicher | |
Länder und Konzerne zu sperren, und das taten sie auch zum Ärger | |
insbesondere der EU und der USA. Die WTO bot immerhin die, wenn auch | |
schwierige, Möglichkeit, Verpflichtungen wieder rückgängig zu machen. Die | |
derzeitigen Verhandlungen über TiSA, CETA, TTIP und TPP werden dagegen nur | |
geheim und in einer Koalition der Willigen geführt, die heute bereits die | |
Mehrheit des Welthandels mit Dienstleistungen kontrollieren. Dadurch kann | |
man interne Vereinbarungen treffen, nach denen andere sich richten müssen, | |
ob sie wollen oder nicht. Manche vermuten, man wolle, wenn die Spielregeln | |
erst mal feststehen, die nicht Beteiligten später ins Boot holen. Aussagen | |
der Amerikaner weisen aber auch auf eine andere geo-strategische | |
Kalkulation hin, nämlich auf die Möglichkeit des Entstehens neuer Blöcke, | |
die in Konfrontation zueinander stehen. Die BRIC-Länder z. B., die von den | |
Verhandlungen ausgeschlossen sind, werden reagieren und eigene Großprojekte | |
vereinbaren, bzw. sie sind bereits dabei. China wirbt in Asien um Abkommen | |
mit Japan, Australien und Neuseeland, von denen die USA ausgeschlossen sein | |
sollen. | |
Was ist die US Coalition of Service Industries (CSI) für eine Vereinigung, | |
die 2012 die Initiative für die TISA-Verhandlungen ergriffen hat? | |
Die CSI ist die Vertretung so ziemlich aller bedeutenden amerikanischen | |
Handelskonzerne, von denen Walmart vielleicht bei uns am bekanntesten ist. | |
Der Initiative der CSI für Verhandlungen im kleinen Kreis der Willigen | |
außerhalb der WTO hat sich sehr schnell die Global Services Coalition GSC | |
angeschlossen, eine internationale Lobbyvereinigung großer privater | |
Dienstleistungskonzerne. | |
Als Beispiel dafür, wie internationales Recht eine regionale kommunale | |
Initiative verhindert hat, wird der Versuch der kanadischen Provinz New | |
Brunswick aus dem Jahre 2004 erwähnt, eine kommunale KFZ-Versicherung mit | |
Vorteilen für Arme und Bedürftige anzubieten. Das wurde untersagt – auch | |
ohne TISA. Auf welcher Rechtsgrundlage? | |
Bereits die GATS-Verhandlungen der 1990-er Jahre, die von uns und anderen | |
kritisiert wurden (und über die TiSA im negativen Sinne noch weit hinaus | |
geht), beschränkten die Möglichkeiten von Staaten, vorteilhafte | |
Dienstleistungen für ihre Bürger einzuführen. Kanada hatte damals den | |
Fehler gemacht, nur bestehende gemeinnützige Versicherungen für Bürger in | |
vier Provinzen zu schützen. Als eine andere Provinz eine solche | |
Versicherung mit Vorteilen vor allem für Ältere und Ärmere einführen | |
wollte, haben dies private Versicherer mit Hinweis auf das GATS-Abkommen | |
erfolgreich verhindert. Beispiele dieser Art zeigen, wohin die Reise geht. | |
Man sagt, es geht den amerikanischen Unternehmen darum, zum Beispiel in | |
Deutschland Gesundheitsdienstleistungen nach den standards einer | |
amerikanischen Fliame etwa in Paraguay anzubieten. Trifft das Bild? | |
Laut dem amerikanischen WTO-Botschafter M. Punke ist Standard, dass jedes | |
TiSA-Teilnehmerland mindestens die Dienstleistungen für private Anbieter | |
öffnet, die es bereits in irgendeinem anderen bilateralen Abkommen geöffnet | |
hat. Danach müsste für alle TiSA-Länder gelten, was bereits für die Türkei | |
gilt (Marktöffnung für Krankenhausdienstleistung und medizinische | |
Versorgung) und für Panama (Marktöffnung für Grund- und Sekundarschulen) | |
und für Taiwan (Bau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen) und die USA | |
selbst natürlich (Verpflichtung der Marktöffnung für Theater, Museen, | |
Büchereien, Radio, TV, usw.). | |
Warum soll China bei einem Tisa-Abkommen vor der Tür bleiben? | |
Experten interpretieren die bisherige Strategie mit zwei Möglichkeiten. | |
Einerseits hat sich China in bisherigen WTO-Verhandlungen bei einigen | |
Themengebieten allzu störrisch gezeigt, und man will zuerst Regeln | |
festlegen, die für westliche Konzerne günstig sind und China erst dann | |
„hinzubitten“. Es gibt aber auch Äußerungen von amerikanischer Seite, die | |
dafür sprechen, dass man dies für schwer möglich hält und davon ausgeht, | |
dass China und andere wichtige Länder eigene Handelsblöcke errichten | |
werden. Dafür scheint man sich rüsten und die weltweiten Märkte für den | |
Handel mit Dienstleistungen rechtzeitig nach eigenen Regeln gestalten zu | |
wollen. In jedem Fall sind die derzeitigen Geheimverhandlungen im Club der | |
Willigen eine große Gefahr, denn sie bedeuten nicht nur einen gewaltigen | |
Machtzuwachs privater Konzerne gegenüber der Demokratie, sondern auch einen | |
Rückschritt gegenüber dem 1947 vereinbarten freien Welthandel. Neue Blöcke | |
sind nicht das, was die Welt braucht. | |
Was würden sie der Bremer SPD raten? | |
Ich würde im Interesse der Bürger jeder Kommune raten, öffentliche | |
Dienstleistungen nicht zu privatisieren, bzw. nicht zu zögern, sie zu | |
rekommunalisieren. Von der SPD würde ich erwarten, dass sie alles tut, um | |
den Schaden abzuwenden, der den Bürgern und der Demokratie durch die | |
sogenannten Freihandelsabkommen droht. Aber von den führenden | |
Sozialdemokraten ist da wohl leider nicht viel zu erwarten, sie haben sich | |
festgelegt, wo sie stehen. | |
Jürgen Buxbaum, 61 Jahre alt, Soziologe, seit 19 Jahren für internationale | |
Gewerkschaftsorganisationen in verschiedenen Ländern tätig, bei PSI | |
weltweit zuständig für Gewerkschaften im Bereich öffentliche Verwaltung, | |
Verhandlungen mit multinationalen Konzernen und die globale Kampagne gegen | |
Korruption. | |
10 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
## TAGS | |
Energiewende | |
Schwerpunkt TTIP | |
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