Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Befreiungstheologe über Óscar Romero: „Ein politischer Heiliger…
> Vor 30 Jahren führte er den katholischen Klassenkampf an. Auch gegen Rom.
> Heute ist der 76-jährige Leonardo Boff erstmals zufrieden mit dem Papst.
Bild: Óscar Romero wird am 23. Mai in San Salvador seliggesprochen.
taz: Herr Boff, zur Seligsprechung von Óscar Romero in El Salvador wollen
neun Staatschefs und mindestens 260.000 Gläubige anreisen. Welche Folgen
hat dieses Ereignis für die katholische Kirche?
Leonardo Boff: Die Seligsprechung von Óscar Romero kommt einer neuen
Interpretation des Martyriums gleich. Nach der traditionellen Doktrin und
den Kriterien der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse wird
jemand ein Märtyrer, wenn er für seinen Glauben oder aufgrund seiner Treue
zum Katholizismus gestorben ist. Im Fall Romeros ist diese Regel geändert
worden: Auch jemand, der mit seinem Leben die Armen verteidigt, ist heilig.
Was bedeutet diese Neuinterpretation des Martyriums für Lateinamerika?
Theologisch ausgedrückt bedeutet dieses Ereignis, dass Óscar Romero kein
Märtyrer des Glaubens oder der Kirche ist. Romero ist ein Märtyrer des
Reich Gottes, das größer ist als die Kirche und nicht mit ihr gleichgesetzt
werden kann. Diese Bedeutung erklärt auch, warum so viele Staatsoberhäupter
an der Zeremonie der Seligsprechung teilnehmen. Endlich haben wir einen
politischen Heiligen, einen Heiligen der Befreiungstheologie für die Armen!
Papst Franziskus hat auch die Blockade für die Seligsprechung des „Roten
Bischofs von Recife“, Dom Hélder Câmara, aufgehoben. Hat der Papst auch in
diesem Fall Regeln außer Kraft gesetzt?
Für Dom Hélder gilt dieselbe Regel wie für Romero. In Brasilien gilt Dom
Hélder als „ein Märtyrer, der nicht ermordet wurde“. Während der
Militärdiktatur von 1964 bis 1985 machten die Generäle ihn mundtot. Dom
Hélders Name tauchte nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, weswegen viele
Leute dachten, er sei gestorben. Dom Hélder hat immer wieder Folterungen
und Morde der Militärs denunziert, besonders im Ausland.
Feiert die Befreiungstheologie in Lateinamerika durch die Seligsprechungen
von Óscar Romero und Dom Hélder Câmara eine glückliche Wiederauferstehung?
Die Befreiungstheologie war nie tot, schließlich hat die Unterdrückung der
Armen nicht aufgehört. Und Dom Hélder gilt als einer der Gründer der
Befreiungstheologie. Noch vor Gustavo Gutiérrez hat er auf einer
Versammlung lateinamerikanischer Bischöfe1967 in Montevideo erklärt, dass
wir keine Theologie der Entwicklung, sondern der Befreiung bräuchten.
Wirtschaftliche Entwicklung, so damals Dom Hélder, bringe immer Reichtum
auf der einen Seite und große Armut auf der anderen.
Diese Situation erklärt, warum für ihn eine Befreiungstheologie für soziale
Gerechtigkeit so wichtig war. Doch die Propheten, so wie Dom Hélder, sind
den Theologen stets voraus. Er ist ein politischer Heiliger wie Romero,
weil er davon überzeugt war, dass Gott immer auf der Seite der Armen,
Unterdrückten, Bedürftigen und Witwen steht.
Verfügt die Befreiungstheologie mit dem lateinamerikanischen Papst
Franziskus erstmals über einen einflussreichen Fürsprecher im Vatikan?
Mit dem Papst ziehen in den Vatikan neue Gewohnheiten ein, er versteht sich
als einfacher Mann, der gern mit anderen einfachen Menschen Zeit verbringt.
Mit diesen Eigenschaften gibt er der strengen Institution Kirche ihr
menschliches, barmherziges Antlitz zurück. Er ist der erste Papst, der aus
Lateinamerika kommt, wo die Mehrheit der Katholiken lebt. Mit ihm steht die
Befreiungstheologie wieder im Mittelpunkt des Pontifikats.
Er sucht die Nähe zu den Armen, er umarmt sie und küsst sie, weil sie nach
seinen Worten das Fleisch Christi sind. Das Treffen von Franziskus mit
Gustavo Gutiérrez im September 2013 ist für mich ein deutliches Zeichen
dafür, dass der Papst die Befreiungstheologie wiederbeleben will.
23 May 2015
## AUTOREN
Astrid Prange
## TAGS
Religion
Kirche
Oscar Romero
Mittelamerika
Befreiungstheologie
El Salvador
Papst Franziskus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verfahren zu Korruption in El Salvador: Ex-Präsident Flores vor Gericht
Der frühere Präsident von El Salvador muss vor Gericht. Francisco Flores
werden Unterschlagung und Bereicherung vorgeworfen.
Befreiungstheologie im Vatikan: Das Stöhnen der Erde
Der deutsch-brasilianische Theologe Leonardo Boff sieht in der Enzyklika
von Papst Franziskus ein Tribut an die Kirche Lateinamerikas.
Seligsprechung von Óscar Romero: Hunderttausende auf den Straßen
Der vor 35 Jahren erschossene Befreiungstheologe wurde in El Salvador
seliggesprochen. Experten hoffen, dass dies das politisch noch immer
gespaltene Land eint.
Befreiungstheologie in Lateinamerika: Gesegnete Revolution
Vor 35 Jahren wurde Erzbischof Óscar Romero erschossen. Nun wird er
seliggesprochen. Feiert Lateinamerika jetzt die Rückkehr
sozialrevolutionärer Priester?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.