Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: In der Wohlfühloase
> Die Fans von Schalke 04 sind verzweifelt. Sie kündigen Streiks an. Aber
> die Vereinsführung behauptet, der Klub sei so erfolgreich wie nie.
Bild: Ist mit seiner Arbeit zufrieden: Clemens Tönnies salutiert dem Fußballg…
Bisher hat der im Winter vom Deutschen Fußball-Bund veröffentlichte Film
„Die Mannschaft“ kaum Spuren in der kulturellen Umgebung des Fußballs
hinterlassen. Zu belanglos ist seine Machart, zu plump die Botschaft.
Aber vielleicht kann das Werk doch noch Bedeutung gewinnen, wenn Clemens
Tönnies, der Aufsichtsratschef von Schalke 04, den PR-Film aufmerksam
betrachtet. Der Fleischfabrikant hat in den vergangenen Wochen nämlich den
Begriff „Wohlfühloase“ etabliert, um die lasche Arbeitshaltung der
Gelsenkirchener Profis zu kritisieren. Betrachtet man „Die Mannschaft“,
bekommt man eine Art Idealbild der Wohlfühloase für Fußballer vorgeführt.
Und gleich noch dazu, wie fruchtbar ein solches Umfeld sein kann.
Auf Schalke aber werden andere Werte gepflegt, sich wohlfühlen ist nichts
für Malocher. Daher haben sie Kevin-Prince Boateng und Sidney Sam
suspendiert, die anscheinend ein allzu bequemes Leben führten, Marco Höger
haben sie eine einwöchige Denkpause verordnet, und am Samstag wollen sich
jetzt auch die Fans schonen. Mit dem Slogan „Wohlfühloase Schalke – Heute
haben wir nur die Hälfte Bock!“ wird dazu aufgerufen, während der ersten
Halbzeit der Partie gegen Paderborn zu schweigen. Es ist die Eskalation
einer Krise, die seit Wochen schwelt. Oder muss man eher sagen: seit
Jahren?
So klingt jedenfalls das [1][Pamphlet zum Boykottaufruf], das von beiden
großen Schalker Fanverbänden und 185 Fanklubs unterzeichnet wurde. „Die
aktuelle Entwicklung unseres Vereins in sportlicher wie aber auch in
vereinspolitischer Hinsicht macht uns allerdings einfach sprachlos“, heißt
es in dem Schreiben. Man müsse „die Personen zur Verantwortung ziehen,
welche uns über einen sehr langen Zeitraum in diese bestehende Situation
mit ihren Strukturen gebracht haben“.
Damit sind neben Manager Horst Heldt vor allem Tönnies und Finanzvorstand
Peter Peters gemeint, und das ist erstaunlich. Denn nach Darstellung dieser
Herren ist der Klub erfolgreich wie nie. Manager Heldt wies noch mal
explizit darauf hin: „Mit der sogenannten Wohlfühloase haben wir dreimal
die Champions League erreicht – und dort dreimal das Achtelfinale.“
## Ein charakterlich zweifelhafter Kader
Allerdings waren all diese Erfolge durchsetzt von dem unterschwelligen
Gefühl, dass etwas schiefläuft. Trainerdiskussionen, Gazprom-Deal und
Putin-Freundschaft, überteuerter und charakterlich zweifelhafter Kader,
unattraktiver Fußball und umstrittener Aufsichtsratschef – glücklich waren
die Schalker allenfalls in einzelnen Momenten. Der Erzfeind aus Dortmund
war selbst in den guten Zeiten immer noch ein Stück besser, aufregender,
bewundernswerter.
Dieser Befund ist nicht zu unterschätzen, und nun drohen die Dortmunder
Schalke selbst in ihrer furchtbarsten Krisensaison noch zu überholen.
Trainer Di Roberto Matteo sprach deshalb lieber von einer „rosigen
Zukunft“, schließlich gebe es große Nachwuchstalente. Solche Behauptungen
schüren indes die Wut, statt Zuversicht zu verbreiten. In ihrem Pamphlet
beklagen die Fans, „immer wieder mit nichtssagenden und belanglosen
Statements eingedeckt zu werden, die so vorhersehbar und an der Realität
vorbei sind, wie sie nur sein können“.
Auf Schalke hat sich ein Gefühl der Verzweiflung etabliert, denn es gibt,
abgesehen von ein paar Spielern, keine Instanz mehr im Klub, die das
Vertrauen der aktiven Fans genießt. Und die Spieler wähnt man ja in der
Wohlfühloase.
16 May 2015
## LINKS
[1] http://ultras-ge.de/wohlfuehloase-schalke-heute-haben-wir-nur-eine-haelfte-…
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Fußball
Fans
Horst Heldt
Clemens Tönnies
Schalke 04
Fußball-Bundesliga
Fußball
Schalke 04
Fußball
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aufstiegs-Club FC Ingolstadt: 11 Dinge, die man wissen muss
Die Stadt von Audi, Horst Seehofer, Frankenstein und den Schanzern fällt in
die Fußball-Bundesliga ein. Was erwartet uns?
Champions League Madrid – Schalke: Vier Tore sind zu wenig
„Wir sind glücklich, aber auch traurig.“ Das ist das Fazit des Trainers Di
Matteo. Die Schalker gewannen in Madrid 4:3 gegen Real – aber das reichte
nicht.
Vor dem Champions-League-Spiel: Schalke 04 hat es nicht so dicke
Der Verein droht wegen seiner Schulden den Anschluss an die Konkurrenz zu
verlieren. Tönnies kennt den Ausweg: freiwillige vierstellige Spenden.
Bilanz des Fußballjahres: Horst Heldt, der Precht-Adorno
Die Liga der Kicker und Denker, der Dichter und Schlenzer beweist:
Hauptsache, die Null steht. Eine ideengeschichtliche Bilanz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.