# taz.de -- Zeit-Geschäftsführer über freie Autoren: „Die meisten sind gut… | |
> Der „Zeit“-Verlag verdient gut, freie Autoren profitieren davon aber | |
> nicht wie gewünscht. Geschäftsführer Rainer Esser meint: Für „Die Zeit�… | |
> arbeiten, macht Freude. | |
Bild: Für ein 6.000-Zeichen-Porträt zahlt „Die Zeit“ freien Autoren 350 E… | |
sonntaz: Herr Esser, Sie dürften zusammen mit dem Geschäftsführer von | |
Landlust zu den am meisten Beneideten der Branche gehören. Seit 2003 hat | |
sich der Umsatz Ihres Verlags mehr als verdoppelt. Wie haben Sie das | |
erreicht? | |
Rainer Esser: Die Chefredaktion, die Redaktion und auch der Verlag haben | |
geholfen, Die Zeit stärker zum Glänzen zu bringen. Wir haben die Zeitung in | |
unserer Zielgruppe, das sind die Engagierten und Klugen, mit vielen guten | |
Themen, großartigen Autoren und sehr viel Präsenz in der Öffentlichkeit | |
stärker gemacht und verankert. Und wir haben um Die Zeit eine Familie aus | |
Dienstleistungen und zusätzlichen Angeboten für unsere Leser aufgebaut. | |
Der Zeit-Verlag hat Bücher, Weine, Reisen, Schülercamps und Konferenzen im | |
Angebot. Von 154 Millionen Euro Umsatz, die der Zeit-Verlag im Jahr 2012 | |
erwirtschaftete, machten diese Nebengeschäfte 36 Millionen aus. Wo sehen | |
Sie noch Lücken? | |
Wir entwickeln uns fortwährend weiter, und es gibt immer neue Ideen. | |
Zuletzt den Schülercampus und die Fußballseite. Vor etwa zwei Jahren haben | |
wir mit Zeit Leo ein Magazin für Kinder herausgebracht, in Kombination mit | |
der Kinderseite im Blatt. Die logische Folge war: Es gibt viele Eltern, die | |
wollen mal allein wegfahren, aber ihre Kinder sicher untergebracht wissen. | |
Also bieten wir ein Schülercamp an, in dem sie lernen und spielen. Jetzt | |
haben wir das Camp um Abiturvorbereitung erweitert. Wir schauen | |
fortwährend, wie wir Menschen, die Die Zeit lesen, in bestimmten | |
Lebenssituationen helfen können. | |
Sie helfen, indem Sie ein Schülercamp in Bad Godesberg mit 40 | |
Unterrichtsstunden für 1.895 Euro anbieten. | |
Es sind aufwendige Programme mit unterschiedlichen Preisen. | |
Sie sagen, Qualitätsjournalismus ist die Basis für den Erfolg. Meinen Sie | |
damit, dass die Leser einen guten Gegenwert für ihre 4,50 Euro bekommen? | |
Zum Qualitätsjournalismus gehört eine auch zahlenmäßig gut ausgestattete | |
Redaktion. Vor zehn Jahren arbeiteten bei der Zeit gut 100 Redakteure. | |
Heute haben wir mit der Onlineredaktion zusammen 207 Redakteure. Die | |
Redakteure müssen ausreichend Zeit und Mittel haben, Themen zu bearbeiten. | |
Es muss ein Klima des vertrauensvollen Kritisierens da sein, um sich | |
gegenseitig anspornen zu können. Ich glaube, dass uns das gut gelingt und | |
unsere Leser dies merken. | |
Alle jammern, der Qualitätsjournalismus gehe den Bach runter. Was können | |
Sie als Geschäftsführer tun, um ihn zu sichern? | |
Dass er den Bach runtergeht, dem stimme ich ausdrücklich nicht zu. Was | |
unser Haus angeht, kann ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammen | |
einiges machen, damit der Qualitätsjournalismus weiterblüht. Der Verlag | |
muss schauen, dass die Redaktion möglichst viele ihrer Ideen umsetzen kann. | |
Dafür braucht sie Unterstützung. Und ich meine nicht nur Geld. Der Verlag | |
ist der oberste Diener der Redaktion. | |
Wenn man als freie Journalistin mit Zeit-Redakteuren über Honorare und | |
Spesen spricht, meint man, es mit sehr, sehr armen Menschen zu tun zu | |
haben, die gern mehr zahlen würden, es aber nicht können. Passt das zu der | |
wirtschaftlichen Situation Ihres Hauses? | |
Wenn Sie das so schildern, klingt es tatsächlich traurig. Aber ist Ihnen | |
bewusst, dass Die Zeit eine der wenigen Zeitungen ist, die entgegen dem | |
Trend ihre Redaktion stark ausgebaut haben und heute deutlich mehr ausgeben | |
für Gehälter, Pauschalen und Spesen als vor zehn Jahren? | |
Die Zeit berichtet häufig über Themen wie Fair Trade oder Generation | |
Praktikum. Die Bedingungen aber, unter denen Die Zeit entsteht, stehen dazu | |
im Gegensatz. Für ein 6.000-Zeichen-Porträt zahlen Sie freien Autoren 350 | |
Euro, für ein 10.000-Zeichen-Interview, für das man mindestens drei Tage | |
braucht, 500 Euro. | |
Das ist das absolute Mindesthonorar, das aber häufig überschritten wird. | |
Die meisten Zeitungen, insbesondere taz, Süddeutsche oder Frankfurter | |
Rundschau, zahlen weniger. | |
Ihre Beispiele sind Tageszeitungen, das muss man unterscheiden. Die taz hat | |
nur ein sehr geringes Budget. Sie aber vermelden einen Umsatzrekord nach | |
dem nächsten. Für einen Onlinetext zahlen Sie bei 8.000 Zeichen 120 Euro. | |
Das ist Bangladesch. Die Produktionsbedingungen stehen in krassem | |
Widerspruch zum Image. Das kann Ihnen als Geschäftsführer doch nicht egal | |
sein. | |
Was in Bangladesch passiert, ist so kritisch und menschenverachtend, dass | |
es in diesem Zusammenhang zynisch und unpassend ist. Sie werden kaum einen | |
Verlag finden, der sein Redaktionsbudget so stark ausgebaut hat wie wir. | |
Und wir haben unser Gesamtbudget für Freie – auch dies im Gegensatz zu fast | |
der gesamten Branche – nicht reduziert. Auch dieses Budget ist über die | |
letzten zehn Jahre ordentlich gestiegen. | |
Beispiel E-Book: Da verwerten Sie bereits erschienene Texte, auch von | |
Freien. Sollte über den Verkauf der Break-even-Point überschritten werden, | |
gibt es 5 Prozent vom Verkaufspreis, also 15 beziehungsweise 25 Cent. Die | |
sollen sich die beteiligten Autoren teilen. | |
Bei der Zweitverwertung von Texten sind 5 Prozent vom Verkaufspreis ein | |
sehr üblicher Preis. | |
Oder Tempus Corporate, Ihre Kundenzeitschriften-Sparte, die seit 2010 | |
existiert. Sie haben es in der kurzen Zeit geschafft, es sich mit sehr | |
vielen, sehr guten Freien zu verderben. Etwa indem Sie bei einem Magazin | |
von einer Ausgabe zur nächsten das Honorar, das freie Autoren für eine | |
Seite bekommen, um ein Viertel gesenkt haben. | |
Bei den vielen Projekten, die wir neu starten, beginnen wir immer | |
bescheiden und schauen dann, wie es sich entwickelt. Das klappt viel besser | |
als mit einem Big Bang. So auch bei Tempus Corporate. Der Corporate-Markt | |
ist sehr gut besetzt. Wenn wir als Newcomer etwas starten, hat der Markt | |
nicht auf uns gewartet. Sie werden mir zustimmen, dass wir auch bei Tempus | |
Corporate nicht ausschließlich pro bono arbeiten sollten. Deshalb dürfte es | |
in diesem Zuge auch Neuverhandlungen mit Autoren gegeben haben. Aber | |
besser, wir starten ein neues Geschäft und zahlen Preise, die nicht | |
jedermann gefallen, als dass wir überhaupt nichts machen und niemandem in | |
dieser bedrängten Branche etwas zahlen können. | |
Aber Sie verdienen doch sehr gut. Sie machen bei 154 Millionen Umsatz eine | |
Menge Gewinn. | |
Freuen Sie sich mit uns, dass es Verlage gibt, die weiterhin mit | |
Qualitätsjournalismus viele Leser erreichen und in ihre Redaktion und in | |
das Gesamtangebot für ihre Leser investieren. | |
Wenn die Gewinne so toll sind, ist das nicht der Moment, in dem ein | |
Geschäftsführer die Verantwortung fühlen müsste, die Personen, die ihn mit | |
erwirtschaften, daran teilhaben zu lassen? | |
Aber sicher. Deshalb gibt es auch gute Gehälter im Haus und viele | |
außerordentliche Zahlungen. Und deshalb haben wir heute auch fast doppelt | |
so viele Kolleginnen und Kollegen im Haus als vor zehn Jahren. | |
Aber wir reden über die Freien. | |
Aus vielen Freien, die für Die Zeit gearbeitet haben, sind später | |
Festangestellte geworden. Vor zehn Jahren hatten wir 280, jetzt haben wir | |
um die 520 Festangestellte. Die machen keinen ausgebeuteten Eindruck. Die | |
meisten sind gut drauf und gut gelaunt. Für Die Zeit zu arbeiten, macht | |
sehr viel Freude. | |
Wenn Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo käme und mehr Budget wollte, | |
weil es nicht zu rechtfertigen sei, die Freien – auch die Onlinekollegen | |
und die Fotografen – so schlecht zu bezahlen: Würden Sie ihm dann mehr | |
geben? | |
Vermutlich wissen Sie es noch nicht, aber unsere Branche ist sehr unter | |
Druck. Jedes Jahr kommt anders. Die Anzeigenerlöse sind sehr volatil. | |
Einfach zu sagen, hier sind ein paar Millionen mehr, so stellt sich Klein | |
Erna die Verantwortung eines Zeitungsgeschäftsführers vor. Aber, ich gebe | |
zu, Sie haben ein sehr wichtiges Thema angesprochen, das mich auch bewegt. | |
Dann dankt Klein Erna dem Onkel für das Gespräch. | |
## ist Mitglied bei Freischreiber, dem Berufsverband freier Journalisten, | |
und schreibt unter anderem auch für | |
16 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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Die Kriegsreporterin | |
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