# taz.de -- dvd: Müllabfuhr und Triebabfuhr | |
> João Pedro Rodrigues' großartig perverses Filmdebüt "O Fantasma" erzählt | |
> von Sex zwischen Müllbergen, Mensch und Hund und einem Latexkostüm. | |
Auf erratischen Bahnen zwischen Müllabfuhr und Triebabfuhr bewegen sich "O | |
Fantasma", das Filmdebüt des Portugiesen João Pedro Rodrigues, und dessen | |
Held Sérgio (Ricardo Meneses). Das erste Bild des Films zeigt einen | |
unruhigen Hund mit schwarzem Fell in einem dunklen Gang. In der nächsten | |
Einstellung sieht man, als wäre der Hund Mensch geworden, einen Mann in | |
schwarzem Ganzkörperlatex beim schwulen A-Tergo-Sex: O Fantomas! | |
Nicht um einen Hund, der Mensch, sondern um einen Menschen, der Hund wird, | |
geht es jedoch in "O Fantasma". Der Film hat keinen Plot. Er hat ein | |
Gesetz, und das ist sehr einfach: Wo Ich ist, muss Es werden, und zwar | |
restlos. Zu sehen sind Passanten, Passionen, Passagen der Nacht - doggie | |
style. Ob Utopie oder Dystopie eines triebgesteuerten Lebens, ist kaum zu | |
sagen. Sérgio, der Müllmann, entdeckt das Leben als Hund und bespringt | |
schamlos die Welt. Er wühlt im Abfall, sucht, schnüffelt, findet und | |
genießt, wortlos fast, abgetragene Lust. Die gebrauchte Badehose, die | |
Motorradhandschuhe, den Latexanzug. Das Hexeneinmaleins der | |
Instantanfetischisierungen: Alles meins, aus Müll mach Lust, bell mir die | |
Hunde-Konjugation: Ich besorg es dir, du besorgst es mir, wir besorgen es | |
uns. (Nicht zu vergessen die Wonnen der masturbatorischen | |
Duschseilstrangulation. Dont try this at home!) | |
Nächtliche Traum- und Alptraumszenarien. Sérgio gelangt von einem | |
verlassenen Landweg ganz unvermittelt an den Rand einer Autobahn. In einem | |
abgestellten Wagen ein gefesselter und geprügelter Polizist. Sérgio holt | |
ihm umstandslos einen runter, die Spermareste leckt er sich von der Hand. | |
Später - aber zwischen später und gleich gibt es im Monoversum von "O | |
Fantasma" wenig Unterschied - begegnen sie sich wieder. Sérgio auf einem | |
Motorrad, das er leckt, küsst und streichelt. Drohend und lockend nähert | |
sich, von hinten natürlich, der Polizist. Er ist nicht allein, er wird | |
Sérgio - gleich oder später - Handschellen anlegen; dann kniet Sérgio vor | |
seinem Hosenschlitz, er geht ihm an die Wäsche, er lässt von ihm ab. | |
Dann ist da Fatima (Beatriz Torcato), die Müllfrau, die es mit dem | |
Vorgesetzten der beiden, Virgilio (Eurico Vieira), treibt. Einander | |
begehren (womöglich), miteinander balgen (definitiv) aber auch Fatima und | |
Sérgio. Sie kriechen, sie wälzen sich auf dem Boden. Im Hintergrund bellen | |
unablässig die Hunde. Und vor allem ist da der Mann, den Sérgio | |
voyeuristisch begehrt. Er stellt ihm nach, er bezieht einen | |
Beobachtungsposten im Baum vor dem Fenster. Er bricht ein und bepinkelt das | |
Bett. Später knebelt er ihn, fesselt er ihn, wirft ihn aus dem Fenster (es | |
ist nur der erste Stock) und lässt unvermittelt von ihm ab. Sérgio ist | |
einer, den die Lust überkommt, der eine Beute macht und im nächsten Moment | |
die Lust wieder verliert. | |
Vom Hund ohne Fell wird Sérgio zuletzt zum Phantom im Latexgewand. Er hat | |
den Stadtraum verlassen, er springt, schleicht, frisst, schläft und kauert | |
jetzt als pures Es im Superheldenkostüm nur noch zwischen Maschinen und | |
Müll. Wir erhaschen einen letzten Blick aus dem Maschinenraum. Sérgio - der | |
in Wahrheit längst keinen Namen mehr trägt - stiehlt sich aus dem Rahmen, | |
den eine Tür noch gibt, einfach davon und ward nicht mehr gesehen. Über dem | |
Abspann eine triumphal finstere Variation von Suicides "Dream Baby Dream", | |
eingespielt vom Triumvirat Alan Vega, Alex Chilton und Ben Vaughn. | |
"O Fantasma" lief - kaum zu glauben - vor sieben Jahren im Wettbewerb von | |
Venedig. In deutsche Kinos gelangte er nie. Nun hat sich die "Edition | |
Salzgeber" ein Herz gefasst und das erstaunliche Werk auf DVD zugänglich | |
gemacht. Als Bonus gibt es einen englischen Audiokommentar des Regisseurs, | |
der, akustisch und sprachlich oft unverständlich, zum Glück nichts erhellt. | |
22 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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DVD | |
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