Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zum Tode des Malers Bernhard Heisig: Die Wut der Bilder
> Im Alter von 86 Jahren ist am Freitag der Maler Bernhard Heisig
> gestorben. Obsessiv wie kaum ein anderer verarbeitete er in seiner Kunst
> deutsche Geschichte.
Bild: Hat Geschichte gemalt und erlebt: Bernhard Heisig.
BERLIN taz | Zu Beginn des Jahres 1998 zerfleischte sich die Kunstwelt in
Deutschland um die Frage, ob auch ein Werk von Bernhard Heisig im neuen
Reichstag hängen darf. Die Kritiker des 1925 geborenen Malers stießen sich
an seiner Rolle in der DDR.
Als Rektor der Leipziger Kunsthochschule und Vorsitzender des
Künstlerverbands stand der Maler, der im Realsozialismus zeitweilig aber
auch in Ungnade gefallen war, diesen mächtigen Institutionen jeweils gleich
zweimal vor. Auch die drei Jahre als junger Kriegsfreiwilliger in der
SS-Division "Hitlerjugend" kamen ins Spiel. Seine - durchaus bürgerlichen -
Verteidiger witterten hinter den Vorwürfen "Gesinnungsästhetik". Heute
hängt Heisigs Historienfries "Zeit und Leben" unangefochten in der
Cafeteria des Parlaments.
Das Werk ist ein eindrucksvolles Geschichtspanorama, das von den Fahnen der
48-Revolution über Friedrich den Großen bis zu Bismarck und Hitler reicht.
Am Ende zitiert Heisig das letzte "Selbstbildnis mit Judenpass", das der
jüdische Maler Felix Nussbaum kurz vor seiner Ermordung gemalt hatte.
Dieses Personal bevölkerte fast alle Bilder Heisigs. Oft kam noch das Motiv
der Pariser Kommune hinzu. Und wie um zu beweisen, dass er selbst immer an
allen deutschen Extremen beteiligt gewesen sei, fand sich auch ein
Selbstporträt auf der Leinwand. In Heisigs Bildern verschränkten sich
individuelle und kollektive Geschichte.
## Geschichte der Teilung
Die Debatte über ihn lebte von dem üblichen Fehler, ästhetische und
politische Haltung umstandslos kurzzuschließen. Doch auch wenn er seine
DDR-Nationalpreise im Dezember 1989 etwas spät zurückgab, die Museen dieser
Welt wären leer, verbannte man alle Kunstgenies, die mit der Macht
paktierten, aus ihnen. Selbst wer in Zeiten von Pop-, Postmoderne und
Konzeptkunst Heisigs schrundig-pastosen Expressionismus wie das Relikt von
einem anderen Stern betrachtet, muss bemerken: Kaum ein anderer deutscher
Künstler verarbeitete in seiner Kunst derart obsessiv deutsche Geschichte.
Die Auseinandersetzung um Heisig trug aber auch immer Züge eines
Kulturkampfs. Als symbolische Rehabilitierung einer nach dem Siegeszug der
West-Abstraktion an den Rand gedrängten realistischen Tradition musste dem
Maler, der mit Willi Sitte und Wolfgang Mattheuer die erste "Leipziger
Schule" bildete, deshalb 1986 die Bitte Helmut Schmidts vorkommen, ihn für
die Porträtgalerie der ehemaligen Bundeskanzler im Kanzleramt zu
porträtieren.
2005 eröffnete Schmidts Nachfolger, Gerhard Schröder, eine große
Heisig-Retrospektive mit dem bezeichnenden Titel "Die Wut der Bilder". Der
rührte von der Aktion her, mit der Heisig kurz vor ihrer Eröffnung das 1974
im Auftrag der SED gemalte Bild "Gestern und in unserer Zeit" übermalte.
Seine historischen Irrtümer hat Bernhard Heisig nie versteckt.
Stattdessen hat er sie schonungslos gegen sich selbst in seine Kunst
eingeschrieben. Am Freitag ist er im Alter von 86 Jahren in seinem Wohnort
Strodehne an der Havel in Brandenburg gestorben.
10 Jun 2011
## AUTOREN
Ingo Arend
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um William Turner: Moderne Landschaft
Das Hamburger Bucerius-Kunst-Forum will William Turner in eine
konservative, rückwärtsgewandte Ecke stellen. Doch das gelingt nicht.
Turners Bilder sind pure Energie.
Die Neuerfindung Worpswedes: Im Teufelsmoor tut sich was
Der Masterplan zur Neuerfindung Worpswedes kommt einen wichtigen Schritt
voran: Das frühere, der "Väterkunde" gewidmete Roselius-Museum ist nun Teil
der "Großen Kunstschau" und der internationalen Kunst verpflichtet.
Aufgewertetes Hammerbrook: Kunst in der Bredouille
Im ehemaligen Kraftwerk Bille haben sich Künstler angesiedelt. Nun will
Eigentümer Vattenfall das Areal neu vermieten um Hammerbrook weiter
aufzuwerten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.