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# taz.de -- Zeugnisse in NRW: Erstmals wieder Verhaltensnoten
> Lehrer in NRW müssen ab sofort die Zuverlässigkeit ihrer Schüler
> zensieren. Das sind 15 Millionen zusätzliche Noten und ein Haufen Ärger
> für die Landesregierung.
Bild: Schön artig sein lohnt sich wieder.
KÖLN taz Am Freitag bekommen die Schüler ihre Halbjahreszeugnisse. Rund 15
Millionen Noten mehr als bisher mussten die LehrerInnen in
Nordrhein-Westfalen darin vergeben. Gemäß dem Willen der schwarz-gelben
Landesregierung müssen neuerdings neben Beurteilungen der Leistungen in
Mathematik oder Deutsch auch noch Verhaltensnoten stehen - und zwar gleich
sechs an der Zahl.
Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit,
Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit -
all diese Punkte hatten die Lehrer zu bewerten. Verwendet wurden vier
Notenstufen: "sehr gut", "gut", "befriedigend" und "unbefriedigend". Die
Regelung gilt ab der dritten Klasse, auch im Abschlusszeugnis und im Abi
müssen die "Kopfnoten" vorkommen.
Sechs Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten eines Schülers - das ist
deutscher Rekord, allerdings ein höchst umstrittener. Lehrer-, Schüler- und
Elternverbände wollen die neue Regelung ebenso wenig akzeptieren wie die
Oppositionsparteien im Landtag. Für den morgigen Samstag hat die
Landesschülervertretung sogar zu einer landesweiten Demonstration nach
Düsseldorf aufgerufen. Die Schülervertreter sagen dazu: "Kopfnoten sind wie
Pickel." Vorstandsmitglied Horst Wenzel: "Wir wollen, dass die
überflüssigen Noten schnell wieder verschwinden."
GEW-Landesvorsitzender Andreas Meyer-Lauber spricht von einem
"pädagogischen Unfug", für den zwei Unterrichtstage pro Jahr ausfielen.
Sogar der konservative Philologen-Verband, grundsätzlich Kopfnoten nicht
abgeneigt, beschwert sich über das "Bürokratiemonster", das Schulministerin
Barbara Sommer (CDU) geschaffen habe. "Wir kämpfen gegen die
Noten-Inflation", so Philologen-Verbandschef Peter Silbernagel. "Die
anhaltende Kritik aus den Schulen zeigt, dass die Kopfnoten den Praxistest
offenbar nicht bestehen", kritisiert auch Udo Beckmann, der
Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung. "Das Arbeits- und
Sozialverhalten von Menschen kann nicht in einer Ziffernote ausgedrückt
werden."
Ein schulpolitisches Relikt aus grauer Vorzeit ist an Nordrhein-Westfalens
Schulen zurückgekehrt. Wie andernorts auch waren die Kopfnoten - seinerzeit
waren es übrigens "nur" drei: Betragen, häuslicher Fleiß und Beteiligung am
Unterricht - Mitte der 1970er von den Zeugnissen verschwunden. Verschrien
als autoritäres Disziplinierungsinstrument gegen aufsässige Schüler,
passten sie nicht zur Reformstimmung der damaligen Zeit. Nur in
Baden-Württemberg hielt man ohne Unterbrechung an ihnen fest. Und in der
DDR. In dem dortigen Schulsystem gab es bis 1989 vier Noten für Ordnung,
Fleiß, Mitarbeit und Betragen. In Sachsen und Brandenburg sind sie
inzwischen zurückgekehrt, in anderen Bundesländern wie Bayern sind
Kopfnoten ebenfalls wieder en vogue.
Schulministerin Sommer begründet die Kopfnoten-Renaissance damit, das
Arbeits- und Sozialverhalten fördern zu wollen. "Schülerinnen und Schüler
wie ihre Eltern haben Anspruch auf klare und verständliche Rückmeldungen
und Bewertungen auch zu diesem Entwicklungsbereich", sagt sie. Ihre
Vorgängerin Ute Schäfer, inzwischen Vize der SPD-Landtagsfraktion, hält
demgegenüber Kopfnoten für ein untaugliches Mittel: "Ziffernnoten für das
Arbeits- und Sozialverhalten sind nicht nur pädagogischer Humbug, sondern
führen auch zu Ungerechtigkeiten und Willkür." Die LSV hat inzwischen alle
Schüler aufgerufen, gegen jede Kopfnotenbewertung schlechter als "gut"
formal Widerspruch einzulegen.
18 Jan 2008
## AUTOREN
Pascal Beucker
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Kopfnoten: Leerstelle des Schulsystems
Die neuen Noten bewerten Fähigkeiten, auf die es im Leben wirklich ankommt.
Leider werden die verlangten Tugenden in der wissensfokusierten
Halbtagsschule nicht gelehrt.
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