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# taz.de -- Workstation was ist das?: "Jeder hat seinen eigenen Arbeitsbegriff"
> Der klassische Arbeitsbegriff grenzt immer mehr Leute aus. Darum setzt
> sich die Ideenwerkstatt "Workstation" für ein neues Verständnis von
> Arbeit ein und initiiert Kampagnen wie "unvermittelt", erklärt die
> Künstlerin Ulrike Ertl.
Bild: Was ist Arbeit und wo gibt es sie?
taz: Frau Ertl, seit zehn Jahren gibt es die Workstation. Trotzdem ist nie
richtig klar geworden, was das eigentlich ist.
Ulrike Ertl: Das ging mir früher genauso. Zuerst dachte ich, die
Workstation sei einfach ein Arbeitsvermittlungsprojekt. Ich dachte, da
können Leute hinkommen und durch Gespräche oder durch temporäre Mitarbeit
herausfinden, was sie machen wollen. Wie man sich so ein Leben einrichtet
mit den Fähigkeiten und Interessen, die man hat.
Und was ist die Workstation wirklich?
Ich kooperiere jetzt seit eineinhalb Jahren mit der Workstation. Und ich
finde, es ist ein Forum, wo sich Akteure treffen und zum Thema Arbeit
auszutauschen.
Welche Akteure?
Wissenschaftler, Künstler, Aktivisten, Ein-Euro-Jobber. Bei Diskussionen
sitzen auch Vertreter vom Jobcenter, die Arbeitssenatorin, Arbeitgeber -
also Leute, die einen anderen Arbeitsbegriff vertreten als wir. Es geht um
Dialog mit allen, die bestimmen, was Arbeit ist und nicht darum, Recht
haben zu wollen. Die Workstation ist kein Ort, wo Gleichgesinnte sich die
Wunden lecken.
Welchen Arbeitsbegriff hat denn die Workstation? Das wird ja nicht richtig
deutlich.
Es wird nicht deutlich, weil dort jeder seinen eigenen Arbeitsbegriff in
die Diskussion reinbringen kann und soll. Ich zum Beispiel bin für eine
klare Abgrenzung zwischen Lohnarbeit, also Arbeit, die bezahlt ist, und
solcher, die nicht bezahlt ist. Letzteres nenne ich Hobby. Dies sage ich,
obwohl ich Künstlerin bin.
Und dieser Arbeitsbegriff entspricht nicht dem, was andere bei Workstation
denken?
Frauke Hehl, die fleißigste Vertreterin der Workstation etwa, nennt alles
Arbeit. Lohnarbeit, Reproduktionsarbeit, Ehrenamt, Hobby, für sie ist alles
Arbeit und Leben. Da trennt sie nicht.
Was hat man davon, sich über Arbeit auszutauschen?
Weil der klassische Arbeitsbegriff und seine heutigen Auswüchse so viele
Leute ausgrenzt, vereinzelt, ausbeutbar macht, sind wir eine der
Keimzellen, die diesen falschen Arbeitsbegriff kritisieren. Ohne solch
strukturelle Kritik ist ein Umdenken nicht möglich.
Macht die Workstation auch noch etwas anderes, als nur über Arbeit zu
reden?
Was heißt denn nur? Austausch ist wichtig, weil dabei Ideen entstehen. Die
Workstation hat mehrere Gemeinschaftsgärten auf Stadtbrachen initiiert. Sie
hat zudem Kunst-Stoffe ins Leben gerufen. Das ist ein Hof, wo Materialien
und Reste von Firmen, nicht mehr Gebrauchtes von Theater- und
Filmproduktionen gesammelt wird, die gegen kleine Spenden an Künstler und
Kindergärten, Schulen abgegeben werden. Außerdem hat die Workstation die
Kampagne "unvermittelt" angeregt, bei der ich mitmache.
Was ist das?
Das ist eine Kampagne zur Vermittlung eines Arbeitsbegriffs jenseits von
Überarbeitung und Mangel. Es geht nämlich darum, diese Ansätze, die bei
Workstation entwickelt werden, unter die Leute zu bringen, die von so einer
Diskussion ausgeschlossen sind von vornherein. Unvermittelt wird ab heute
fünf Wochen lang an verschiedenen Orten in der Stadt Aktionen machen.
Hat die Workstation mit ihrer Kritik am Arbeitsbegriff denn schon etwas
erreicht?
Unsere Kritik wird in politischen, wissenschaftlichen, gewerkschaftlichen
und künstlerischen Kontexten abgefragt und ziemlich ernst genommen. Weil
die Leute merken, wenn man sich vom klassischen Arbeitsbegriff nicht in die
Enge treiben lässt, funktionieren Abhängigkeitssysteme, auf die die
Wirtschaft baut, nicht mehr.
15 Aug 2008
## AUTOREN
Waltraud Schwab
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workstation was ist das?: Die Arbeiterin an der Arbeit
Frauke Hehl will selbstbestimmt leben. Deshalb experimentiert die
Mitinitiatiorin der "Workstation" in Berlin seit zehn Jahren mit
alternativen Lebens- und Arbeitsformen. Ab heute stellen diese ihre Ideen
stadtweit in der Kampagne "unvermittelt" vor.
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