# taz.de -- Tour de France: Liebhaber großer Attacken | |
> Thibaut Pinot ist für wechselhafte Leistungen bekannt. Bei dieser Tour de | |
> France wird der Franzose aber als Kandidat auf den Gesamtsieg gehandelt. | |
Bild: Gern am Berg: Thibaut Pinot | |
GAP taz | Thibaut Pinot ist der Mann der Stunde. In den Pyrenäen war er der | |
stärkste Bergfahrer. Das lässt auch für die Alpen einiges erwarten. Sein | |
Vorteil in diesem Jahr: Es gibt kein Zeitfahren mehr am Ende. Das und die | |
offensichtliche Schwäche von Team Ineos eröffnen ihm die Chance auf den | |
ersten französischen Toursieg seit Bernard Hinault 1985. | |
Drei große Szenen lieferte Pinot bereits bei dieser Tour de France. Zwei | |
zeigten ihn als strahlenden Helden und eine – typisch für diesen Rennfahrer | |
der Extreme – als traurigen Tölpel. Auf der 8. Etappe stahl er sich | |
gemeinsam mit Landsmann Julian Alaphilippe aus dem Feld. „Das war | |
instinktiv. Julian ging, und ich folgte ihm“, schilderte er mit einem | |
Strahlen im Gesicht die Situation. | |
Pinot liebt solche Szenen, er ist ein Attackenreiter aus ganz anderen | |
Radsportzeiten, kein kleinlicher Kalkulierer. Allerdings musste er sich | |
später Vorwürfe anhören, bei der Attacke vom Windschatten eines | |
Begleitmotorrads profitiert zu haben. Strafen allerdings gab es keine. | |
Pinot war nach dem Angriff der Bestplatzierte der Klassementkandidaten, 19 | |
Sekunden vor Titelverteidiger Geraint Thomas. Perfekt, dachte man. | |
Bei den schwierigen Windverhältnissen der 10. Etappe allerdings steuerte er | |
einen Kreisverkehr von der falschen Seite an. Es riss eine Lücke, und am | |
Ende hatte er eine Minute und 40 Sekunden Rückstand. | |
## Warten auf den Mont Ventoux | |
So kennt man den Esel- und Schafezüchter aus den Vogesen: bärenstark an | |
einem Tag, lahm wie ein Amateurradler am anderen. 2013, bei seiner zweiten | |
Tour de France, verlor er auf der Abfahrt vom Col de Pailhéres den Kontakt | |
zu den Favoriten. Nervös wie er war, verhedderte sich auch noch das Kabel | |
seines Kopfhörers im Vorderrad. Pinot verlor sechs Minuten, und die Rede | |
von seinem „Dämonen“ war geboren. Der Oberdämon war die Angst in der | |
Abfahrt. | |
2014 hatte er die Dämonen mehr oder weniger im Griff und wurde Tourdritter. | |
2015 schlugen aber wieder die bösen Geister zu. Im Ausreißerduell mit | |
Landsmann Romain Bardet vertändelte er den möglichen Etappensieg. Weil die | |
beiden Franzosen sich belauerten, schoss Steve Cummings noch an ihnen | |
vorbei. Dümmer gab selten jemand einen Etappensieg aus der Hand. Pinot | |
revanchierte sich ein paar Tage später und gewann in l’Alpe-d’Huez. | |
Das ist die Sonnenseite dieses talentierten Rennfahrers. Er ist auf den | |
mythischen Bergen noch zu einem Extrakick in der Lage. Das zeigte er bei | |
dieser Tour dann auch bei seinem Etappensieg auf dem Tourmalet. „Jetzt habe | |
ich zwei große Berge, fehlt nur noch der Mont Ventoux. Ich hoffe, dort vor | |
Ende meiner Karriere noch zu gewinnen“, frohlockte er. | |
Bevor es wieder auf den Ventoux geht, hat Pinot aber [1][die Chance seines | |
Lebens], die Tour de France zu gewinnen. Nicht nur am Tourmalet war er der | |
stärkste der Klassementfahrer. Auch in Foix machte er Zeit auf die | |
Ineos-Kapitäne Geraint Thomas und Egan Bernal gut und fuhr auch vom famosen | |
Emanuel Buchmann weg. | |
## Keine Angst mehr vor Abfahrten | |
Seine Angst vor den Abfahrten hat er auch bezwungen. Die Hitzeanfälligkeit, | |
seine letzte Schwäche, dämpfte er mit Trainingseinheiten in der Sauna. Ruhe | |
findet er in den Vogesen bei den Schafen, Ziegen und Eseln, die er füttert, | |
bevor er sich zum Training aufs Rad schwingt. | |
Und auch sein Team hat sich massiv verbessert. „In diesem Jahr haben wir im | |
Unterschied zu den anderen Rundfahrten, die ich mit Thibaut machte, David | |
Gaudu bei uns, ein exzellenter Kletterer. Wir sind jetzt drei gute | |
Kletterer, die ihn unterstützen können. Das ist unsere Stärke. Auch im | |
Flachen und im Zeitfahren haben wir zugelegt. Ich denke, wir haben die | |
beste Mannschaft der letzten Jahre“, sagte Sebastien Reichenbach, Schweizer | |
Meister und langjähriger Berghelfer Pinots, der taz bei der Tour. David | |
Gaudu, den Reichenbach so lobte, hat sich in den Pyrenäen als allerbester | |
Berghelfer im Peleton herauskristallisiert. Seine Tempoverschärfungen | |
lassen sogar den Ineos-Männern Kälteschauer über den Rücken laufen. | |
Kennzeichen der generellen Verbesserung der Strukturen bei Groupama FDJ ist | |
auch, dass die Mannschaft in diesem Jahr extra einen Mann für die | |
Mikrobenjagd abgestellt hat. Benoit Drujon, ein früherer Radprofi, putzt | |
jeden Tag sogar die Klimanalage im Teambus, um Erkrankungen vorzubeugen. | |
25 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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