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# taz.de -- Tim Wiese als Wrestler: The Weird Wiesenator
> Der Wrestling-Experte der taz hat sich Tim Wieses ersten Kampf
> angeschaut. Sein Urteil: Der ehemalige Keeper zeigt vielversprechende
> Ansätze.
Bild: Mächtig was los bei Tim Wiese
Tim Wiese war over am Donnerstagabend in München. So over, dass die Fans in
der Olympiahalle gar nicht genug bekamen vom 34-jährigen Wrestling-Novizen.
„Over“ steht im Wrestling-Jargon für die Wirkung des Athleten auf das
Publikum – je mehr „over“, desto populärer, gefragter, beliebter ist der
Athlet.
Das erste Match des früheren Bundesligatorwarts für World Wrestling
Entertainment (WWE), deren Stars gerade auf Europatour sind, geriet zum
Medienereignis. Erst am Tag zuvor hatte der ursprünglich auf 130 Kilogramm
angewachsene und nach eigenen Angaben mittlerweile wieder auf 120
verschlankte Wiese seinen Kampfnamen bekannt gegeben: „The Machine“ – eine
Idee, fast so alt wie das Wrestling selbst.
Seinen Einstieg in die Szene hatte Wiese mit deftigen Ansagen gewürzt. Er
sei eine „deutsche Eiche“ und quasi unschlagbar. Als Wiese am Donnerstag
dann zu eigener Musik inklusive Video auf der überdimensionierten Leinwand
zum Ring lief, jubelte das Münchener Publikum. „Wiese, Wiese“-Rufe
übertönten das Geschehen, als der Star des Abends hinter den Seilen auf
seinen Einsatz wartete.
An seiner Seite standen mit dem Iren Sheamus und dem Schweizer Cesaro nicht
nur zwei Wrestler mit ähnlichen körperlichen Voraussetzungen, sondern sie
verkörperten auch gehobenes WWE-Star-Niveau. Die Gegner waren Bo Dallas und
das Gespann „The Shining Stars“ mit den Puertoricanern Primo und Epico. Sie
alle stammen aus legendären Wrestling-Familien und spielen in der WWE eher
die Rolle des Kanonenfutters: klein, beweglich, athletisch und fähig, die
Aktionen großer, kräftiger Kontrahenten noch verheerender aussehen zu
lassen.
## Ansprechender Flug durch die Luft
„Wiese-Debüt mit spektakulären Moves“, titelte der Sportboulevard danach …
und ließ sich auch blenden vom überbordenden Jubel in der Halle. Denn der
Neuling wurde schon durch die „Drei-gegen-drei“-Ansetzung vor einer realen
Einschätzung seines Leistungsvermögens geschützt. Kennern war klar, dass
Wiese eher für die Galerie agieren würde. Die „spektakulären Moves“
bestanden nur aus dem Setzkasten jedes Wrestling-Anfängers. Wiese zeigte in
den wenigen Minuten im Ring Schwitzkästen, streckte die Gegner mit
„Clotheslines“ – ein Arm wird in der Laufbewegung seitlich ausgestreckt �…
und Schulter-Tackles zu Boden.
Aktionen, die sich weniger auf das Können des Wrestlers in der Offensive
als auf das „Selling“, also das „Verkaufen“ ihrer Wucht durch den
Angegriffenen, verlassen. Wiese hat die wenigen Schläge und Tritte der
Gegner einigermaßen ansprechend rüberbringen können und durfte sogar das
Match für sein Team gewinnen – mit einem „Bodysplash“: Nach Anlauf aus d…
Seilen warf er sich mit der vollen Wucht seines Oberkörpers auf den am
Boden liegenden Gegner, flog dabei ansprechend durch die Luft.
Wunderdinge im Ring waren ohnehin nicht zu erwarten. Erst im September
hatte Wiese das Training im WWE Performance Center in Orlando begonnen.
Erste Erkenntnisse sind trotzdem möglich: Wieses Athletik aus alten
Fußballtagen ist ihm trotz deutlicher Gewichtszunahme auch im Ring
hilfreich, er bewegte sich gut im ungewohnten Umfeld. Die von ihm
ausgeführten Aktionen wirkten – auch dank des niedrigen
Schwierigkeitsgrades – sicher.
„Wir vertrauen uns gegenseitig unsere Körper an“, heißt es im Wrestling
nicht umsonst. Immer wieder gestikulierte Wiese auch in Richtung Publikum,
zeigte Gespür für die in jedem Match so wichtige Interaktion mit den Fans,
für die Stimmung in der Halle. Potenzial scheint also vorhanden, wenn auch
die Ansetzung des ersten Matches etwas überhastet schien.
## Ein mehr oder weniger großer Name als Aushängeschild
Hinter dem Auftritt steckt – logisch – auch PR-Kalkül des
milliardenschweren Medienkonzerns WWE, dem Wrestling-Puristen bereits seit
Jahren zum Vorwurf machen, dass sie mit Macht in den Mainstream drängen:
Ein mehr oder weniger großer Name als Aushängeschild zählt oft mehr als
etablierte, erfahrene Figuren des Geschäfts. So lässt sich auch erklären,
warum Wiese bereits mit wenigen Wochen Training auf die große Bühne darf,
während der arriviertere Dresdner Axel Tischer, seit April 2015 als
„Alexander Wolfe“ unter Vertrag und in der Quasi-Aufbauliga NXT aktiv,
nicht einmal die Chance eines Auftritts bekam.
Tim Wiese indes erhielt reichlich Applaus – wie es eben läuft, wenn man
„over“ ist.
4 Nov 2016
## AUTOREN
David Digili
## TAGS
Tim Wiese
Wrestling
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