| # taz.de -- THW-Trainer über das Final Four von Köln: „Enormen Willen gezei… | |
| > Der Plan von Filip Jicha, den THW zurück in die Erfolgsspur zu bringen, | |
| > geht auf. Erst Meisterschaft, nun gewann er auch noch die | |
| > Champions-League. | |
| Bild: Frisch gebackener Champions League-Sieger: THW-Trainer Filip Jicha | |
| taz: Filip Jicha, Ihr Sieg in der Handball-Champions-League ist nun zwei | |
| Wochen her. Können Sie es inzwischen glauben? | |
| Filip Jicha: Ja, inzwischen habe ich es realisiert. Aber es brauchte ein | |
| paar Tage. Jetzt sind die Batterien wieder aufgeladen und ich freue mich | |
| riesig, die Mannschaft wieder zu sehen und weiterzuarbeiten. Die Jungs | |
| haben Geschichte geschrieben, ich bin extrem stolz. | |
| Das Champions-League-Halbfinale gegen Veszprem war eines der besten Spiele, | |
| was Sie als Trainer oder Spieler je erlebt haben, sagten Sie danach. Warum? | |
| Die Qualität war enorm. Was wir gezeigt haben, war sehr außergewöhnlich. | |
| Wir haben uns das ganze Spiel über nicht aus der Bahn bringen lassen. Auch | |
| in der zweiten Halbzeit, als wir wegen der Schiedsrichter unglaublich unter | |
| Strom standen. | |
| Waren Sie nach dem Spiel sauer auf die Schiris? Einige Entscheidungen waren | |
| umstritten oder falsch. | |
| Ich weiß, dass sie keinen leichten Job haben und ich respektiere das voll. | |
| Aber zu diesem Top-Ereignis im [1][Vereinshandball] hätte ich mir eine | |
| Ansetzung von anderer Qualität gewünscht. | |
| Für das Finale gegen Barcelona wollten Sie sich dann was einfallen lassen, | |
| so kündigten Sie es an. Was war das genau? Geklappt hat es ja. | |
| Das Allererste war, das haben wir uns schon vor dem Final Four versprochen, | |
| dass wir nie aufgeben werden. Bis dato hat Barca fast eineinhalb Jahre | |
| international nicht verloren. Aber im Final Four ist alles anders. Das | |
| wollten wir nutzen, auch wenn wir eine Verlängerung in den Knochen und kaum | |
| Wechselmöglichkeiten hatten. Aber die Jungs haben enormen Willen gezeigt | |
| und Barcelona schnell in eine unangenehme Situation gebracht. Das wollten | |
| wir, denn die sind keine ausgeglichenen Spiele gewöhnt. Gegen die offensive | |
| Abwehr haben wir auch gut mit dem siebten Feldspieler agiert und dadurch | |
| erfolgreiche Abschlüsse bekommen. | |
| War es trotzdem ein Vorteil für Sie, dass Sie Barcelona gut kennen? | |
| Definitiv. Aber auch ein Nachteil: Es war sehr emotional. Insgesamt für | |
| mich aber ein absolutes Traumfinale. | |
| Nach dem Sieg mussten Sie sich direkt in die [2][WM-Pause] verabschieden. | |
| Wie nötig ist diese, angesichts der extremen Belastung in der Saison? | |
| Ich kann das aus zwei Perspektiven betrachten. Zum einen aus meiner | |
| Trainersicht: Es ist eine unglaubliche Arbeit, wenn man jeden dritten Tag | |
| spielt und die Mannschaft so vorbereiten möchte, wie man überzeugt ist, | |
| dass es erfolgreich ist. Es ist wirklich unmenschlich, das in diesem | |
| Rhythmus weiterzumachen. Ich muss mich ständig fragen: Wie sorge ich für | |
| Erfolg, aber wie schütze ich meine Jungs auch vor Verletzungen? Ein | |
| schmaler Grat. Wir machen viel prophylaktisches Training. Aber daneben | |
| braucht man auch Reize, um als Sportler gut zu sein. Aber so ist es | |
| unmöglich, diese Reize zu trainieren. Dementsprechend haben die Jungs diese | |
| nur im Spiel und das reicht nicht. | |
| Und aus Perspektive der Spieler? | |
| Die Spieler sind mental total überspielt und haben auch keine Lust mehr, | |
| ihren Körper diesen extremen Belastungen auszusetzen. Physische Müdigkeit | |
| kennen sie, aber der psychische Druck ist schlimm. Über vier Wochen geht | |
| das vielleicht, nicht über zwei Monate. Entweder verletzt man sich oder | |
| baut enorm an Qualität ab. | |
| Haben Sie eine Idee, wie man die Saison anders hätte gestalten können? | |
| Momentan sind wir als Gesellschaft in einer einzigartigen Situation. Vieles | |
| erleben wir zum ersten Mal. Deswegen brauchen wir weniger Kritiker und mehr | |
| Zusammenhalt. Wenn das vorbei ist, können wir gucken, was wir hätten besser | |
| machen sollen. Vielleicht bezahlen wir dafür, mit schweren Verletzungen | |
| oder Burnouts. Aber momentan gilt es, das zusammen zu meistern. Denn viele | |
| sind auch am Rande ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten und brauchen die | |
| Spiele. | |
| Einige Ihrer Spieler fahren nun zur WM. Andere nicht, darunter die Kieler | |
| Pekeler, Wiencek und Weinhold, die mit ausschlaggebend für den Champions | |
| League-Sieg waren. Sind Sie froh, dass die drei zu Hause bleiben? | |
| Ich freue mich für jeden, der sein Land repräsentiert. Aber ich freue mich | |
| auch für jeden, der die Entscheidung trifft: Das ist mir zu riskant. Davor | |
| habe ich Respekt. Viele von uns sind Familienväter und es gibt nichts | |
| Wichtigeres als das Wohl der Familie. Ich freue mich auch für die, die | |
| jetzt ihren Körper regenerieren und den Kopf abschalten können, bevor wir | |
| wieder sieben Monate am Stück in diesem Wahnsinns-Rhythmus sind. | |
| Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft nun ein? | |
| Deutschland hat auch ohne die drei genug Qualität. Ob das gegen alle | |
| Top-Mannschaften reichen wird, weiß ich nicht. Eine Medaille sollte man als | |
| Ziel nicht formulieren. Aber vielleicht ist es auch ein Vorteil, dass da | |
| jetzt viele Spieler dabei sind, die ihre Chance nutzen wollen. | |
| Auch die tschechische Mannschaft, für die Sie lange spielten, ist | |
| angeschlagen. Der Trainer und viele Spieler haben sich mit Corona | |
| infiziert. | |
| Da ist eingetreten, was man nicht will: eine Infektionskette, die innerhalb | |
| der Mannschaft läuft. Das zu unterbinden, ist nun das Allerwichtigste. Da | |
| kann man nicht über sportliche Leistung bei der WM sprechen. | |
| Finden Sie es sinnvoll, dass die WM stattfindet? Oder anders gefragt: | |
| Würden Sie hinfahren, wenn Sie noch Spieler wären? | |
| Nein, würde ich nicht. Aber eine WM ist wichtig für unseren Sport. Unter | |
| normalen Umständen wäre ein Turnier in Ägypten eine Riesensache. Aber in | |
| der jetzigen Pandemie-Situation würde ich mir schon wünschen, dass die WM | |
| um ein Jahr verschoben wird. | |
| Sie sind der erste Handballer, der die Champions League sowohl als Spieler | |
| als auch als Trainer mit einem einzigen Verein gewonnen hat. Was bedeutet | |
| Ihnen das? | |
| Es ist nett. Aber die Erfolge als Spieler sind viel bedeutender für | |
| Außenstehende wie Medien und Fans. Mir war immer das Gefühl wichtig, mich | |
| mit den besten messen zu können. Und jetzt als Trainer habe ich die | |
| Verantwortung für den Verein; dass wir dem Kieler Publikum wieder die | |
| Mannschaft präsentieren, die sie kennen. Das ist keine leichte Aufgabe. Die | |
| Erfolge bedeuten nun für mich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dafür | |
| lohnt sich das Leid dann. | |
| Welche Hoffnungen haben Sie für die aktuelle Champions-League-Saison? In | |
| der Gruppe liegen Sie nur auf Rang fünf. | |
| Bis auf die erste Niederlage gegen Nantes zu Hause war es okay. Die | |
| Niederlagen gegen Barca und Veszprem gingen in Ordnung, die waren an diesen | |
| Tagen stärker. Aber unser Ziel ist immer, die Möglichkeiten zu kreieren, | |
| etwas zu gewinnen. Dafür verwende ich meine Energie, meine Erfahrung. | |
| Sollte ich mal keine Energie mehr dafür haben und nachlassen, wäre das der | |
| Anfang vom Ende. | |
| 11 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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