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# taz.de -- Sportlerdrama „Borg/McEnroe“: Der über Schläger balanciert
> Regisseur Janus Metz lässt zwei konträre Tennistypen aufeinander los. Die
> Hauptrollen sind perfekt besetzt, doch der Film kann die Spannung nicht
> halten.
Bild: Trifft sich „der Rüpel“ (Shia LaBeouf) mit dem „Iceborg“ (Sverri…
Ob er wohl, bittet das Fernsehteam, für die Kamera den Ball noch mal mit
Schmackes an das Garagentor dengeln könne? Das Tor, an das er ihn als Kind
Stunden um Stunden und Tage um Tage gedroschen und dabei seine berühmte
Rückhand entwickelt hat? Björn Borg (Sverrir Gudnason) zögert, schaut die
fast identischen, abgenutzten Garagentore in seinem schwedischen Heimatdorf
an. Er wisse nicht mehr, sagt er dann, welche der Türen es genau war. Ist
doch egal, behauptet die Redakteurin. Das findet Borg aber nicht. Und
verschwindet wortlos, ohne die gewünschten Bilder zu liefern.
Björn Borg, dem schwedischen „Iceborg“, das macht Janus Metz’ Sport-Biop…
„Borg/McEnroe – Duell zweier Giganten“ schnell klar, ging es immer und in
jeder Situation um Perfektion, um Kontrolle, um Disziplin, um Fleiß. Für
seinen Ruhepuls schläft er in eiskalten Schlafzimmern, er isst, trinkt,
trainiert, ja atmet nach strengen Regeln.
Sein US-amerikanischer Gegner John McEnroe (Shia LaBeouf) dagegen, gegen
den Borg bei dem im Film abgebildeten legendären Wimbledon-Tournier 1980
antrat, ist der geborene Widersacher: McEnroe gilt als wild child des
Tennissports, flucht auf dem Court wie ein Bierkutscher, trägt AC/DC auf
dem T-Shirt und den Kopfhörern, schert sich nicht die Bohne um körperliche
Fitness, sondern geht vor dem Tournier mit den Teamkollegen einen heben.
Die Dramatik des Wettkampfs, dessen Ausgang jeder kennt – Borg besiegte
McEnroe und holte sich zum fünften Mal seinen Titel –, liegt also im
Personal. Der dänische Regisseur Metz begibt sich folgerichtig in die
Psyche seiner ikonischen Kampfhelden: Rückblenden in die Kindheit der
Sportler sollen die einschneidenden Erfahrungen vermitteln, die beide
formten.
Das arme schwedische Elternhaus bei Borg, dem nur das gute Auge eines
findigen Trainers (Stellan Skarsgård) die Chance seines Lebens bot –
allerdings erst, wenn er lernt, sich zu beherrschen. Dass er einmal wegen
seines aufbrausenden Temperaments aus einem Tennisclub rausgeworfen wurde,
so legt der Film nahe, habe ihn gelehrt, die Aggression allein auf das
Spiel zu konzentrieren.
## „Anger is an energy“
Den multitalentierten und aus gut situiertem Elternhaus stammenden McEnroe
dagegen treibt vor allem der blanke Ehrgeiz. Für ihn gilt „Anger is an
energy“, und seine Hybris, gepaart mit seinem enormen sportlichen
Naturtalent, kringelt sich aus allen Poren wie die Locken auf seinem Kopf.
Metz hat die richtigen Darsteller für die Charaktere gefunden – der mit
feiner Mimik spielende Gudnason gleicht Borg verblüffend, Hollywoods
Lieblingsrüpel LaBeouf steckt seine gesamte energetische Unverschämtheit
in die Darstellung des Tennispros. Und Skarsgård liefert den treuen Trainer
mit gewohnter Präsenz und testet am Abend vor dem Wettkampf mit seinem
Schützling brav Tennisracks, indem beide behutsam barfuß über zwanzig auf
dem Boden ausgelegte Schläger balancieren und die nicht hundertprozentig
einwandfrei gespannten gleich aussortieren.
Doch Biopics, vor allem wenn sie sportlichen Tournieren folgen und ihr
Ausgang somit vorgezeichnet und mit echten ikonischen Bildern dokumentiert
ist, haben es schwer: Sie können zwar dramatisieren, aber nicht wirklich
etwas dazuerfinden. „Borg/McEnroe“ merkt man das vor allem an der Bildarmut
an, die den Film in der zweiten Hälfte, in der es auf das Turnier zugeht,
befällt: Man hat sich zwar sichtlich Mühe gegeben, das über fünf
schweißtreibende, nerven- und muskelzehrende Sätze gehende Finale
interessant zu inszenieren. Nur ist bei echten Tennismatchs die Spannung
auf den Ausgang des Spiels und die Freude über die unerwarteten
spielerischen Finessen der Hauptgrund, dranzubleiben. Das alles fällt bei
einem nachgestellten Spiel weg. Und so hat man spätestens beim dritten
Aufschlag Gudnasons und Rückschlag LaBeoufs keine Lust mehr, den Kopf mit
den anderen Zuschauern im Takt hin und her zu drehen und überrascht zu tun.
Ein noch größeres Problem ist die Distanz, die trotz aller Bemühungen von
Metz auch am Ende nicht gewichen ist: Zu verstehen, wer die Männer wirklich
sind, dazu reichen die Wettkampfsituationen und die wenigen Privatszenen
nicht aus. Dass der Regisseur Martin Scorseses Boxerepos „Wie ein wilder
Stier“ über Jake LaMotta als Sportfilmreferenz nennt, macht die Schwäche
umso deutlicher: LaMotta hatte damals am Drehbuch mitgearbeitet und
Scorsese so zu einem authentischen und emotional-brutalen Film verholfen.
Metz inszeniert stattdessen für die Handlung komplett überflüssige
Stationen wie Borgs bezeugten Besuch im Studio 54, bei dem nichts
Besonderes passierte – wie denn auch, das Skandalöseste, was Borg zu dieser
Zeit angestellt haben könnte, war vermutlich, an einem Vitaminshake zu viel
zu nippen.
Vielleicht, denkt man am Ende, ist bei dem eiskalten Stirnbandliebhaber
auch einfach nicht mehr rauszuholen als das Gezeigte – wenn jemand so sehr
im Sport lebt, hat er eben keine Zeit für andere Dinge. Das ist die
eigentliche Erkenntnis aus dem Sportfilm: Wenn zu der kompletten
Konzentration auf eine Sache das totale Fehlen von Ablenkung gehört – wie
viele solcher Genies wachsen dann heute noch heran? Schließlich ist
Ablenkung für die meisten eine Hauptbeschäftigung.
18 Oct 2017
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Spielfilm
Tennis
Spielfilm
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