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# taz.de -- Sozialtausch-Komödie: Innige Kameraderie
> Die Komödie "Ziemlich beste Freunde" ist gekonnt künstlich und belegt das
> alte Ketchup-Credo: Mit echten Tomaten kann man nie diesen
> unverwechselbaren Geschmack erzeugen.
Bild: Der vom Nacken abwärts gelähmte Aristokrat Philippe sucht einen neuen P…
Was hat es mit dem Label "nach einer wahren Geschichte" eigentlich auf
sich? Macht es einen Film wirklich sehenswerter, wenn man weiß, dass er auf
"realen Ereignissen" beruht? Anders gefragt: Klingt es etwa so
unwahrscheinlich, dass ein reicher, nach einem Drachenflugunfall vom Nacken
abwärts gelähmter Franzose sich mit seinem Pfleger anfreundet, der anderer
Hautfarbe und anderer sozialer Herkunft ist? Seit dem 19. Jahrhundert soll
so etwas ja schon mal vorgekommen sein.
Wer in Olivier Nakaches "Ziemlich beste Freunde" bis zum Abspann sitzen
bleibt, kann, wie zur Beglaubigung, einen Blick auf die "Originale" werfen,
auf denen die als ungewöhnlich angekündigte Geschichte beruht.
Aber entgegen dem, was die echten Bilder von zwei ziemlich rau aussehenden
Männern an einer windigen Klippe belegen wollen, machen die Aufnahmen
vielmehr klar, dass der Film natürlich nicht ihre Geschichte erzählt,
sondern eine andere, in Genreform gepresste, aufpolierte Variante, die ihre
Inspiration weniger in ihren Erlebnissen als in gefälligen
Sozialtauschkomödien wie "Pretty Woman" oder "Die Glücksritter" findet.
Aber genauso wenig wie Echtheit einen guten Film garantiert, folgt aus
Künstlichkeit, dass es ein schlechter sein muss. Ganz im Gegenteil.
"Ziemlich beste Freunde" belegt auf seine Weise das alte Ketchup-Credo, das
besagt, dass man mit echten Tomaten niemals diesen unverwechselbaren
Geschmack erzeugen könnte.
Da wäre zum Beispiel schon der rasante Einstieg des Films. Darin liefern
sich Driss (Omar Sy) und Philippe (François Cluzet) ein Autorennen mit der
Polizei durch - Gott sei Dank - nächtlich leergefegte Straßen. Quietschende
Reifen, Motorgeprotze, mit cooler Miene verabredete Wetten und noch
cooleres Austricksen der Autoritäten - obwohl man zu dem Zeitpunkt noch
nichts weiß über die Protagonisten, ist doch völlig klar, dass es im
Folgenden um echte Männerfreundschaft gehen wird.
## Der eigentliche Plot
Erst nach diesem testosterongefüllten Auftakt widmet sich der Film der
eigentlichen Geschichte: Der vom Nacken abwärts gelähmte Aristokrat
Philippe, distinguiert, aber misslaunig, wie es Herren in seiner Lage
geziemt, sucht einen neuen Pfleger. Offenbar hält es keiner lange bei ihm
aus. Die Montagesequenz verkehrt das freilich ins glatte Gegenteil, indem
sie sämtliche Bewerber als mehr oder weniger schmierige Heuchler outet, mit
denen auch der gutmeinendste Gelähmte keinen Tag verbringen wollte.
Ins Schaulaufen der Loser schneit nichts ahnend der schwarze
Kleinkriminelle Driss aus den Banlieues herein, der sich erst gar nicht
bewerben will, sondern nur eine Unterschrift fürs Amt braucht. So wenig
Mitgefühl, sozialen Schliff und Interesse an seinem pflegebedürftigen
Gegenüber zeigt Driss, dass Philippe ihn auf der Stelle einstellt. Der
Zuschauer, präzise gebrieft, versteht das besser als Philippes zunächst
konsterniert reagierende Umgebung.
"Ziemlich beste Freunde" ist kein Film, der auf Überraschungen setzt. Zu
welch inniger Kameraderie es zwischen Driss und Philippe kommen wird, hat
ja bereits der Vorspann gezeigt. So schematisch die Inszenierung der
Gegensätze der Welten ist - Driss staunt über die großen Zimmer und die
komfortable Badausstattung -, so charmant geht der Film mit den weniger
appetitlichen Details der Pflege um.
Driss muss das männliche Tabu überwinden, einen anderen Mann anzufassen,
ihn gar zu massieren und, Grauen über Grauen, ihm die Scheiße aus dem Arsch
zu holen. Charmant heißt in diesem Zusammenhang: verbal wird geplänkelt,
aber auf weitere Deutlichkeiten wird verzichtet.
Die wahre Geschichte - sie wird anders gewesen sein. Dafür, um noch einmal
zurück zu den "echten" Gestalten an der Klippe zu kommen, gehört sie immer
noch ganz ihnen.
"Ziemlich beste Freunde". Regie: Olivier Nakache. Mit François Cluzet, Omar
Sy u. a. Frankreich 2011, 110 Min.
3 Jan 2012
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Kino
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