| # taz.de -- Situation für Geflüchtete: Mehr als Luftbrücke | |
| > Für unsere_n Autor_in bedeutet „Refugees Welcome“ mehr als nur eine | |
| > Luftbrücke. Sondern auch einen sicheren Aufenthaltsstatus für Flüchtende. | |
| Bild: Das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen | |
| Es jähren sich die rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen. Vom 22. | |
| bis zum 26. August 1992 tobte der völkische Mob vor der Zentralen | |
| Aufnahmestelle für Asylbewerber_innen und vor dem Sonnenblumenhaus, in dem | |
| ehemalige Vertragsarbeiter_innen aus Vietnam lebten. Die Polizei kam zu | |
| spät, verzog sich zwischendurch, erschien mit zu wenig Personal. Das | |
| staatliche Versagen erlaubte, dass die Ausschreitungen vier Tage dauerten. | |
| 3.000 Deutsche standen daneben und applaudierten vor der brennenden | |
| Unterkunft, als sei Silvester. | |
| Wenn ich sage „Refugees Welcome“, dann meine ich nicht nur eine Luftbrücke | |
| nach Kabul, sondern auch einen sicheren [1][Aufenthaltsstatus für | |
| Flüchtende] und die Einigung darauf, dass sich so etwas wie in Rostock | |
| niemals wiederholen darf. Doch es hat sich bereits zu oft wiederholt, in | |
| den 1990ern, aber auch nach 2015. Wenn sich aus dem häufig genannten Jahr | |
| etwas nicht wiederholen darf, dann der Anstieg von Gewalt gegen | |
| Geflüchtete. Oder das Verschwinden Tausender geflüchteter Kinder. | |
| Jede zweite cis Hetera, die ich kenne, ist gerade schwanger oder hat in den | |
| letzten 18 Monaten ein Kind geboren. Ich habe nichts gegen Kinder, ganz im | |
| Gegenteil. Ich bin dafür, dass alle, die Kinder wollen, welche bekommen, | |
| und dass alle, die nicht wollen, auch nicht müssen und im Falle einer | |
| ungewollten Schwangerschaft einen sicheren Zugang zu Abtreibungen bekommen. | |
| Das sollte selbstverständlich sein, doch das ist es nicht. In Deutschland | |
| sind Schwangerschaftsabbrüche nicht per se legal und in manchen Orten | |
| müssen Menschen für eine Abtreibung mehrere hundert Kilometer fahren. | |
| Am 17. September wollen Abtreibungsgegner_innen in Berlin aufmarschieren. | |
| Zum Glück gibt es feministischen Gegenprotest, der trotz staatlicher | |
| Repression unermüdlich wie ein heller Stern am Himmel durch diese düsteren | |
| Zeiten leitet. Reproduktive Gerechtigkeit und körperliche Selbstbestimmung | |
| sind keine Nice-To-Haves, sondern Must-Haves. Wer die Taliban verurteilt, | |
| muss auch hier für die [2][Rechte von FLINTA] einstehen. | |
| Dazu zählt nicht nur, verhüten und abtreiben zu dürfen, sondern ein Kind zu | |
| gebären und es behalten zu dürfen. Das führt zurück zum Sonnenblumenhaus. | |
| Während die DDR gelobt wird, im Vergleich zu Westdeutschland | |
| fortschrittlicher in puncto Abtreibung gewesen zu sein, wird ein Detail | |
| häufig übersehen: [3][Für vietnamesische Vertragsarbeiter_innen gab es | |
| keine reproduktiven Rechte]. Ihnen drohten Abschiebungen, wenn sie ihre | |
| Schwangerschaften nicht abbrachen. | |
| Zur reproduktiven Gerechtigkeit gehört aber auch das Recht, in relativer | |
| Sicherheit aufwachsen zu können. Es kann immer etwas Unvorhersehbares | |
| passieren, doch es gibt Gefahren, über die wir als Gesellschaft mehr | |
| Kontrolle haben: Klimawandel oder strukturelle Gewalt. Das wirkt sich auf | |
| die Lebensqualität und -erwartung aus. Wollen wir wirklich über Kinder als | |
| etwas nachdenken, was Leute sich leisten können müssen? | |
| 26 Aug 2021 | |
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| [1] /Gruenen-Politikerin-Toure-ueber-Migration/!5791116 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=hCSWDsZScuw | |
| [3] /Auslaendische-Arbeiter-in-der-DDR/!5187255 | |
| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
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