# taz.de -- Regisseurin über Optimismus und Musik: "Da hat es bei mir klick ge… | |
> Hinter den Kulissen des Musikgeschäfts: "Utopia Ltd." von Sandra Trostel | |
> zeigt das Making of der Popband 1000 Robota (Perspektive Deutsches Kino). | |
Bild: "Ich zeige stets, dass ich mit anwesend bin": die Regisseurin Sandra Tros… | |
taz: Frau Trostel, worauf bezieht sich der Titel "Utopia Ltd."? | |
Sandra Trostel: Meinen Filmtitel habe ich einer britischen Operette aus dem | |
späten 19. Jahrhundert entlehnt, "Utopia Limited or The Flowers of | |
Progress". Sie setzte sich satirisch mit dem Umstand auseinander, dass | |
insolvente Firmen ihre Gläubiger nicht bezahlen müssen, was im Empire sehr | |
verbreitet war. Mein Film erzählt, wie sich Musiker nach dem Geldfluss | |
richten und daran fast zerbrechen. | |
Sie zeigen das schwierige Making of einer jungen Popband. Welche Popmythen | |
waren dafür konstituierend? | |
Am Ende des Films erwachsen 1000 Robota als Band, die zwar in die Mühlen | |
des Musikbusiness geraten ist, sich aber trotzdem treu bleibt. Von Mythen | |
wie "Sex, Drugs and Rock n Roll" handelt mein Film definitiv nicht. Eher | |
geht es ums Über-die-Stränge-Schlagen. 1000 Robota sind Platzhalter für | |
andere Bereiche. Etwa für die Frage: Was spielen Ideale und Moral überhaupt | |
noch für eine Rolle? | |
Ist der ökonomische Druck, dem Sie als Filmemacherin ausgesetzt sind, | |
vergleichbar mit den Auseinandersetzungen von 1000 Robota mit ihrer | |
Plattenfirma? | |
Die Fertigstellung meines Films war durchaus konfliktgeladen. Ich habe | |
meiner Produzentin oft gesagt, ich halte dies oder jenes für richtig und | |
mache den Film genau so, wie ich mir das gedacht habe. Dass er nun die | |
"Perspektive deutsches Kino" eröffnet, gibt meinem Beharren recht. | |
Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf 1000 Robota? | |
Ich habe eines ihrer frühen Konzerte gesehen, und der Sänger Anton | |
Spielmann sagte zur Begrüßung: "Warum sind hier alle so alt?" Da hat es bei | |
mir klick gemacht. Ihr rotziges Verhalten und ihre schlampige Performance | |
sprachen mich an. Etwas Vergleichbares hatte ich lange nicht gesehen. | |
Wie gelang es Ihnen, der Band nahe zu sein und trotzdem kritische Distanz | |
zu wahren? | |
Ich habe mich als Person zurückgenommen. Meine Kamerafrau Lilli Thalgott | |
hat gesagt, wir werden zur Tapete. | |
Was heißt das? | |
Wir sind tief im Raum verschwunden mit der Kamera, obwohl wir immer mit | |
dabei waren. Mir war wichtig, dass die drei Bandmitglieder ihre | |
Lebensentwürfe selbst erzählen. Ich wollte nicht im Nachhinein über ihren | |
Alltag berichten, ich wollte mittendrin sein, miterleben und nicht werten. | |
Wie gestaltete sich die Suche nach Bildern, die der Musik und dem | |
Lebensgefühl von 1000 Robota entsprechen? | |
Meine Collage aus Bildern und Tönen zeigt eher den inneren Zustand der Band | |
und wie er durch mich als Regisseurin hindurchgeht. Wenn ich ein Gefühl zu | |
den Situationen entwickelt habe, dann haben sich die passenden Bilder | |
automatisch gefunden. | |
Was bereitete am meisten Probleme? | |
Mit 18-Jährigen zu drehen stellte mein Zeitgefühl auf den Kopf. Da | |
bedeutete eine Woche eine halbe Ewigkeit. Vom Beginn der Dreharbeiten zur | |
Fertigstellung vergingen drei Jahre. Das hat sich niedergeschlagen in 160 | |
Stunden Material. Schon unterwegs suchten Lilli Thalgott und ich Bilder, | |
die wir nachher auch so zusammenmontiert haben. Das hat viel mit dem Gefühl | |
für den Moment zu tun. Mir gefällt Direct Cinema, weil es einfach nur | |
zeigt, was passiert. Ich zeige auch stets, dass ich mit anwesend bin. In | |
dem Moment, wo ich die Kamera in die Hand nehme, werde ich subjektiv. | |
Wie war es, sich als Filmemacherin in einer reinen Jungswelt zu bewegen? | |
Ich fand es lustig, denn ich bin mit 34 Jahren fast doppelt so alt wie die | |
drei Musiker. Als ich selbst 18 war, durfte ich an vergleichbaren | |
Jungsrunden nie teilnehmen. Ich bin in eine Teeniewelt zurückgekommen, die | |
ich schon längst hinter mir gelassen hatte. Beim 18. Geburtstag gab es | |
einen Tisch mit Mädchen und einen mit Jungs. Ich saß am Jungstisch als | |
einzige Frau. Aufregen konnte mich da nichts. Nicht mal der Spruch "Alte | |
Frau, geh weg". | |
Ist Ihr Film optimistisch? | |
Doch, doch. Trotz aller bitteren Momente wie etwa die Strapazen und der | |
Stress, die 1000 Robota für ihre Musik durchleben müssen, zeigt er etwas | |
Hoffnungsvolles. Dass es möglich sein muss in unserer Gesellschaft, so wie | |
1000 Robota, sich in aller Ruhe zu entwickeln. Dazu gehört es auch, | |
Fehlentscheidungen zu treffen. Persönlichkeit ist keine von oben | |
aufgesetzte Maske, sie ist nicht marktbestimmt. | |
Sie zeigen Ihre Band auch als emotional verwundbar. Konnten Sie Ihnen das | |
nachfühlen? | |
Das Gefühl des Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Gehens kann ich sehr gut | |
nachvollziehen. Ich hab das vielleicht als Teenager anders ausgetragen, | |
aber ich habe mich auch nie unterkriegen lassen. Ich merke aber, dass ich | |
als Frau an gewissen Stellen viel mehr kämpfen muss. Trotzdem finde ich es | |
interessant, wie sich Frauen und Männer immer mehr einander annähern. | |
"Utopia Ltd.": 11.2. 19.30, CinemaxX 3; 12.2. 13 Uhr, Colosseum 1; 20.30 | |
Uhr, CinemaxX 1. | |
11 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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Schwerpunkt Zensur im Iran | |
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