# taz.de -- Rechtsradikaler Aufmarsch: Prügelnde Nazis in Kreuzberg | |
> Bei einem Naziaufmarsch in Kreuzberg schlagen Teilnehmer auf Passanten | |
> und Gegendemonstranten ein. Vorläufig Festgenommene sind am Sonntag | |
> wieder frei. | |
Bild: Durften Migranten und Gegner verhauen: Nazis am Mehringdamm. | |
Erst war es nur ein Gerücht auf Facebook. Auch die Polizei wollte bis | |
zuletzt nicht bestätigen, dass es eine Nazi-Demonstration durch Kreuzberg | |
geben solle. Als sich am Samstagmittag tatsächlich 120 Rechtsextreme am | |
Mehringdamm versammelten, hatte trotzdem ein Bündnis aus Antifaschistischer | |
Linker, Ver.di-Jugend und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes | |
etwa 400 Gegendemonstranten mobilisiert, die den rechten Aufmarsch | |
blockierten. | |
46 vorläufige Festnahmen, 36 verletzte PolizistInnen - so die Bilanz der | |
Polizei nach der NPD-Demo mit dem zynischen Motto "Wahrheit macht frei - | |
für die Erfassung der Nationalität bei Straftaten". Zahlen über Verletzte | |
unter Nazis und GegendemonstrantInnen lagen der Polizeipressestelle bei | |
Redaktionsschluss der taz noch nicht vor. Die Route der Nazis war von der | |
Polizei bis zuletzt geheimgehalten worden. Zunächst hatte der Platz der | |
Luftbrücke in Tempelhof als Startort gegolten. Gegen Mittag verbreitete | |
sich dann die Neuigkeit, dass ein Lautsprecherwagen mit Demo-Anmelder | |
Sebastian Schmidtke und dem Neuköllner NPD-Mann Jan Sturm am Hermannplatz | |
unterwegs sei. Dort fand zugleich ein von einem Moscheeverein organisiertes | |
Kinderfest statt. Später stiegen dann etwa 120 Rechtsextreme aus dem | |
U-Bahnhof Mehringdamm, wo sie von den GegendemonstrantInnen erwartet | |
wurden. | |
Nach Zeugenberichten traten die Rechten sehr aggressiv auf, schlugen nicht | |
nur Gegendemonstranten, sondern auch unbeteiligte migrantisch aussehende | |
Passanten zusammen. Die Polizei, nach eigenen Angaben mit 600 BeamtInnen | |
vor Ort, hatte das Geschehen offenbar nicht im Griff. "Die ließen sich von | |
den Rechten reinlegen", so Lars Laumeyer von der Antifaschistichen Linken | |
Berlin. Etwa 50 "durch die Blockadesituation extrem wütenden Nazis" gelang | |
es, durch den U-Bahnhof die Polizeisperre zwischen Demo und Gegendemo zu | |
durchbrechen und zwischen die Nazigegner zu gelangen. | |
## "Migrantisch aussehende Passanten geschlagen" | |
Die Polizei habe hilflos zugesehen, sagt Laumeyer, der schwere Vorwürfe | |
gegen die Beamten erhebt. "Im U-Bahnhof haben die Rechten migrantisch | |
aussehende Passanten angepöbelt und geschlagen. Polizisten waren da, haben | |
aber nicht eingegriffen." Auch auf dem Mehringdamm hätten Rechte auf | |
Gegendemonstranten eingeprügelt, die Polizei habe viel zu spät gehandelt. | |
Die Anmelder der Gegendemo gehen von mindestens 30 Verletzten unter ihren | |
TeilnehmerInnen und Passanten aus. | |
Max ist einer von vier Sitzblockierern, die von den Rechten überrannt und | |
verletzt wurden. "Wir hatten uns am Mehringdamm getroffen, Eis geholt und | |
uns rund 30 Meter vor den Nazis auf die Straße gesetzt", berichtete er der | |
taz. "Erst standen noch Polizisten in Kampfmontur zwischen uns und der | |
Nazidemo. Als die Nazis Richtung Kreuzung losliefen, war die Polizei | |
plötzlich weg. Die Demo lief über uns drüber, Leute traten uns in Köpfe, | |
Rücken und Beine. Irgendjemand hat sich auf mich gestürzt und mir diverse | |
Male auf den Kopf geschlagen." | |
Trotz der Bitten einer unbeteiligten Zeugin habe die Polizei sich | |
geweigert, Sanitäter für die Verletzten zu holen. Die Opfer wollen nun | |
Strafanzeige erstatten - auch gegen die Polizei. | |
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus, war vor Ort und zeigte sich am Sonntag schockiert über | |
das Verhalten der Polizei. "Mit ihrer Geheimhaltungstaktik hat die Polizei | |
in Kauf genommen, dass Unbeteiligte verletzt wurden. Das ist nicht | |
hinnehmbar." Lux will die Vorgänge am 23. Mai im Innenausschuss | |
thematisieren. "Ich finde, dass da noch viele Fragen offen sind." Um Szenen | |
wie am Samstag zu verhindern, solle die Polizei künftig die Routen aller | |
angemeldeten Demos für alle sichtbar ins Internet stellen, forderte der | |
Politiker. | |
## Kundgebung an Bahnhöfen der U 7 verhindert | |
Gegen 13 Uhr löste nach Polizeiangaben der Anmelder der Nazi-Demo seine | |
Veranstaltung auf. Teilweise hätten sich später an Bahnhöfen der Linie U 7 | |
Rechte zu weiteren Kundgebungen zu versammeln versucht, so ein | |
Polizeisprecher, dies sei jedoch von der Polizei verhindert worden. Gegen | |
15 Uhr habe sich die Lage endgültig beruhigt. | |
Die Geheimhaltung der Nazidemo sei "aufgrund der Analyse der Gefährdung" | |
erfolgt, so ein Polizeisprecher am Sonntag gegenüber der taz. Wenn | |
"Linksextremisten und Rechtsextremisten" aufeinanderträfen, führe das "zu | |
äußerster Brutalität". Dies zu verhindern, sei die Aufgabe der Polizei. | |
15 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
Alke Wierth | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |