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# taz.de -- Protest an der FU: Aufstand in der Silberlaube
> Die StudentInnen der FU wollen die neue Studienordnung, die bald gelten
> soll, nicht akzeptieren. Unterstützt wird ihr Protest von ProfessorInnen.
Bild: Die Rahmenstudienordnung soll Ende Juni beschlossen werden.
Fast 1.000 StudentInnen sitzen im Hörsaal 1a der Freien Universität (FU),
nur noch wenige Plätze sind frei. Am Rednerpult hängt ein Plakat: „Der
Druck steigt“. Plötzlich eine Durchsage per Megafon: „Achtung, Achtung! Ihr
werdet alle exmatrikuliert!“ Die Ansage ist ein Spaß der VeranstalterInnen,
der aus Sicht vieler Anwesenden bald ernst werden könnte: Bei dieser
studentischen Vollversammlung geht es um die neue Rahmenstudienordnung, die
Ende Juni verabschiedet werden soll und das Studium für alle StudentInnen
an der FU verändern wird. Auch ProfessorInnen kritisieren die neue Ordnung:
Sie sei ebenso restriktiv wie aufwandsintensiv.
Protest an der Uni ist kein ungewöhnliches Bild. Zuletzt hatte es im
Bildungsstreik 2009 ähnlich große Vollversammlungen gegeben, auch damals
wurden Plakate entrollt. Doch die momentane Situation ist anders, wie eine
Rednerin auf der Versammlung betont: „Diesmal protestieren nicht nur wir
Studis gegen das Präsidium, sondern viele ProfessorInnen und
MitarbeiterInnen stehen auf unserer Seite.“ Der Saal applaudiert.
Tatsächlich ist der Unmut an der FU groß. So wurde etwa im Fachbereichsrat
Geschichte/Kultur die Ordnung einstimmig als eine „problematische
Überregulierung und Gängelung“ kritisiert. Gerade in den kleineren Fächern
seien die Vorgaben kaum umsetzbar, sagt Johanna Fabricius, Professorin für
Klassische Archäologie. „Wir wollen die Möglichkeit haben, individuell auf
die StudentInnen einzugehen. Das würde die von oben diktierte Ordnung
verhindern.“ Sie kritisiert auch, dass mit der neuen Ordnung ein „immenser
und völlig unnötiger Verwaltungsaufwand“ einhergehe – und dass das
Präsidium den Fachbereichen viel zu spät Einsicht in den Entwurf gestattet
habe.
Das umstrittene novellierte Berliner Hochschulgesetz schreibt vor, dass es
künftig an jeder Berliner Uni eine solche Rahmenstudien- und
-prüfungsordnung geben soll. Die Unis haben allerdings Spielraum bei der
Ausgestaltung der Ordnung, die an der FU zum Wintersemester in Kraft treten
soll.
Der Entwurf der FU sieht vor, künftig nur noch drei Prüfungswiederholungen
zu gestatten. Fällt ein Student auch beim dritten Mal durch ein
Pflichtmodul, wird er exmatrikuliert – und kann sein Fach an keiner
deutschen Uni weiterstudieren. „Anstatt den Fall individuell zu betrachten
und nach einer Lösung zu suchen, soll es ein aufwendiges juristisches
Verfahren geben, für das wir gar keine Kapazitäten haben“, sagt Fabricius
dazu.
Umstritten sind auch die Studienverlaufsberatungen, die künftig für alle
jene verpflichtend sein sollen, die nach drei Semestern nicht die
vorgeschriebene Zahl an Leistungspunkten haben. Dabei sollen sich die
StudentInnen zu „Maßnahmen zur Erreichung des Studienziels“ verpflichten �…
was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Philipp Bahrt, VWL-Student und
Sozialreferent des Asta FU, sagt dazu: „Diese Regelung setzt vor allem
sozial schwächer gestellte Studierende unter Druck, die zur
Studienfinanzierung arbeiten gehen müssen und dadurch weniger Zeit für ihr
Studium haben.“ Außerdem soll die Anwesenheitspflicht, die nach dem letztem
Bildungsstreik auf Druck der StudentInnen ausgesetzt wurde, wieder
eingeführt und verstärkt werden.
## Demo zum Präsidium
Im Hörsaal 1A ist mittlerweile jeder Platz belegt, viele müssen stehen. Ein
Brief an das Präsidium wird verabschiedet. Spontan bildet sich eine Gruppe
von etwa 200 Menschen, die sich auf den Weg zum Präsidium macht, um den
Brief zu übergeben. Transparente flankieren den Zug, Slogans werden
gerufen. Beim Versuch, durch die Eingangstür des Präsidiums zu kommen, gibt
es Gerangel mit den Sicherheitskräften. Als trotzdem niemand gehen will,
kommen der Kanzler Peter Lange und die Vizepräsidentin Brigitta Schütt
heraus. Es entwickelt sich eine Diskussion zwischen der Spontandemo und den
PräsidiumsvertreterInnen, in der Letztere ihre Dialogbereitschaft betonen.
Ein Witz, finden die StudentInnen: „Wir haben das Präsidium zu einem runden
Tisch eingeladen, bei dem die Studienordnung debattiert werden soll“, sagt
Enis Wilmesmeier, der Politik und Französisch studiert und die
Vollversammlung mit vorbereitet hat. Doch kein Präsidiumsvertreter sei zu
einer Teilnahme bereit gewesen. MALENE GÜRGEN
9 Jun 2012
## AUTOREN
Malene Gürgen
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