| # taz.de -- Österreich verliert im Achtelfinale: „So a Schaaß“ | |
| > Österreichs Team und Fans hadern mit dem 1:2 gegen die Türkei: kein Sieg | |
| > trotz Spielüberlegenheit. Der türkische Torwart hatte etwas dagegen. | |
| Bild: Tu infortunatus Austria (Du unglückliches Österreich): Österreichische… | |
| Leipzig taz | Ein paar österreichische Fans hatten sich vorm Spiel im | |
| Museum der bildenden Künste verloren, um sich, ohne dies zu ahnen, auf ihr | |
| Schicksal einzustimmen. In der zweiten Etage des Leipziger Museums hängt | |
| „Der Schmerzensmann“, ein Bildnis des Künstlers Meister Francke aus dem | |
| Jahr 1425. Eine bleiche Jesus-Figur in den letzten Zügen wird nur noch von | |
| einem Engel aufrecht gehalten. | |
| So leer und ausgemergelt wirkten nach [1][dem wilden 1:2 der Österreicher] | |
| gegen ein mit letzter Kraft kämpfendes türkisches Team nicht nur die | |
| Spieler, sondern auch viele Fans, deren Stimmung jäh gekippt war vom | |
| vorfreudigen Überschwang, der die Straßen rund ums Zentralstadion erfüllt | |
| hatte, in eine tiefe, stille Niedergeschlagenheit. „So a Schaaß“, war immer | |
| wieder zu hören, und die Köpfe hingen tief, hatte man doch fest daran | |
| geglaubt, zum ersten Mal ins Viertelfinale bei einer | |
| Fußballeuropameisterschaft einziehen zu können. | |
| Dass es da bereits eine mentale Buchung von mindestens einem weiteren | |
| Knock-out-Spiel gab, das ließ auch [2][Österreichs deutscher Trainer Ralf | |
| Rangnick] durchblicken: „Für uns war klar, dass die Reise noch länger | |
| weitergeht und wir uns in unserem Quartier in Berlin auf die nächsten | |
| Spiele vorbereiten. Es ist vollkommen klar, dass im Moment eine | |
| Enttäuschung und eine Leere da ist“, sagte der Teamchef, der den in der | |
| Vergangenheit stets zaudernden Ösis ein solides Selbstbewusstsein und | |
| taktische Stabilität mitgegeben hat. | |
| Doch die Türken hatten ein furchtbar simples Mittel, um das vielgerühmte | |
| Pressing der [3][eifrigen Rangnick-Schüler] auszubremsen. Sie schlugen ihre | |
| Ecken, vier an der Zahl waren es in diesem Spiel, jeweils auf den kurzen | |
| Pfosten. Damit überrumpelten sie die vermeintlichen Taktikfüchse schon nach | |
| 57 Sekunden – zweitschnellster Treffer in der EM-Geschichte. | |
| ## Clevere Eckbälle der Türken | |
| Österreichs Defensive, vor allem Philipp Lienhart und der noch | |
| unglücklicher agierende und deswegen früh ausgewechselte Phillipp Mwene, | |
| kam mit diesen Flanken nicht klar, die Türken sprangen jeweils deutlich | |
| höher beziehungsweise machten mehr draus, und so war es in beiden Fällen | |
| Merih Demiral vom saudischen Klub Al-Ahli, der diese cleveren Eckbälle von | |
| Jungtalent Arda Güler verwertete. | |
| Die Metrik des Spiels ist nun einmal gnadenlos: Wer trifft, hat recht – | |
| auch wenn Ralf Rangnick die Fußballwelt nicht mehr so recht verstehen | |
| konnte. Österreich ist raus trotz 20:6 Torschüssen, trotz eines krassen | |
| 2,73 zu 0,87 im Expected-Goals-Wert (xG), mehr Ballbesitz und großer | |
| Dominanz. | |
| „Wir hatten so viele Torchancen wie im März, aber da haben wir 6:1 | |
| gewonnen“, sagte Ralf Rangnick und ergänzte: „Deswegen fühlt sich das | |
| gerade noch sehr surreal, sehr grotesk an, dass wir nach so einer Leistung, | |
| vor allem in der zweiten Halbzeit waren es 45 Minuten Powerplay, die | |
| Heimreise antreten müssen“, wunderte sich Rangnick. „Ein paar von uns haben | |
| geweint. Wir sind nicht verdient ausgeschieden“, sagte Michael Gregoritsch, | |
| dessen Anschlusstreffer, ebenfalls nach einer Ecke, nicht reichte fürs | |
| Weiterkommen. | |
| Alles warfen die Ösis hinein, verausgabten sich im Leipziger Regen bis zum | |
| Gehtnichtmehr, aber selbst eine Großchance von Christoph Baumgartner in der | |
| Nachspielzeit vereitelte der türkische Keeper Mert Günok in wahrlich | |
| glänzender Manier. In der Türkei war man sich schnell einig, dass diese | |
| Rettungstat das Format der Gordon-Banks-Parade aus dem Jahr 1970 hatte; | |
| „Banks of England“ hatte seinerzeit bei der WM einen Aufsetzer-Kopfball von | |
| Pelé toll gehalten. | |
| ## Gigant im Tor | |
| Der Weltfußballverband Fifa hatte diese Szene als eine der besten | |
| Rettungstaten in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften | |
| ausgezeichnet. Baumgartner köpfte also freistehend vorm Tor, der Ball | |
| titschte auf, schien über die Torlinie zu springen, doch Günok erreichte | |
| den Ball mit einem wunderbaren Reflex. „Mit Gordon Banks im Tor ist dann | |
| leider auch die letzte große Chance, die wir hatten, nicht ins Tor | |
| gegangen“, haderte Rangnick. | |
| Angreifer Michael Gregoritsch sprach ehrfürchtig von einer „der besten | |
| Paraden, die ich live am Platz gesehen habe“. Man müsse dem türkischen | |
| Torhüter „echt Anerkennung zollen, das war für mich eigentlich ein sicheres | |
| Tor“, sagte der Freiburger. Und auch Baumgartner war perplex: „Ich glaube, | |
| ich mache nicht so viel falsch.“ | |
| Ralf Rangnick war sich sicher, dass Österreich in der Verlängerung gewonnen | |
| hätte, „wenn der Kopfball reingeht“. Die Szene hatte jedenfalls einen | |
| xG-Wert von 0,94. Dies bedeutet, dass statistisch gesehen eine solche | |
| Chance in 94 von 100 Fällen zu einem Treffer führt. Günok entwickelte sich | |
| an diesem Abend jedoch zu einem „Giganten im Tor“, wie die türkische | |
| Zeitung Hürriyet schrieb. | |
| Trotz ihrer Fassungslosigkeit spendeten viele österreichische Fans ihrem | |
| Team Applaus und Anerkennung für ein erneut sehr mutiges Spiel, und auch | |
| der nach Leipzig gereiste österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer | |
| schrieb hernach auf der Plattform X: „Erhobenen Hauptes verabschiedet sich | |
| unser Nationalteam von dieser EM. Österreich ist stolz auf Euch!“ | |
| 3 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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