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# taz.de -- Ökumenisches Gedenken: Drei Kapläne und ein Protestant
> In Lübeck gibt es jetzt eine „Märtyrer“-Gedenkstätte für vier von den
> Nazis hingerichtete Geistliche. Diese Art ökumenischen Gedenkens ist
> bundesweit einzigartig.
Bild: Gemeinsamkeit Ökumene: Gedenkstätte für die Lübecker "Märtyrer".
LÜBECK taz |Dieses Gebäude funktioniert auch ohne die neue Gedenkstätte.
Die katholische Lübecker Herz-Jesu-Kirche ist ein schlichter Backsteinbau
mit roten Fenstern, die mit der Fußbodenfarbe harmonieren. Hell und
großzügig wirkt das Ganze, und auch als Nicht-Katholik fühlt man sich
gleich ruhig, fast andächtig.
Dabei war hier im Dritten Reich eine Menge los. Die drei Kapläne Johannes
Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller haben hier diskutiert und
gepredigt, es waren harte Zeiten. Es herrschte Nazi-Terror, die Rede auch
in der Kirche war nicht frei, und wer gegen das Regime wetterte, lebte mit
dem Risiko.
Die drei Lübecker Kapläne scheuten es nicht. Unbeirrt verbreiteten sie die
Predigten des Münster’schen Kardinals Clemens Augusts Graf von Galen. Der
hatte Rassenideologie und Euthanasie der Nazis immer wieder kritisiert. Er
war dem Regime ein Dorn im Auge, aber Hitler wagte sich an den beliebten
Geistlichen nicht heran. Aber die „zweite Reihe“ – die war quasi vogelfre…
Die drei Kapläne wurden 1943 verhaftet, zum Tode verurteilt und am 10.
November im Hamburger Gefängnis Holstenglacis hingerichtet.
Das Besondere daran: Es war auch ein Protestant dabei, der erst 1993
rehabilitierte Karl Friedrich Stellbrink, der zunächst glühender Nazi
gewesen war. 1934 kehrte er sich ab und wurde 1937 aus der NSDAP
ausgeschlossen. 1941 freundete sich mit Prassek an, lernte die anderen
beiden Kapläne kennen und ging mit ihnen den Tod. „Freunde haben den vier
Geistlichen damals vorgeworfen, dass sie es zu weit getrieben hätten“, sagt
Franz Mecklenfeld, Propst der Herz-Jesu-Kirche. „Aber sie haben gesagt, wer
soll Kritik üben, wenn nicht wir?“
Das war keine Floskel: Die vier waren so stark in ihrem Glauben, dass sie
in ihren Abschiedsbriefen von ihrer Freude schreiben, endlich zu Gott zu
kommen. Vor diesen Zeugnissen der Unbeugsamkeit hatten die Nazis solche
Angst, dass sie sie nie den Angehörigen übergaben. Sie wollten keine
Märtyrer erschaffen. Die Briefe fand man erst vor wenigen Jahren. Und dann
kam es genau so: Schon 1955 setzte in Lübeck die Verehrung ein, als man in
der Herz-Jesu-Kirche eine Krypta aushob, die Teil der jüngst eröffneten
Gedenkstätte ist. Die Krypta war ursprünglich ein Kohlenkeller, den Kaplan
Müller 1940 zum Jugendgruppenraum umbaute. Und während Müllers und Prasseks
Asche im KZ Neuengamme verstreut wurden, sind Hermann Langes Überreste
identifizierbar erhalten: Seine Urne steht hier, in einer Nische der
Krypta.
Das war aber nicht genug: 2011 wurden die Kapläne auf Betreiben von
Hamburgs Erzbischof Werner Thiessen selig gesprochen. Später sammelte der
nach dem Märtyrer-Todestag benannte „Ökumenische Arbeitskreis 10. November�…
Geld für einen Kirchenanbau, der als Gedenkstätte dienen sollte. Jetzt ist
sie fertig, einer Seitenkapelle gleich, und es ist ein dezenter, sachlicher
Ort geworden: Auf beleuchteten Tafeln werden Voraussetzungen, Entwicklung
und Ende des Dritten Reichs und der vier Geistlichen erklärt. Gegenüber
deren Porträts. Ein paar Treppenstufen weiter unten finden sich
Informationen zu 18 Jugendgruppen-Mitgliedern, die man vorübergehend mit
festnahm. Auch von der Haushälterin Johanna Rechtien, die Hostien und
Messwein ins Gefängnis schmuggelte, wird erzählt. Später soll eine
„Schatzkammer“ den Hinterlassenschaften der Geistlichen hinzukommen – qua…
eine „Reliquienkammer“.
Sie wird wohl nicht so heißen, aber das ist gemeint und wirkt so fremd wie
die Vokabel „Märtyrer“. Ein zeitgemäßer Begriff? „Natürlich muss man …
abgrenzen von den selbst ernannten islamistischen Märtyrern“, sagt Propst
Mecklenfeld. „Christliche Märtyrer provozieren nie ihren Tod, sondern
erleiden ihn, meist durch die Herrschenden.“ Und das Besondere an diesen
vier Geistlichen sei ja deren Ökumene gewesen. Das war damals quasi ein
No-Go. „Die Kirchen waren einander sehr fern“, sagt Mecklenfeld. Und bis
auf den heutigen Tag sei ein solch ökumenisches Gedenken einzigartig in
Deutschland.
Trotzdem ist es auch in Lübeck nicht ganz durchgehalten, und das aus gutem
Grund: Die Urne Karl Friedrich Stellbrinks ist in der evangelischen
Lutherkirche aufgestellt, in der er predigte. Hinter einer Grabplatte am
Eingang der Kirche wurde sie in die Wand eingelassen, und da wird sie
bleiben – als Teil einer Ausstellung, die die Geschichte der in der
Nazizeit erbauten Kirche mit der des Ex-Nazis Stellbrink verknüpft.
Bleibt noch die Frage nach der Rolle des Kardinals August Clemens von
Galen, um dessentwillen die vier starben: Wieso hat er sich nicht für sie
verwendet? Gewusst muss er es haben, denn er arbeitete mit dem Osnabrücker
Bischof Wilhelm Berning zusammen, der 1943 ein Gnadengesuch für die Kapläne
einreichte. „Vielleicht haben sie diese Dinge arbeitsteilig erledigt“,
vermutet Mecklenfeld. Von Galen habe sicher Anteil am Schicksal der vier
Geistlichen genommen. Im Nachhinein sei aber schwer zu beurteilen, ob er
die vier durch offensive Fürsprache hätte retten können.
29 Nov 2013
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Lübeck
Gedenken
Gedenken
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