# taz.de -- Nostalgie: Zurück auf den Immenhof | |
> Auf dem Gut Rothensande bei Bad Malente wurde 1955 der Film "Die Mädels | |
> vom Immenhof" gedreht. Nun kann man das Gut besuchen - und Ponys | |
> streicheln. | |
Bild: Berühmtes Gut: Hier wurde der Film "Die Mädels vom Immenhof" gedreht. V… | |
Auf der Straße, es ist eine kleine, steht ein Polizist, der den Verkehr | |
regelt. Autos auf Parkplatzsuche, Autos auf dem Weg nach Hause, Oldtimer, | |
Trecker, Kutschen, Pferdeanhänger und kleine Golfwagen, in denen sich | |
Senioren fahren lassen. | |
Das Motto heißt "Ferien auf Gut Immenhof", der Eintritt kostet 9,50 Euro. | |
Vielleicht ist die Erklärung dafür, dass der Andrang den Einsatz der | |
Polizei erforderlich macht, darin zu suchen, dass der frühere Besitzer von | |
Gut Rothensande bei Bad Malente, der verstorbene Artur Nörenberg, niemand | |
hinein ließ, der nicht hinein gehörte. Und der neue Besitzer, Franz-Josef | |
Stolle, der das Anwesen "Gut Immenhof" nennt, jeden hinein lässt, der | |
zahlt. | |
Aber vielleicht reicht diese Erklärung nicht aus. Hier wurde ein Film | |
gedreht, der 1955 in die Kinos kam. Er heißt "Die Mädels vom Immenhof" und | |
ging auf das Buch "Dick und Dalli und die Ponies" von Ursula Bruns zurück. | |
Heidi Brühl spielte die Dalli, neben ihr etliche Mimen, die schon in | |
nationalsozialistischen Filmen agiert hatten. Die Hauptrolle spielten die | |
Ponys. Es gab, da der Film ein Erfolg war, in den Jahren 1956 ("Hochzeit | |
auf Immenhof") und 1957 ("Ferien auf Immenhof") Nachfolger, die besser | |
ankamen als die Versuche in den 70er Jahren, die nicht auf Rothensande | |
gedreht wurden. | |
In den "Mädels vom Immenhof" geht es darum, dass Oma Jantzen, die ihr Gut, | |
die Ponys und ihre Enkelinnen Angela, Dick und Dalli liebt, mit dem Verkauf | |
der lustigen Vierbeiner finanziell nicht mehr rumkommt. | |
Im Film geht dann alles gut aus, weil Geld und Gefühl schließlich | |
zueinander finden und auch noch heiraten. Anders im Jahr 2009, als das Gut | |
vor der Zwangsversteigerung stand, weil die Erbengemeinschaft nach dem Tod | |
Nörenbergs zerstritten war: zwei Ehefrauen, fünf Kinder. Verkehrswert des | |
181 Hektar großen Guts mit Gebäuden, in die lange nichts investiert worden | |
war: 5,9 Millionen Euro. Eine Tochter Nörenbergs war dann doch bereit, | |
Ländereien und Herrenhaus einzeln verkloppen zu lassen. | |
Kurz vor der Versteigerung kam Franz-Josef Stolle aus Oldenburg und kaufte | |
den ganzen Laden. Sein Vater Franz war einer der drei Stolle-Brüder, die | |
1954 in Vechta ein Unternehmen gegründet hatten, das erfolgreich Geflügel | |
züchtete, schlachtete und vermarktete. Hähnchen waren in den 60er Jahren, | |
vor Pizza und Kebab, des Deutschen liebste Speise. Franz Stolle trennte | |
sich von seinen Brüdern und gründete Stolle-Frost, ein Kühl- und Lagerhaus, | |
das Franz-Josef und sein Bruder Hubertus an Nordfrost verkauft haben. | |
Franz-Josef Stolle macht nun in Pferden. Das ist sozialer Aufstieg. Ihm | |
gehört eine Reitanlage mit Reithalle und Pensionsställen in Visbek, die er | |
verpachtet hat. In Gut Immenhof will er zehn Millionen Euro investieren: | |
Pony-Hotel mit Restaurant, Ferienwohnungen, landwirtschaftliche Nutzung, | |
noch ein Restaurant. | |
Im Sommer soll es losgehen, alle sind froh: Landeskonservator Michael | |
Paarmann, Bürgermeister Michael Koch (CDU), Landtagsabgeordnete Herlich | |
Marie Todsen-Reese (CDU). Man hätte sich auch was anderes vorstellen | |
können: Das Gut mit seinem See, den Bäumen, den Lichtungen, ist ein idealer | |
Platz für Stadtkinder aus sozialen Brennpunkten, die nicht raus kommen, nie | |
reiten können, und deshalb Ponys nötig haben. Oder für kranke Kinder, denen | |
therapeutisches Reiten helfen würde. Doch das bringt kein Geld. | |
Und Geld ist etwas, was Stolle interessiert. Das wurde am vergangenen | |
Wochenende deutlich, als er, vor Beginn der Umbauarbeiten, auf seinem Gut | |
eine Mischung aus Messe, Ausstellung, Abenteuerspielplatz und Variationen | |
vom Pony präsentierte. | |
Vom Rasenmäher über Gartenmöbel, Porzellan, Käse, Obst, Reitbekleidung, | |
Kunsthandwerk, Angler Sattelschweine, Mandeln, Lebkuchen, Thüringer | |
Waldziegen, VW Käfer, alte Traktoren, Honig, Schwarzwälder Fuchs, | |
Grillwurst, Lederbekleidung bis zum Limpurger Rind. Gut, dass die Evolution | |
dafür gesorgt hat, dass bislang weder Schwein noch Ziege oder Rind eine | |
Verbindung zwischen ihrer Existenz und Leder sowie Grill herzustellen | |
imstande sind. | |
Im Gegenteil: zwei Sattelschweine liegen im Schatten, das dritte wird | |
gestreichelt. Das Kind lacht, das Schwein grunzt. | |
Wenn wir verstehen wollen, warum die Immenhof-Filme ein Erfolg waren, warum | |
Tausende am Sonntag nach Bad Malente gefahren sind, und wo die Chancen für | |
Stolles Pläne liegen, dann müssen wir uns Ponyreiten und -streicheln | |
ansehen. Da legt Justus, vier, seinen Kopf auf den Kopf des Ponys und macht | |
die Augen zu. | |
Ida, drei Jahre alt, darf auf Pam eine Runde reiten, begleitet von Susanne, | |
einer Mitarbeiterin des Hofs, und ihrer Mutter. Auf die angesichts des vor | |
Glück strahlenden Gesichts unsinnige Frage, ob es schön war, sagt Ida: | |
"Jaha." | |
Im Streichelbereich sind Fohlen, das jüngste anderthalb Wochen alt, und | |
ihre Mütter sowie zehn Menschen, außer Justus alle weiblichen Geschlechts. | |
So viele Kinder und keines ist nervös, laut, grob, brüllt oder weint. | |
Draußen sitzen zwei Mädchen, die aufpassen, dass nicht zu viele Kinder auf | |
einmal bei den Fohlen sind. | |
Die Kinder sind glücklich. Pferde wecken Liebe in ihnen. Wie Mama und Papa | |
- nur anders. Chloé ist 20 Monate alt und vorsichtig. Legt ihre Hand sanft | |
auf den Hals des Fohlens. "Hm", fühlt sich gut an. Chloé tritt dem Fohlen | |
aus Versehen aufs Bein, das hebt ein bisschen den Schwanz. | |
Die Erinnerung an den Film hat Stolle in einen kleinen Raum in ein | |
Nebengebäude verbannt. An einem Schrank hängen Fotos und | |
Zeitungsausschnitte. Die Filme laufen, ohne Ton, im Café. Am vergangenen | |
Wochenende hat Stolle mit Immenhof Geld verdient. Wenn die Veranstaltung | |
nicht ganz schrecklich war, dann hat er das den Ponys zu verdanken. | |
11 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
## TAGS | |
Mädchen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das Pferdemagazin „Wendy“ wird 30: Das ultimative Kuscheltier | |
Seit 30 Jahren lesen junge Mädchen die „Wendy“ und träumen von einem | |
abenteuerlichen Leben im Sattel. Warum funktioniert das so gut? |