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# taz.de -- Neues Album von Kate Bush: Zwischen Schneemann und Yeti
> Auf ihrer neuen Platte "50 Words for Snow" hat die Artrockerin ihre
> Familie und befreunde Prominente versammelt. Rausgekommen ist ein
> poppiger Wärmespender.
Bild: Nach 6 Jahren Abstinenz und rechtzeitig zu Weihnachten ist Kate Bush mit …
BERLIN taz | Beim ersten Hören sperrt sich das Album. Minutenlang und
engelszart besingt Kate Bushs 13-jähriger Sohn Albert das Leben einer
Schneeflocke, vor einem wattig aufs Piano getupften Loop in Moll.
Einstimmung auf eine Winterplatte, okay. Doch weiter geht es am Klavier,
flankiert von Stefan Roberts und Michael Woods, die in sakralen Quarten die
tote Frau im kalten "Lake Tahoe" besingen. Schon etwas ungnädig höre ich
über "Misty" hinweg, eine jazzig erzählte Bettgeschichte mit, nun ja, einem
Schneemann. Wird hier ein Konzept zu Tode geritten?
Nach einer guten halben Stunde der vierte und erste Song mit Anflügen von
Ohrwurmqualitäten: Flüsternd huldigt Kate Bush in "Wild Man" dem Yeti, im
Refrain schwingt sie sich gemeinsam mit Andy Fairweather Low zu
glamrockigen Höhen hinauf. Doch da ist es schon zu spät, mit "50 Words for
Snow" werde ich in dieser ersten Runde nicht mehr warm.
## Grande Dame des Artrock
Aber so einfach soll es vermutlich auch gar nicht sein. Kate Bush, die
Grande Dame des britischen Artrock, hat sich fast von Anfang an gegen das
allzu Eingängige gesperrt und ist allen Einflussnahmen von Produzenten,
Plattenfirmen und sonstigen Mitsprechern und -verdienern konsequent aus dem
Weg gegangen, um sich in Ruhe eigenen Studien zu widmen.
Schon ihr erfolgreiches Debütalbum "The Kick Inside" von 1978 strotzte
trotz beängstigender Hitdichte vor esoterischen Extravaganzen: Die damals
19-Jährige besang mit schneidend klarer Elfenstimme Monatsblutung und
Gebärfähigkeit, versöhnte Hoch- und Popkultur in "Wuthering Hights",
beschwor den Teufel und gleich darauf gute Geister wie den "Man with the
child in his eyes".
In nur zwei Jahren gelang es der Arzttochter aus der Grafschaft Kent, sich
von Produzent Andrew Powell und EMI relativ unabhängig zu machen und ein in
Künstlerkreisen - etwa mit David Gilmore und Peter Gabriel - gut vernetztes
Familienunternehmen aufzubauen. Ihre Alben der 80er Jahre sind von
Experimenten mit Synthesizern, Sampling und dem Fairlight CMI geprägt; Bush
gehörte zu den Pionierinnen auf diesem Feld.
Die Hits dieser Jahre - "Running Up That Hill", "Cloudbusting" - klingen
einprägsam, aber auch anstrengend, hysterisch, überinstrumentiert. Dann
wurden die Veröffentlichungen spärlich; in den 90ern und nuller Jahren
erschien jeweils nur ein Album.
Auch "50 Words for Snow" ist ein Familienprodukt, ergänzt um prominente
Freunde und Bekannte. Bushs Ehemann Dan McIntosh spielt die Gitarren, die
50 fantastisch-allegorischen Bezeichnungen für Schnee im Titelsong lässt
sich der britische Exzentriker Stephen Fry auf der Zunge zergehen,
unterbrochen von Bushs wie aus weiter Ferne heranrockendem
Anfeuerungsrefrain. Am Schlagzeug sitzt Steve Gadd, einer der
erfinderischsten Rhythmusgeber der jüngeren Musikgeschichte. Sogar die alte
Kitschnudel Elton John ist für das Duett "Snowed in on Wheeler Street" in
Bushs Privatstudio gereist.
## Die Kicks sind Geschichte
Beim vierten und fünften Hören lerne ich das Understatement schätzen, das
auf Bushs neuntem Album Regie führt. Der berühmte Steve Gadd etwa: kein
Grund, sich in den Vordergrund zu spielen. Wenn man mit einem Schlagzeug
präzise nuscheln kann, dann beherrscht Gadds dies hier ganz vorzüglich. Das
Schneethema: eher ein lockerer Rahmen, um (Liebes-)Geschichten zu
assoziieren und augenzwinkernd miteinander zu verbinden.
Nicht zuletzt Kate Bush selbst: Am Klavier hat sie einen suggestiven
Minimalismus entwickelt, stimmlich nimmt sie sich sehr zurück. Ja, die
berühmte und hier ganz unverstellte Kate-Bush-Stimme: Das Kristalline,
mühelos in die höchsten Höhen Jubilierende ist verschwunden, dafür hat
etwas Brüchiges und Verletzliches Einzug gehalten.
Tatsächlich hört man auf diesem Album sehr unaufgeregt, dass die Zeit
vergeht und vergangen ist. Die hyperenergetischen Kicks sind Geschichte -
und ja, manchmal klingt es auch nach angezogener Handbremse.
Umso diebischer scheint sich die Meisterin zu freuen, wenn sie, wie im
anfangs zu Unrecht überhörten "Misty", sich noch einmal in das junge Girl
hineinversetzt, das sich vom selbst gebauten Schneemann verführen lässt.
Alle Ambivalenzerfahrungen und Distanzen, die sich im Laufe der Zeit so
ansammeln, schwingen in dieser leicht verschleppten, erotischen
13-Minuten-Fantasie mit - und eine gigantische Wärme.
Kate Bush: "50 Words for Snow" (Fish People/EMI)
3 Dec 2011
## AUTOREN
Eva Behrendt
## TAGS
Gothic
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