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# taz.de -- Neogoth als Bewusstseinserweiterung: Leuchtender Synthiepop
> Eine starke Stimme und ein avantgardistischer Geist: Nika Roza Danilova
> alias Zola Jesus entwächst auf ihrem dritten Album "Conatus" endgültig
> der Subkultur.
Bild: Stimme als Alleinstellungsmerkmal: Zola Jesus.
Vor zwei Jahren gebrauchte der britische Musikjournalist David Keenan den
Begriff "Hypnagogic Pop" als Beschreibung für ein loses Netzwerk von
US-LoFi/Noise-Musikern mit einer starken Affinität für die ästhetischen und
kulturellen Paradigmen der achtziger Jahre. Ausgangspunkt seiner
Überlegungen war die Vorstellung eines pophistorischen Bewusstseins, dessen
Erinnerungsstruktur sich im Zwischenreich von Schlaf- und Wachzuständen
ausformt.
Die Vorstellung von Popmusik als durchlässigem Bewusstseinszustand, der von
Klängen, Texturen, Bildern und Gerüchen gleichermaßen durchdrungen ist,
klingt zugegebenermaßen reizvoll. Man kann "Hypnagogic Pop" als
Erklärungsversuch verstehen: ein durchaus strategisch angedachter
Esoterismus, um der Zeichenhaftigkeit des "Nostalgia-Kontinuums" der nuller
Jahre wieder spirituelle Erdung zurückzugeben.
Keenan legte sein Augenmerk auf bewusstseinserweiternde Experimente und den
spielerischen Umgang mit Erinnerung und versuchte sich darüber an der
Sondierung eines Erfahrungsraumes, der nicht mit kategorischen Begriffen
zugestellt werden musste.
## Eingeschränkte Sicht auf ihre Musik
Die 22-jährige Nika Roza Danilova weiß um die Schwierigkeit, in der
weitgehend ausdefinierten Popmusik des Jahres 2011 noch emanzipative
Positionen zu behaupten. "Gothic" ist ein Begriff, der oft im Zusammenhang
mit ihrem Alter Ego Zola Jesus gebraucht wird. Als musikalische Referenz
fällt meist der Name Siouxsie and the Banshees.
Natürlich versteht Danilova, dass Zola-Jesus-Fans früher oder später auch
bei Künstlern landen werden, die Amazon den Käufern ihres neuen Albums
"Conatus" empfiehlt. Dennoch zeigt sie sich verwundert von der
eingeschränkten Sicht auf ihre Musik.
Nika Roza Danilova wuchs ohne Internet und Massenmedien in der
amerikanischen Provinz auf. Ihr Vater, ein ehemaliger Skater, hatte der
Zivilisation den Rücken gekehrt. Seine Plattensammlung war Nikas erster
Zugang in die Welt der Popmusik - beziehungsweise dem, was sie als junges
Mädchen dafür hielt.
Dass sie ausgerechnet in den Wäldern von Wisconsin ihre Liebe zur Oper
entdecken würde, mag wie eine schicksalhafte Fügung erscheinen. Es könnte
andererseits auch für Keenans These von Popmusik als erweitertem
Bewusstsein sprechen.
Wie dem auch sei. Mit "Conatus" ist Zola Jesus endgültig allen
subkulturellen Zusammenhängen und Nischen entwachsen. Ihr drittes Album
strahlt eine Selbstsicherheit und Größe aus, die keiner weiteren
Rechtfertigung bedarf. Im Gegenteil wäre nun eigentlich der Zeitpunkt
gekommen, sich ernsthafter mit der Musik von Zola Jesus zu befassen, sie
einmal genau auf ihr klangliches Spektrum, ihre Temperatur, ihre
Welthaltung und ihre Performanz hin zu untersuchen.
## Brummen und Zischeln im Hintergrund
Denn schon lange war Popmusik nicht mehr von solch einem avantgardistischen
Geist beseelt. Das liegt nicht zuletzt an Danilovas klassisch geschulter
Stimme, die eigentlich nur mit Siouxsie Sioux verglichen werden sollte,
weil beide Frauen die Gesangstechniken populärer und experimenteller Musik
meisterlich beherrschen.
Die Stimme ist das Alleinstellungsmerkmal von Zola Jesus. In ihr verbindet
sich Technik mit einer schier unerschöpflichen emotionalen Ausdruckskraft.
Jedes Wort klingt wie einmal durch die Tiefen ihrer Lunge geatmet, bevor es
klar und voluminös im Raum verhallt. Man könnte Danilovas stimmliche
Präsenz leicht als Charakteristikum gegenwärtiger Popmusik abtun.
Aber Beherrschung ist in der Musik von Zola Jesus nicht das letzte Ziel,
dafür ist diese oft zu opak und mitunter auch unberechenbar. Der monochrome
Synthiepop von "Conatus", obwohl er kein klassisches Stilmittel scheut,
weist feine Schraffuren auf; immer brummt und zischelt im Hintergrund
etwas. Etwa wattierte Erinnerungsfragmente an die Ästhetik der
Industrialband Throbbing Gristles, die einst durch die bitterkalten Winter
von Wisconsin zur kleinen Nika Roza Danilova durchdrangen.
Im Jahr 2009 interviewte David Keenan Zola Jesus für sein "Hypnagogic
Pop"-Essay. Im schnelllebigen Popdiskurs hat der Begriff längst seine
Deutungsmacht verloren. In der Musik von Zola Jesus lebt die Idee weiter.
Und darüber schwebt erhaben Danilovas Stimme und verleiht Keenans Gedanken
eine luzide Gegenwärtigkeit.
Zola Jesus: "Conatus" (Souterrain Transmissions/Rough Trade), live 29.
September, Berlin, Berghain
28 Sep 2011
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Gothic
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