# taz.de -- Machtkämpfe im Tschad: Schlacht um Ndjamena | |
> Rebellen kontrollieren den Großteil von Tschads Hauptstadt. Präsident | |
> Déby kämpft um die Kontrolle, die stationierten französischen Soldaten | |
> evakuieren Ausländer. | |
Bild: Soldaten des Tschad im Niemandsland zwischen den Grenzen von Tschad und S… | |
Verkohlte und zerstückelte Leichen liegen auf den Straßen. Panzer der | |
Regierungstruppen schießen auf vermeintliche Rebellen, die auf offenen | |
Lastwagen durch die Straßen rasen und dabei auch aus tief fliegenden | |
Militärhubschraubern unter Beschuss genommen werden. Raketen- und | |
Maschinengewehrfeuer ist überall zu hören. Zahlreiche Geschäfte sind | |
geplündert. Was Augenzeugen am Sonntag aus Tschads Hauptstadt Ndjamena | |
beschreiben, ist ein brutaler Krieg um die Kontrolle der Stadt. | |
Über 1.500 Rebellen waren am Samstag in Ndjamena eingerückt, nachdem eine | |
rund 3.500 Mann starke Rebellenarmee im Laufe der vergangenen Woche mit 300 | |
Militärfahrzeugen quer durch den Tschad von Sudans Grenze im Osten bis an | |
die Tore der Hauptstadt an der Grenze zu Kamerun im Westen gerast war. Nur | |
an wenigen Stellen waren die Umstürzler auf Widerstand der | |
Regierungstruppen gestoßen. Bei Masasguet 50 Kilometer außerhalb der | |
Hauptstadt entwickelte sich am Freitag eine heftige Schlacht, bei der | |
Tschads Generalstabschef Daoud Soumain sowie nach ersten Berichten mehrere | |
hundert Regierungssoldaten getötet wurden. Präsident Idriss Déby, der seine | |
Soldaten an der Front direkt befehligt hatte, war zuvor nach Ndjamena in | |
seinen Präsidentenpalast zurückgekehrt, um seine Truppen von dort aus | |
weiter zu kommandieren. Der Rest der Stadt fiel ab Samstagvormittag an die | |
Rebellen, zum Jubel großer Teile der Bevölkerung. | |
Déby zog sich nach seiner militärischen Niederlage aber nicht von der | |
politischen Macht zurück. Er ließ sich nicht von Frankreichs Militär | |
evakuieren. Berichte, er habe sich in eine französische Militärbasis | |
geflüchtet, wurden bis Sonntagnachmittag nicht bestätigt. Die Lage sei | |
"unklar", sagte Frankreichs Verteidigungsminister Hervé Morin. | |
"Seit Freitagabend bieten wir Idriss Déby an, ihm zu helfen, das Land zu | |
verlassen, falls er sein Leben in Gefahr sieht und gehen will, aber er hat | |
abgelehnt", erklärte eine Quelle im französischen Präsidialamt am Sonntag | |
gegenüber AFP. Das Angebot "gilt immer noch". Frankreichs Präsident Nicolas | |
Sarkozy habe mehrmals direkt mit Déby telefoniert und eine Feuerpause sowie | |
politische Verhandlungen gefordert. | |
Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts scheiterten. Libyens | |
Regierung verkündete in der Nacht zum Sonntag, sie habe eine Feuerpause | |
ausgehandelt. Das dementierten die Rebellen umgehend: Mahamat Nouri, einer | |
ihrer drei politischen Führer, ließ erklären, er habe sich lediglich zu | |
einer Feuerpause bereit erklärt, falls seine beiden Kollegen Timane Erdimi | |
und Abdelwahid Makaye dem zustimmten, und die habe noch keiner gefragt. Die | |
Afrikanische Union (AU) erklärte zum Abschluss ihres Staatengipfels am | |
Sonntag in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, sie werde ein eventuelles | |
Putschregime im Tschad "exkommunizieren". | |
Mangels einer politischen Lösung entwickelte sich am Sonntag eine mit | |
schweren Waffen ausgetragene Schlacht um Ndjamena. Die Rebellen | |
kontrollieren den Westteil der Stadt, Präsident Déby den Ostteil mit dem | |
Präsidentenpalast. Westlich von Ndjamena liegt außerdem der Flughafen, | |
Hauptbasis des ständig im Tschad stationierten französischen | |
Truppenkontingents, das von 1.100 auf 1.450 Mann aufgestockt worden ist. | |
Dessen Rolle ist unklar. Nach amtlichen Angaben hat es nicht in die Kämpfe | |
eingegriffen, obwohl Augenzeugen berichteten, es habe Schusswechsel | |
zwischen französischen Soldaten und Rebellen im Stadtzentrum gegeben. | |
Offiziell haben die Franzosen lediglich Ausländer evakuiert - 514 bis | |
Sonntagmittag mit 400 weiteren, die noch an drei von französischen Soldaten | |
geschützten Sammelpunkten am Flughafen und in Ndjamena selbst warten. Die | |
hochmodernen "Mirage"-Kampfjets des französischen Tschad-Kontingents | |
führten weiterhin "Aufklärungsflüge" über Rebellenstellungen durch, | |
landeten dann aber nicht mehr in Ndjamena, sondern flogen nach Gabun, über | |
2.000 Kilometer entfernt. | |
Der Flughafen wurde derweil weiterhin von Tschads Regierungsstreitkräften | |
genutzt. Rebellensprecher Abderahman Koulamallah kritisierte die | |
französische Haltung: "Wir haben darauf verzichtet, den Flughafen | |
einzunehmen, um die Evakuierung von Ausländern nicht zu stören, aber nun | |
lässt die französische Armee [tschadische] Hubschrauber aufsteigen, um uns | |
anzugreifen." | |
Mindestens 3.000 Bewohner Ndjamenas flohen über die nahe Grenze nach | |
Kamerun, und Nigeria setzte seine Armee in Alarmbereitschaft. Sudan | |
dementierte Vorwürfe der Regierung Déby, wonach man die Rebellen | |
ausgerüstet habe - in Tschads regierungsoffizieller Sprachregelung sind die | |
Rebellen sämtlich gar keine Rebellen, sondern lediglich "sudanesische | |
Söldner". Sudans Außenministerium erklärte: "Wir unterstützen die Rebellen | |
nicht. Wir haben mit ihnen nichts zu tun." Das bezweifeln jedoch | |
unabhängige Beobachter. Gestern Nachmittag wurde ein Rebellenangriff, | |
angeblich unterstützt von Sudans Luftwaffe, auf die Stadt Adré im Osten des | |
Tschads gemeldet. | |
4 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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